8. Die Knast-Eltern

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„Das Gericht hat entschieden. Ava Rodriguez ist wegen sehr guter Führung frühzeitig auf Bewährung. Allerdings wird sie noch zu weiteren fünf Jahren Sozialdienst verurteilt. Da sie selbst keinerlei Besitztümer mehr besitzt und kein Familienmitglied eingewilligt hat sie bei sich aufzunehmen, bekommt sie einen Platz in einer sozialen Wohneinheit vom Gericht gestellt. Des Weiteren..."  Die blecherne Stimme des Richters plärrte weiterhin aus den großen Lautsprechern neben dem Fernseher, doch Vance schaltete stumm. „Darren hat mir angeboten interfamiliäres zu regeln, seit wir uns wieder gut verstehen. Ich bin froh, dass er für uns abgelehnt hat, aber wie kann es sein, dass sie trotzdem meine Adresse hat?", fragte Vance mich bestürzt. Mir war das auch ein Rätsel. Man kann doch nicht einfach irgendwelche Adressen preisgeben.

Bevor ich antworten konnte, tönte auch schon die Stimme von Vance Haussystem, welches meine Eltern als Leiter eines großen Forschungsinstituts für elektronische Zukunft installiert hatten, als Vance und ich damals hier zusammen einzogen. „Verzeihen sie Mr. Vance, jedoch haben sie eine dringlich klingende Nachricht von Seth Gibson erhalten." Vance sah mich überrascht an, genauso, wie ich ihn. Was wollte Seth, Vance Manager und Unterstützung von Vance altem Trainer, Logan denn um diese Uhrzeit? „Danke, Dan! Hole sie auf den Fernseher." „Gerne, Sir. Und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Es freut mich sie wieder zu sehen, Ms. Elea", ertönte es erneut. „Es freut mich auch, Dan", lachte ich.

Das Bild des Gerichtsaals verschwand und Seths Name erschien auf dem Bildschirm, gefolgt von einer Nachricht. „Sie dir das mal an", stand auf dem Bildschirm geschrieben. Darunter ein Video angehängt. Dario drückte sofort auf seinem IPad, welches mit dem Fernseher verbunden war auf Play. Eine blondierte Moderatorin wie aus einem Bilderbuch erschien auf dem Bildschirm. „Vor zwei Tagen wurde Ava Rodriguez, eine ehemalige Drogendealerin frühzeitig auf Bewährung entlassen. Spekulationen zu Folge handelt es sich hierbei um niemand geringeren als die Mutter unseren Jungen Box-Stars Vance Rodriguez und dessen erfolgreichen Bruders Darren Rodriguez. Darren, welcher als großer Unternehmer im Bereich Kinder- und Jugendhilfe bekannt ist, hat bereits bekannt gegeben, dass er das nicht kommentieren wird, während sein jüngerer Bruder sich noch nicht zu Wort gemeldet hat..." Auf dem Fernseher erschienen Bilder von Vance und Darren und daneben das einer Frau, bei der man genau erkennen kann, dass Darren und Vance unglaublich ähnliche Gesichtszüge haben.

Vance Blick wurde eisig und man konnte deutlich sehen, dass es in ihm brodelte. „Was sagen sie dazu John?", sprach die Frau weiter und das Bild ging zu einem bekannten Moderator über. „...ich weiß nicht, Sally, aber ich sehe deutliche Ähnlichkeiten. Vor allem, wenn man ebenfalls ihren Mann ansieht, der wohl noch ein paar weitere Jahre wegen schwerer Körperverletzung einsitzen wird." Das Bild eines sehr gefährlich aussehenden Spaniers war auf dem Bildschirm zu sehen. Auch hier konnte man erkennen, dass er viel an seine Söhne vererbt hat. „Möglich ist es durchaus, auch wenn wir es nicht sicher wissen. Ich bin für meinen Teil auf jeden Fall sprachlos, falls die Gerüchte stimmen sollten, denn wie können so gescheite Männer aus so einer Familie stammen? Der eine berühmt durch seine großzügige Hilfe und Aufopferung für Kinder und Jugendhilfe, während sein jüngerer und noch berühmterer Bruder sich immer wieder als Werbegesicht für Kinder- und Jugendhilfe zeigt und außerdem regelmäßig großzügige Spenden an verschiedenste Hilfsorganisationen gibt."

Das Video endete und Vance saß wie vom Donner getroffen neben mir. Doch erneut blieb uns keine Zeit darüber zu sprechen, denn erneut ertönte Dans Stimme. „Verzeihen sie, Mr. Vance, aber ihr Bruder ruft sie an." Vance seufzte fertig. „Hole ich auf den Bildschirm." Ehe ich es mich versah, war auch schon Darren auf dem Bildschirm mit einem oben aufgeknöpften Hemd, einer lose, um die Schultern hängende Krawatte und zerzausten Haaren zu sehen. „Hallo, Darren", sagte Vance matt. „Hi, kleiner Bruder. Und Elea...? Habe ich was verpasst?", fragte er erstaunt, begann jedoch leicht zu grinsen. „Nicht viel. Elea ist hier und unterstützt mich." „Aha", erwiderte Darren grinsend. Er sah Vance so unfassbar ähnlich, dass man meinen könnte, sie wären Zwillinge, obwohl man bei ihm sogar schon erste richtige Falten erkennt und bei Vance nur die Sorgenfalten. „Hallo Darren", sagte ich freundlich.

„Hallo. Was auch immer das ist, ich vermute das der Grund dafür das ist, was momentan in den Nachrichten los ist...", sagte er mit schon deutlich verbitterter Stimme. Er blickte erschöpft in die Kamera und runzelte sauer die Stirn. „Ich konnte diese Aasgeier noch von dir fernhalten, aber nicht mehr lange. Ich habe bereits verkündet, dass ich mich zu diesem Thema nicht äußern werde, und du solltest das auch tun. Mein Plan ist es die Aufmerksamkeit von uns abzulenken und verkünden, dass trotz des Trubels um unsere Familiengeschichte unsere Aufmerksamkeit auf den Kindern und Jugendlichen und unsere Hilfe für diese liegt und wir weiterhin helfen möchten. Dieser Moderator, John hat uns dafür schon perfekte Grundlagen geliefert. Aber wir sollten auf keinen Fall zugeben, dass sie unsere Mutter ist, denn damit können wir nur verlieren. Die einen werden uns Vorwürfe machen, dass wir unserer Mutter nicht helfen und ihr keine zweite Chance geben, trotz unserer Hilfsbereitschaft und wenn wir sie dann aufnehmen, werden die anderen fragen, wie wir nur so jemanden wieder aufnehmen können. Das könnte unser beider Karrieren und das, wofür wir stehen, gefährden" Er machte eine Pause und sah zwischen uns hin und her. „Ich will ja nichts sagen, aber was auch immer das hier bei euch beiden ist. Es wird auch Aufmerksamkeit auf sich ziehen und würde von uns ablenken. Wenn ihr das nicht wollt, dann müsst ihr das sofort beenden, wenn nicht, könnte es uns den Arsch retten."

Ich vergrub meinen Kopf zwischen den Händen. Wie konnte es nur wieder so weit kommen? „Danke Darren, aber ich habe da noch eine Frage...", sagte Vance. „Schieß los" „Ava war hier. Sie hatte offenbar von dem Gericht meine Adresse bekommen. Weißt du wie sowas möglich ist?" Darren sah uns verdutzt vom Fernseher aus an. „Das weiß ich nicht, aber ich werde das Gericht sofort dahingehend kontaktieren. Außerdem werde ich wegen Schweigepflicht, was uns angeht, für Ava nachfragen und ob es ein verbot geben kann sie als Moderator zu befragen. Sie darf niemandem erzählen, dass wir tatsächlich ihre Söhne sind." Vance nickte und seufzte laut. „Also ich muss dann auch mal los. Elane schafft es einfach nicht unseren kleinen Jaden zum Schlafen zu bewegen, weil er auch merkt, dass Elane und ich sehr besorgt sind. Kleine Kinder merken einfach alles...", seufzte er gequält. „Okay, dann wünsche ich euch viel Glück dabei und euch eine gute Nacht. Wir sprechen uns wahrscheinlich bald wieder", sagte Vance. „Wahrscheinlich" Darren sah sehr bedrückt aus. „Gute Nacht ihr zwei", danach legte er auf.

„Wieso musste das jetzt passieren?", fragte Vance erschöpft. Erst jetzt wo ich ihn so richtig im Licht betrachtete, erkannte ich, wie tief seine Augenringe waren. Seine Haare waren wie immer ein wenig unordentlich und seine Wangen waren noch hohler geworden. Ihm ging es nicht gut und das nicht nur seit seine Mutter da war. Ich erkannte, dass es schon länger so sein musste. „Ich weiß es nicht, Vance. Ich habe wirklich keine Ahnung." Sanft legte ich meine Hand auf seinen Rücken und begann sie zu kreisen. „Wir stehen das durch! Deine Mutter wird nicht diejenige sein, die dein Leben zerstört, dafür sorge ich. Du bist nicht allein." Er sah mich an. Seine Augen funkelten und sein Blick wurde traurig. „Aber sonst ist es dein Leben, das leidet. Ich will nicht, dass dein Leben darunter leidet. Du hast Darren gehört."

Wütend stand ich auf. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Das hier fühlte sich viel zu sehr nach dem Abend an, an dem er mit mir Schluss gemacht hat. Er beendete alles, nur weil er dachte, dass es besser für mich ist. Damals, weil er viel arbeitete und dachte es ist besser für mich, wenn er mit mir Schluss macht, weil ich das nicht verdient hätte. Aber er hat keine Ahnung, was das Beste für mich ist und was ich fühle. „Du wirst das nicht für mich entscheiden! Ich werde an deiner Seite sein, weil es mein Leben nicht zerstören wird. Ich helfe dir, weil ich es will und ich bleibe bei dir, weil du mich brauchst. Das ist meine Entscheidung und du schuldest es mir, dass ich sie fälle, wie ich es möchte!"

„Nur wenn du dir sicher bist", sagte er und seine Augen begannen zu leuchten. „Das bin ich. Wenn man uns zusammen sieht, wirst du zu den Reportern sagen, dass du dazu nichts genaueres sagst, wir aber trotz unserer plötzlichen Trennung sehr gut befreundet sind und gerne Zeit miteinander verbringen. Wir sind sowieso nicht das It-Thema, dafür gibt es genügend Promis. Es ist nichts Verwerfliches an einer Freundschaft!"

The Boxer and MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt