The Boxer and Me

9. Vance ist bedürftig.

Die nächsten Tage waren ungeahnt wundervoll. Morgens recherchierte ich meistens noch ein wenig, dann ging ich in die Arbeit für zwei-drei Stunden, anschließend in die Uni, bis mich Vance abends abholte und wir danach zusammen zu Abend aßen. Wir redeten abends Stundenlang und haben uns einmal sogar einen Film zusammen angesehen. Es war schön nicht mehr allein zu wohnen.

Ich war dennoch froh, dass jetzt endlich Wochenende war und ich mir mal eine kurze Auszeit nehmen konnte, was ich schon lang nicht mehr getan hatte. Grund dafür war ein Durchbruch, den mein angehender Diplombiologe und ich diese Woche erreicht hatten. Morgen war Samstag. Morgen früh würden Vance und ich zusammen brunchen, um meinen Erfolg zu feiern und am Abend hatte er einen Kampf, zu dem ich natürlich mitging. Damit es nicht zu auffällig war, gingen Ash, Kyle und Maddy auch mit. Jack und Luca blieben lieber zuhause in einer gewaltfreien Umgebung. Sie hatte jedoch eingewilligt den Boxkampf anzusehen, solange Jack den Fernseher stumm schaltet und dafür Untertitel anmacht. Sie wird mal eine richtige Helikoptermutter.

Erschöpft ließ ich mich auf das Sofa fallen. Vance war gerade noch bei einer Besprechung mit seinem Trainer Logan und seinem Manager Seth. Komplett fertig schaltete ich Netflix ein und ging auf das Bild mit meinem Namen, da er meinen Account nie entfernt hatte. Sofort startete ich Lockwood and Co, eine recht neue Serie auf Netflix ein, dessen Bücher in meiner Kindheit meine absoluten Lieblingsbücher waren. Es war toll, dass sie nun verfilmt wurden, dennoch begann ich mich langsam alt zu fühlen, da ich die Bücher schon so lange kenne.

Langsam, aber sicher begannen meine Augen stark zu jucken und fielen immer wieder aufs Neue zu. Sanft glitt ich hinab in die Welt der Träume. Es war dunkel und still. Plötzlich tauchte eine Stimme, wie aus dem Nichts auf. Es war die eines Mannes. Ich erkannte Elijahs Stimme. „Was willst du eigentlich von mir? Bin ich dir überhaupt gut genug?" Seine Gestalt, die am Anfang noch unscharf im leeren Raum vor mir schwebte, begann langsam scharfe Umrisse anzunehmen. „Wieso wohnst du bei ihm, wenn du mit mir ausgehst?", fragte er ernst.
Ja eben! Was geht in deinem Kopf vor?

Vor mir materialisierte sich eine weitere Person. Es war ein ca. 19-Jähriger Junge, mit dürrem Körperbau, strubbeliger Frisur und einem breitem Grinsen im Gesicht. Er war vom Aussehen her so, dass man sich nicht wirklich entscheiden konnte, ob die Person jetzt attraktiv ist, oder nicht. Die viel bessere Frage als seine Attraktivität, jedoch ist, wer das überhaupt ist?

Soll ich dir Lufterfrischer ins Hirn sprühen? Deine Denkfähigkeit ist ja nicht gerade der Hammer.

Robert?

Exakt!

Wieso bist du hier, wenn ich von Elijah träume? Und wieso ist meine innere Stimme ein Kerl? Ein Kerl, der gerade erst am Ende seiner Teenager-Jahre steht? Was läuft eigentlich falsch mit mir?

Ey, du hast mich Robert genannt. Es ist deine Schuld, dass ich ein Kerl bin!

„Interessiert sich eigentlich noch wer für mich?" Ich erschreckte, da ich völlig vergessen hatte, dass Elijah ebenfalls da war. „Ich fürchte nicht, da sie jetzt wieder auf mich steht!", sagte eine dritte Stimme. Auf Roberts anderer Seite stand Vance. Der hatte mir jetzt noch gefehlt. „Ich glaube ihr versteht das falsch", versuchte ich verzweifelt mich meinem Traum-Elijah, meinem Traum-Vance und Robert zu erklären. „Ich interessiere mich für euch beide. Für Elijah, weil ich wissen will, ob zwischen uns was sein könnte und für Vance, weil ich mir Sorgen um ihn mache."

Gutes Argument! Seit wir von Vance getrennt sind, hat er einen sehr schlechten Frauengeschmack und hat sich so aus der Fassung bringen lassen, dass er richtig gekrochen kam, als er Probleme hatte. Wie bedürftig...

„Klappe, Robert!", sagte ich geübt. „Er hat recht. Ich bin bedürftig!" Okay, jetzt bin ich echt durch mit der Welt. „Ich bin viel bedürftiger als du. Ich will doch auch mal geliebt werden!", hielt Elijah sofort dagegen. Fassungslos blickte ich zwischen den beiden hin und her, die versuchten sich gegenseitig mit dem hundeblick zu übertrumpfen, was bei beiden vollkommen bekloppt aussah. Vance sah aus, als hätte er übelste Verstopfung und Elijah, als hätte man ihm eins mit einer Brechstange übergezogen.

Fang doch eine Pro- und Kontraliste an und entscheide strategisch.

Sehr romantisch, aber ein Versuch kann ja nicht schaden. „Einerseits ist Elijah sehr nett, andererseits ist Vance..." Grübelnd begann ich zu stocken. Gute Frage. Was ist Vance eigentlich? „Vance ist auch nett. Vorausgesetzt er mag die Person. Und es ist kein über achtzigjährige Person, die Auto fährt, ein Box-Sport Hasser, ein Querdenker oder eine Person, die das Klopapier aufbraucht und kein neues hintut. "