14 - Champion

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Jemand schreit: „Drachen!"

Verwirrt bleibt Violene inmitten des Dorfes stehen, versuchend die Situation zu verstehen. Versuchend einen Überblick zu bekommen und was nun zu tun sei.
Unwohl beobachtet sie, wie Menschen in den umliegenden Häusern verschwinden und zugleich andere Menschen nach Waffen und Ähnlichem greifen, auf direkte Konfrontation mit den Drachen aus. Gewalt kann doch nicht richtig sein... nicht gegen Drachen... Wo ist Schocker?!
Wieder einmal dreht sie sich um die eigene Achse, mit der schwindenden Hoffnung Schocker in dem Getümmel entdecken zu können. Der Nachteil: Das Chaos wird immer unübersichtlicher und die Grenzen zwischen Drachen und Wikingern scheinen immer mehr ineinander zu verschmelzen.

Eine Hand auf Violenes Schulter reißt sie aus ihren Gedanken. Und stärkt in ihr direkt wieder dieses eklige Gefühl von Angst, von Strafe und Versagen. Als wenn Grodan sie plötzlich auf dieser Insel gefunden hätte. Und das Chaos nutzt, um sie nach Hause zu holen. Dorthin zurück, wo sie hingehört: Familie...
„Violene!", es ist Ruki. Thor sei Dank, es ist nur Ruki!
Ruki... „Was ist hier los?! Was habt ihr vor..?" Zögernd sieht sie zu ihm, gerade noch so das Zittern in ihrer Stimme unter Kontrolle kriegen können.
„Die Drachen versuchen wieder einmal unsere Vorräte zu plündern. Und das gerne vor allem dann, wenn unsere Fischer mit vollen Netzen zurückkamen", zerknirscht beobachtet er, wie ein Tödlicher Nadder seine Schmiede aus einiger Entfernung mustert, „Und wir versuchen – wieder einmal – sie zu vertreiben und unsere Vorräte zu retten. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. Violene, diese Auseinandersetzung ist nichts für dich! Hol deinen Drachen zu dir und wartet in meinem Haus, bis ich dir was anderes sage!"
Den Kopf schüttelnd, will Violene etwas erwidern. Aber bevor das erste Wort ihren Mund verlassen konnte, hat Ruki sich einen Speer geschnappt und ist mit einem lauten „Verschwinde!" auf besagten Tödlichen Nadder zugerannt. Diese Drachen haben nur Hunger... Sie wollen doch gar nichts Böses... Gibt es nicht.. einen friedlicheren Weg?
Erneut schweift ihr Blick über besagtes Chaos, in der Hoffnung unter all den Wikingern und Drachen, welche sich fast wie diebische Elstern verhalten, ihren Kumpel zu finden. Wo bist du Schocker...?

Ich muss einen klaren Kopf bewahren. Unbedingt! Und vor allem muss ich Schocker finden. Nicht, dass die Dorfbewohner ihn fälschlicherweise noch mit einem wilden Drachen verwechseln... Wilde Drachen... Ruki meinte, sie kommen wegen der Vorräte? Das heißt, sie wollen den Menschen nicht unbedingt schaden, oder? Ich hoffe es... und ich hoffe, dass die Dorfbewohner es genauso wenig wollen...
Zerknirscht weicht sie einem weiteren Drachen aus, welcher neugierig einen anderen Dorfbewohner mustert. Oder besser gesagt: den Fisch in dessen Hand, welchen er kurzerhand verschlingt. Natürlich ohne den Dorfbewohner, welcher wiederum nicht ganz erfreut über die Sache ist.
Wieder lässt sie ihren Blick schweifen, zwischen den Häusern guckend, in der Hoffnung so einen hellblauen Drachen in dem ganzen Getümmel finden zu können. Drache, Wikinger, Drache, Wikinger... und zwei Drachen, die sich um Essen streiten. Im selben Moment hält sie inne.
Zwei Drachen... Unmerklich geht Violene wenige Schritte zurück, um einen genaueren Blick auf die beiden Streithähne erwischen zu können.
Nicht sein Ernst! - Endlich hat Violene Schocker gefunden! Aber dieser Drache... darüber wird sie mit ihm später in Ruhe noch einmal reden müssen. Immerhin hat er keine Probleme mit den hiesigen Dorfbewohnern, die noch immer angestrengt versuchen ihre Vorräte zu beschützen. Kopfschüttelnd lässt sie den Leuchtenden Fluch sich weiter mit einem Riesenhaften Alptraum um einen kleinen Haufen Fische streiten. Das wird er ihr später definitiv mal erklären dürfen. Und dann müssen sie unbedingt über dieses verfressene Verhalten reden!

Aber jetzt gibt es wichtigeres für und in diesem Dorf zu tun.
Das einzige Problem bei dieser Geschichte? Sie weiß nicht, ob das klappt.
Und schlussendlich vielleicht sogar alles nur noch schlimmer machen würde.

Vermutlich habe ich nur einen Versuch. Und wenn der scheitert, werden mich entweder die Drachen fressen oder die Dorfbewohner... nein. Ich darf jetzt nicht an Grodan denken. Dieses Dorf, diese Menschen hier sind nicht... nicht wie die anderen. Sie hassen nicht. Und... sie wissen nichts von meinem Fluch. Stumm mustert Violene ihre rechte Hand, bis sie wieder aufsieht: Jetzt oder nie.
Angespannt hebt sie den Blick, mustert noch einmal ihre Umgebung, bevor sie ihr Tempo verlangsamt. Bestimmter und ruhiger durch die einzelnen Gassen und Wege geht, die Aufregung und Schreie um sich herum immer mehr ausblendend. Als wäre sie kein Teil dieses Geschehens. Nur eine stille Beobachterin von außerhalb.
Sie merkt, wie ihre Lippen sich bewegen. Seltsame Laute ihren Mund verlassen und doch nur ein Flüstern sind. Fast schon zu unscheinbar für andere, insbesondere für die Wikinger, welche in größter Anstrengung ihre Vorräte verteidigen. Und auch wenn die Dorfbewohner dies nicht hören, Violene selbst nicht einmal wahrnimmt welche Laute da ihren Mund verlassen – die Drachen tun es. Und sie gehorchen. Unterbrechen Attacken, aggressive Versuche an die Vorräte zu kommen oder dabei anderweitig Sachen zu beschädigen. Pupillen verengen sich schlagartig, sobald Violene an ihnen vorbeigeht, nur um im nächsten Moment die Flügel auszubreiten und wegzufliegen. Und ausnahmsweise nicht nur für kurz – hoffentlich.

Hellhörig geworden hat Schocker im selben Moment die Schnauze in die Luft gestreckt, witternd. Noch einmal fällt sein Blick auf den Riesenhaften Alptraum, welcher im selben Moment abhaut. Wie so einige andere Drachen. Skeptisch geworden sieht Schocker diesem nach, bevor er herumwirbelt und sich beeilt. Wikingern und Drachen ausweichend, auf der Suche nach seiner Reiterin. Er weiß, dass diese Laute von keinem Drachen kommen.
Er weiß, dass dies seine Reiterin ist.
Das sie gerade den wilden Drachen einen Befehl erteilt.
Das in ihrer Stimme eine Härte und Entschlossenheit liegt, die ihm nicht gefällt.
Nein, er hat bei der ganzen Sache definitiv kein gutes Bauchgefühl, geschweige denn...

... Violene!
Nach einigen weiteren Kurven und Ausweichmanövern hat er sie endlich entdeckt. Seine Reiterin, nicht unweit entfernt von den letzten wilden Drachen, die sich noch im Dorf befinden.
Während die kämpfenden Dorfbewohner noch dabei sind, verwundert den wilden Drachen hinterherzusehen, spürt er einen durchdringenden Blick auf sich ruhen.
Unterschwellig knurrend wirbelt seine Schnauze erneut herum, nur um am Rand diese Thea zu entdecken, welche abwechselnd ihn und dann seine Reiterin ansieht. Ein Blick, der ihm definitiv nicht gefällt. Für ihn ist klar, diese Frau geht es definitiv nicht an, was seine Reiterin kann und was nicht. Das ist allein eine Sache zwischen ihr und ihm! Da hat diese komische Frau nichts zu suchen. Das noch einmal deutlicher signalisieren wollend senkt er den Blick in ihre Richtung, bevor er einen Bogen schlägt und so vor seiner Reiterin zu stehen kommt, das er sie vor Theas Blicken abschirmt.

Im ersten Moment realisiert seine Reiterin ihn gar nicht.
Bis seine Schnauze ihre linke Hand anstupst, und ihre Lippen aufhören, sich fast lautlos zu bewegen. Verschiedene Laute von sich zu geben, den wilden Drachen klare Befehle erteilend. Dankbar stupst er seine Reiterin erneut an, als diese unmerklich den Kopf senkt und beide Blicke aufeinandertreffen. Eine Träne schimmert bei ihr im Augenwinkel, als plötzlich ihre Augen sich schließen und sämtliche Anspannung ihren Körper verlässt.
Erschrocken breitet Schocker seine Flügel aus, um seine Reiterin auffangen zu können. Doch eine männliche Stimme kommt ihm zuvor: „Violene!"
Sie gehört zu diesem Ruki, in dessen Haus sie letzte Nacht schlafen durften und welcher bei ihrer ersten Begegnung richtig Angst vor ihm hatte. Er würde ja sagen: Zurecht. Denn schlussendlich ist er immer noch ein Drache und vor allem, ein Leuchtender Fluch. Und nur weil er Violene vertraut und sie auf seinem Rücken sitzen lässt, gilt das nicht für alle Menschen.
„Sie muss sich vermutlich nur etwas ausruhen. Das Mädchen ist sichtlich erschöpft, die gesamte Reise muss ihr schon einiges abverlangt haben." Theas Stimme. Ohne dass er es gemerkt hat, hatte sie sich den beiden genähert und steht nun näher, als es ihm lieb ist bei den beiden. „Lass sie an einer Hütte sitzen und gib ihr etwas zu trinken. Das wird ihr helfen." Kaum hatte sie diese Worte zu diesem Ruki gesagt, ist sie schon wieder in eine andere Richtung unterwegs. Schocker wird einfach nicht schlau aus ihr.

„Dorfgemeinschaft – Lasst uns feiern und fröhlich sein! Die wilden Drachen haben aufgehört unsere Vorräte zu rauben und sind verschwunden! Bereitet alles vor und lasst uns den Göttern mit einem Fest dafür danken. Und heißen wir unseren Gast, die Drachenflüsterin, willkommen."
Gebannt hatte Schocker Thea beobachtet, wie sie diese Worte laut über den gesamten Platz hin gesagt hat. Bis zu dem Zeitpunkt, als er merkte, das Ruki seiner Reiterin vorsichtig zu einer Bank rüber half, damit diese sich setzen konnte. Natürlich kam er sofort auf die andere Seite von Violene und signalisierte Ruki deutlich, dass er Violene und ihn genauestens im Blick hat.
Mit einem sorgenvollen Grummeln stupst Schocker seine Reiterin erneut an, als diese endlich ein schwaches Lächeln zustande bringt. „Hey Schocker..."
„Du bist umgekippt. Und hast den wilden Drachen viele Befehle gegeben. Geht es dir gut?!"
Wie durch Watte dringen seine Worte dumpf zu Violene durch, bis sie versteht, was passiert sein muss. Und merkt, das hat deutlich an den Kräften gezehrt und war definitiv eher eine halbgute Idee. Doch noch bevor sie Schocker in seiner Sprache antworten kann, kniet Ruki vor der Bank und hält ihr einen Becher entgegen. „Ich weiß ja nicht, was du da genau gemacht hast... aber die Drachen sind einfach abgehauen. Danke dir", ein schiefes Grinsen versuchend drückt Ruki ihr den Becher in die Hand, „Hier, trink das. Thea meinte, das könntest du jetzt sehr gebrauchen. Und danach... seid ihr beide herzlichst zum Fest in unserem Dorf eingeladen. Noch nie hatte ein Überfall so kurz gedauert und vor allem, konnte so schnell beendet werden."
Halbwegs ein Nicken zustande bringend, murmelt Violene ein leises „Danke", bevor sie den Becher ansetzt und einen kräftigen Schluck nimmt. Und im selben Moment spüren darf, wie sehr das kalte Nass ihrem Körper und insbesondere ihrer Kehle guttut.

Befehle... Drachenlaute... Es.. es hat also wirklich... funktioniert...
Noch immer schwirrt ihr der Kopf davon, wenn sie ehrlich ist. Davon, dass dieser Plan funktioniert hat. So lebensmüde, leichtsinnig und gefährlich er auch war. Aber auch, dass sie keinen blassen Schimmer hat, was da passiert ist. Es ist, als hätte ihr Bewusstsein sich in dem Moment abgeschaltet. Wäre auf Automatismus übergegangen. Und das ist es – neben ihrer körperlichen schwachen Verfassung – was ihr noch größere Sorgen dabei macht. Was ist, wenn es sich wiederholt...? Wenn ich es nicht kontrollieren kann? Mich das nächste Mal dabei verrate und es jemand mitbekommt?

Müde hebt sie den Kopf, einen weiteren stärkenden Schluck nehmend, als sie Theas Blick begegnet. Und diese alte, verwirrende und doch freundliche Frau lächelt. Nicht hämisch. Nicht spöttisch. Nicht, als wenn sie irgendetwas bemerkt hätte, was sie nun zu ihrem Vorteil nutzen will. Nicht so, wie Grodan es manchmal tat. Gerade dann, wenn er weitere Pläne für sie hatte.
Nein, Thea lächelt. Aber sanft, mütterlich, wissend, aber auf eine gute Art und Weise. Was auch immer sie weiß, sie würde es mit in ihr Grab nehmen.






Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅

Schatten der Vergangenheit (Httyd)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt