Kapitel 4 - "Telefonsex"

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Nach der Gamescom musste sich Rezo wohl oder übel wieder an seinen Alltag gewöhnen. Mexi schrieb ihm, als er in den Flieger stieg, als er wieder auf Madeira gelandet war, als er wieder in seiner Wohnung angekommen war und als er ins Bett ging. Das Wissen, dass Mexi wieder Zuhause angekommen war, beruhigte Rezo zwar insofern, dass er nicht mehr die irrationale Angst hegen musste, dass das Flugzeug über dem Meer abgestürzt war, ruhig fühlte er sich trotzdem kein bisschen.

Nachdem er den Tag über mehr als einmal nervös in seinem Flur auf und ab lief, einmal sogar raus ging, weil er es in seiner Wohnung nicht mehr aushielt, und ziellos durch den nähesten Park lief, fühlte sich Rezo am Abend ausgelaugt. Nach großen Events verbrachte er den Tag eigentlich immer halb im Office, halb auf seiner Couch aber an beides hatte er heute wenig Gedanken verschwenden können.

Seine Gedanken kreisten ununterbrochen um Mexi. Seine Umarmung, als er sich verabschiedete, seine kontinuierlichen Updates durch den Tag, seine Bilder von ihm und Toni im Flugzeug, ihre gemeinsame Zeit auf der Gamescom, im Hotel, in Clubs und Bars.

Obwohl sie nur drei Nächte im Hotel waren, hatte er sich daran gewöhnt, dass Mexi während seiner abendlichen Routine anwesend war.
Ohne darüber nachzudenken hatte er die Badtür offen gelassen und erhaschte sich während dem Zähneputzen mehrmals dabei, wie er sich instinktiv drehte und auf den Boden vor der Tür sah. Nach dem fünften Mal, das er sich zurück drehte, hielt er es nicht mehr aus und trat die Tür zu.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich kein bisschen entspannter als am Abend zuvor. Er versuchte vergeblichst sich selbst zu motivieren, dachte an ein Frühstück mit Chunky (etwas, das er im Hotel echt vermisst hatte) und seinen anstehenden Tag im Office. Anstelle der gewünschten Wirkung fühlte er sich aber jetzt eher nach Weinen als nach irgendetwas anderem.

Der Gedanke, dass er gleich zwar Chunky zum Frühstück hatte, aber dafür keinen Mexi, der ihm gegenüber saß, nahm ihm jegliche Motivation für den Tag. Müsste er sich zwischen Frühstück mit Chunky, ohne Mexi und Frühstück ohne Chunky, mit Mexi entscheiden, wäre seine Entscheidung jetzt schon gefallen.

Frustriert vom leblosen Anblick seiner Schlafzimmerdecke drehte sich Rezo auf den Bauch, vergrub sein Gesicht in seinem Kissen und schrie halbherzig in den weichen Stoff. Er schrie nochmal und nochmal, bis sein Hals kratzte. Besser fühlte er sich trotzdem kein Stück.

Langsam und schwerfällig setzte er sich auf, fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und sah dann auf sein Kissen. Das Kissen lag zerknautscht am obersten Ende der Matratze und grinste ihn hämisch an. Rezo fühlte, wie die Wut in ihm anstieg, während er das Kissen anstarrte. Nach zu langer Zeit, in der er regungslos da saß, packte er das Kissen und warf es gegen die nächste Wand. Das Kissen machte kaum ein Geräusch, rutschte an der Wand herunter ohne etwas mit sich zu reißen und kam fast lautlos auf dem Boden an.

"Fick dich."

Rezos Stimme klang rau und brüchig, aber keinesfalls so wütend, wie er sich gab.

"Fick dich."

Seine Stimme brach auf dem letzten Laut. Bevor die Tränen, die er in sich aufwellen fühlte, vergossen werden konnten, schlug er seine Decke zur Seite und stand auf.

Auch im Office fühlte er sich nicht besser. Nachdem er das Frühstück ausgelassen hatte und seine Gefühle so gekonnt ignoriert hatte wie sein morgendliches Hunger Bedürfnis, war er den Vormittag über hungrig. Gegen Mittag brachte ihm irgendwer ein Brötchen mit, das er in Stücken rupfte und nach und nach zu sich nahm. Er blieb zu lange im Office, vergrub seine Gedanken unter Excel-Tabellen, Statistiken und Skripten und drückte seine Tränen mit Wut, Ungeduld und Stille runter.

Lucid Stream || RezoxMexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt