7. Keine One-Man-Show mehr?!?

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Es war bereits mitten in der Nacht. Da die Planungen für Ashs und Maddys Hochzeit gestern so ewig lang gedauert haben, darf ich heute eine Nachtschicht einlegen. Wie ich es *hust liebe *hust. Ich liebe die Biologie, doch die Promotion ist wirklich kein Zuckerschlecken. Wie kann eine Sache nur so kompliziert sein? Manchmal frage ich mich, ob ich auf meinen Rechercheseiten alles falschherum steht und es umgedreht mehr Sinn ergibt. Irgendwie erinnert mich das an den Mathe-Unterricht.

Meine Augen brannten bereits tierisch vom offenhalten und meine nerdige Lesebrille, die mir immer wieder bis auf die Nasenspitze rutschte, schaffte es dabei auch nicht wirklich meine Lage zu verbessern. Und das größte Problem. Meine Wohnung war winzig. Ich habe es zwar mal geschafft aufzuräumen (Also geschafft den Boden und die Couch freizuräumen. Alle anderen Ablageflächen hatten immer noch viele Bücher, Zettel und vereinzelt dreckige Klamotten drauf), jedoch
immer noch viel zu wenig Platz für meine ganzen Recherche Utensilien. Sagen wir so: Es ist der reinste Saustall! Wenn ich Beine hätte, wäre ich schon längst abgehauen... Und du wirst nur immer fetter, wenn du dich weiterhin nur von Fertigfutter ernährst. Hallo? Ich werde nicht fett! Ich bin schlank wie eine Gazelle! Du siehst dich auch nur von vorne, Liebste! Ach, halt doch die Klappe, Robert!

Wieso ist mein Hirn eigentlich keine One-Man-Show?

Verdrießlich blickte ich mich in der kleinen Wohnung um. Tatsächlich standen hier viele leeren Verpackungen des Asiaten von nebenan herum. Was solls? Es sind meine eigenen vier Wände und ich lebe hier, wie es mir passt! Da kann Robert mir mal gestohlen bleiben! Wenn ich jetzt sogar schon anfing mit Robert zu sprechen, dann hatte das Lernen eh keinen Sinn mehr. Gähnend klappte ich meinen Laptop zu. Uhrplötzlich klopfte es an meiner weißen Tür. Wer stört denn bitte um diese Uhrzeit? Ächzend stand ich vom Stuhl auf und schlurfte zur Tür. Neugierig öffnete ich die knarzende Tür und vor mir stand Vance. Ja, Vance stand da und sah auf mich herab. Ich trug meine schlabbrigste Jogginghose, einen uralten Hoodie, hatte zerzauste Haare und nicht zu vergessen meine hässlich Brille, die ich nur trug, wenn niemand zugegen war. Vance stand mitten in der Nacht vor meiner Haustüre und ich sah toll aus.

Verwirrt blickte ich zu ihm auf. Er wirkte so fertig mit der Welt, dass er mein Outfit nicht einmal beachtete. Sofort gingen bei mir die Alarmglocken an. „Vance...?", brachte ich erstaunt heraus. „Elea... Ich... Es... Ich wusste nicht, wo ich sonst hinsollte..." Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ich die Boxlegende Englands zu mir runter gezogen hatte und ihn in den Arm nahm. Sanft löste ich mich wieder und bugsierte ihn in meine Wohnung. Ein wenig verlegen blickte ich mich um. Mein Wohnzimmer/ Esszimmer/ Arbeitszimmer/ Küche/ Allzwegzimmer war wie bereits erwähnt nicht das ordentlichste. Überall flog etwas rum und leider nicht nur Zettel und Bücher. Wäsche waschen hatte ich auch nicht so drauf. Wenigstens war der Boden frei...

Schnell schob ich ihn auf das schäbige Sofa. Hastig schob ich die leeren Asia behälter, die meine Küchenablage blockierten in den ohnehin schon vollen Mülleimer. Vance hatte offenbar nichts bemerkt und starrte einfach an die Wand. Ich setzte schnell Teewasser auf und goss es in zwei Tassen mit Kräutertee. Fertig damit ging ich wieder zurück zu Vance und stellte ihm einer der beiden Tassen hin. „Was ist passiert?", fragte ich den altbekannten Riesen einfühlsam. „Meine Mutter... Sie stand vor meiner Tür." Sein Gesicht war starr und ich konnte sehen, wie scheiße es ihm ging. Verständlich. Seine Mutter. Die Frau, die in seiner Kindheit Drogenabhängig war, die Drogen nahm, als sie mit seinem kleinen Bruder schwanger war und ihn so tötete, die irgendwann Drogen für eine Gang verkaufte und der ihr Sohn egal wurde. „Deine Mutter?", fragte ich verblüfft. „Wieso? Woher weiß sie wo du wohnst?" Mit verwirrtem Gesichtsausdruck sah er zu mir runter. „Ich... Sie meinte, dass sie aus dem Gefängnis entlassen wurde und sie mich in ihren Bewährungsauflagen angegeben hat und so irgendwie an meine Adresse kam", sagte er rau. „Ich wusste nicht einmal, dass sie im Gefängnis war..." Erneut nahm ich ihn in den Arm. Er zitterte, obwohl es nicht im geringsten kalt war. „Aber wie kann das sein? Wie kann sie so an deine Adresse kommen? Sie hat davor doch nie versucht dich zu kontaktieren, oder?", fragte ich irritiert nach. Vance schien meine Gedanken exakt zu teilen. „Ich weiß es auch nicht. Sie war plötzlich da. Eine dürre Gestalt. Ich habe sie kaum noch erkannt, aber sie ist es wirklich. Es waren ihre Augen. Ihre kleine Nase. Ihre blasse Haut. Ihre blonden Locken, auch wenn sie nicht mehr glänzen. Ich... Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich habe sie weggeschickt..." Er war so fertig, dass ihm sogar eine Träne über die Wange rollte. „Was ich alles wegen ihr durchmachen musste. Was sie und mein Vater mir angetan haben...", stotterte er.

The Boxer and MeWhere stories live. Discover now