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Das Gefühl, das Nymeria in diesem Moment hatte, war unbeschreiblich und das nicht im negativen Sinne. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis sich die beiden wieder voneinander trennten. Das Mädchen öffnete ihre Augen und sah direkt in die gelben Augen ihres Gegenübers. Da sie nicht genau wusste, was sie sagen sollte, sah sie ihn einfach nur an: Das ist nicht wirklich gerade passiert, oder? Ihre Gedanken und Emotionen waren komplett aus der Bahn geraten.
„Tut mir leid, ich hätte nicht einfach...", fing Neteyam an, die Stille zwischen den beiden zu brechen.
„Entschuldige dich nicht dafür...", unterbrach Nymeria ihn nun, da sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte.
„Wir...wir sollten langsam zurück.", fügte sie noch hinzu und entfernte vorsichtig seine Hand, die noch an ihrer Taille gelegen hatte.
„Eh ja, klar...du hast Recht.", murmelte Neteyam und strich sich mit der Hand über seinen Nacken, als er den Blick abwandte und sich ein Stück von ihr entfernte. Kurz darauf machten sich die beiden wieder auf den Weg zurück zum Dorf, wo sich ihre Wege trennten und beide zu ihrem eigenen mauri gingen.
Wie dämlich war sie eigentlich? Einfach der Situation zu entfliehen, anstatt nachzufragen, was Sache war? Nymeria könnte sich selbst eine klatschen.
Sicher war, dass sie mit keinem darüber reden würde, was passiert war.

Die nächsten Tage verbrachte Nymeria mit Lernen, sowie mit einigen Aufgaben, die ihr Ronal gab, um sicherzugehen, dass sich ihre Nichte von Neteyam fernhalten würde.
Dabei musste Ronal sich eigentlich nicht einmal groß Mühe geben, das Mädchen von ihm fernzuhalten, das tat sie schon selber. Ihr war es zu unangenehm, nachdem, was passiert war und wie sie mit dieser ganzen Situation umgegangen war.
Außerdem vergingen nicht wirklich viele Tage ohne irgendeinen Stress, in den die Sully Kinder sowie Ao'nung und seine Freunde verwickelt waren. Nymeria hatte ehrlich gesagt langsam die Schnauze voll von den ganzen Problemen, die herbeigerufen wurden.
Außerdem hörte sie noch die Geschichte von Lo'ak und Payakan, die Neteyams Bruder Tsireya und Tsireya Nymeria erzählte und die die Heilerin schon ziemlich beeindruckte.

„Du verhältst dich echt komisch.", sagte Tsireya, die mit schnellen Schritten auf Nymeria zukam.
„Wie bitte?", fragte die Heilerin nun verwirrt und legte den Korb beiseite, den diese gerade flocht.
„Seit Tagen verhältst du dich schon komisch.", wiederholte das Mädchen und setzte sich vor Nymeria hin.
„Das stimmt doch gar nicht!", protestierte sie, wurde jedoch direkt wieder unterbrochen.
„Neteyam fragt nach dir. Gehst du ihm aus dem Weg?"
Tsireya legte ihren Kopf etwas schief und musterte das junge Mädchen vor ihr.
Nymeria stockte und presste ihre Lippen zusammen, vielleicht sollte sie es Tsireya doch erzählen.
„Ja...aber es ist so, dass...ich..." Nymeria seufzte und hielt sich die Hände vors Gesicht.
„Ich hab ihm die Höhle gezeigt und dann kam eins zum Anderen und...und er hat mich geküsst, aber ich war so überfordert mit allem... dann habe ich gesagt, dass wir zurück müssen, bevor es Ärger gibt."
„Nymeria...", begann Tsireya nun, während sie noch versuchte, die ganzen neuen Informationen zu verarbeiten.
„Ihr habt euch...und du ignorierst ihn jetzt einfach?!" schrie sie dann beinahe, weshalb Nymeria ihre Hand vor den Mund des Mädchens hielt.
„Nicht so laut!", knurrte sie und nahm ihre Hand zurück.
„Du kannst ihn doch nicht einfach ignorieren!", setzte Tsireya an und schüttelte ihren Kopf.
„Egal was Mutter sagt... Gegen Gefühle kann man nichts machen. Außerdem... ist er ein guter Küsser?", fragte Tsireya dann grinsend.
„Tsireya!" mit geröteten Wangen sah Nymeria ihre Cousine an: Das konnte doch nicht ihr Ernst sein!
„Nein, aber wirklich, du solltest mit ihm reden... Vor allem müsst ihr klären, was genau das jetzt für euch ist und wie es weitergeht." Tsireya wurde ernst und sah Nymeria durchdringend an.
„Ich weiß, aber..."
„Kein aber mehr, los jetzt! Ich achte auch darauf, dass Mutter und Vater es nicht mitbekommen." Mit diesen Worten stand Tsireya auf und griff nach dem Arm des Mädchens, um dieses hochzuziehen.
„Ist ja gut.", grummelte Nymeria und stand auf.
Zusammen gingen die beiden in Richtung des mauri der Sullys, doch ihre Aufmerksamkeit wurde von einer größeren Gruppe an Metkayinas angezogen.
Verwirrt sahen die Mädchen sich an, ehe sie auf die Gruppe zugingen.

Vorsichtig drückten sich die Mädchen durch die Menge und kamen vorne zum stehen.
Ronal und Tonowari standen in der Mitte der Gruppe, ihr Gesichtsausdruck und Körpersprache verrieten nichts Gutes. Erst jetzt bemerkte Nymeria Jake, der versuchte, alle irgendwie zu beruhigen, was nicht gerade gut funktioniert. Tsireya, die neben Nymeria stand, war den Tränen nahe, weil ihre Familie verkündete, dazu bereit zu sein, in einen Krieg gegen die Himmelsmenschen zu ziehen.
„Warnt die Tulkune!", sagte Jake, während er etwas in der Hand hielt. „Wenn einer von ihnen damit getroffen wurde, ruft und ich schalte es ab. Ansonsten sind sie dem Tode geweiht." Seine Stimme war ernst und laut, sodass auch wirklich alle ihn hören konnten.
Tonowari sah ihn für einen Moment an, ehe er tief durchatmete. „Ihr habt es gehört. Warnt die Tulkune!" Als er dies aussprach, verschwanden die Na'vi recht schnell, um seinen Auftrag auszuführen.
„Das ist gar nicht gut.", murmelte Nymeria und bemerkte, wie Neteyam und Lo'ak Richtung Meer gingen. Schnell griff sie nach Tsireyas Hand und folgte den beiden.
„Nymeria, was..."
„Ich muss mit ihm reden.", erwiderte sie und ging auf die beiden Jungs zu, die sich zu streiten schienen.
Als die beiden Mädchen bei ihnen ankamen, sprang Lo'ak ins Wasser.
„Neteyam...", fing Nymeria an, wurde jedoch sogleich von ihm unterbrochen.
„Wir müssen ihm nach, er will zu Payakan!", sagte er und rief auch schon nach seinem Ilu.
„Neteyam, bitte, ich muss mit dir reden! Nur kurz!", versuchte Nymeria es erneut.
Der Junge drehte sich zu ihr um und legte seine Hand auf ihren Kopf.
„Wir reden, wenn ich zurück bin... Du bleibst besser hier.", sprach er ruhig und entfernte seine Hand von ihrem Kopf, um sie stattdessen an ihrer Wange zu platzieren und sanft Nymerias Stirn zu küssen.
Tsireya hingegen hatte sich schon auf ihren Ilu gesetzt und folgte Lo'ak.
Perplex stand die Heilerin nun da und sah den anderen hinterher, wie sie Lo'ak zur Hilfe eilten. Kurzerhand entschied Nymeria sich dazu, den Erwachsenen Bescheid zu geben, was gerade passierte.

„Tante! Onkel!" rief Nymeria, als sie das mauri betrat. Diese saßen grade mit Jake und Neytiri auf dem Boden und schienen irgendetwas zu besprechen.
„Nymeria?", fragte Tonowari und sah seine Nichte prüfend an.
„T...Tut mir Leid wegen der Unterbrechung, aber es geht um..." Doch weiter kam sie nicht, als Jake scheinbar durch sein Funkgerät abgelenkt wurde.
„Lo'ak? Wo bist du und wer ist bei dir?", fragte Jake nun und Neytiris Blick schnellte hinüber zu ihm, leichte Panik lag in ihrem Blick.
Jake sah hinüber zu Nymeria und dann zu seiner Frau.
„Wir kommen gleich, verschwindet sofort von dort!", sagte er knapp und erhob sich von seinem Platz.
„Sie haben die Kinder."
Kaum hatte er diese Worte gesagt, standen alle Erwachsenen auf und Ronal griff nach ihrer Waffe.
„Nein, du bleibst hier!", sagte Tonowari und hielt seine Frau am Arm fest.
„Ich gehe.", knurrte diese und riss sich von seinem Griff los.
„Nymeria, du bleibst hier.", fügte sie hinzu, ehe sie an dem Mädchen vorbei Richtung Strand lief, gefolgt von Tonowari und Neytiri.
„Mach keinen Blödsinn, Kind.", ergänzte Jake und legte seine Hand auf ihren Kopf. „Ich habe gehört, du bist eine gute Heilerin... wir werden dich noch brauchen.", sagte er mit einem ernsten Lächeln und folgte den anderen.
Wie wichtig Nymeria noch werden würde, hätte jedoch keiner ahnen können...

My little Healer || Neteyam Where stories live. Discover now