15. Kapitel

23 3 0
                                    

'Cause I don't know what else I can do ~ In The Stars (Benson Boone)

Nach der Schule fühlte es sich an, als würde jemand mich mit einhundert Seilen nach vorne ziehen. Ich versuchte nicht zu rennen und lehnte meinen gesamten Körper nach hinten um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und loszurasen wie eine Rakete.

Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich ließ ihn zu. Er brachte mich dazu, so schnell wie möglich zu rennen und fast wäre ich ihm gefolgt, wenn ich nicht zu Hause angekommen wäre. Mit aller Kraft gelang es mir stehen zu bleiben und die Tür aufzuschließen. Ich lehnte mich von innen gegen das Holz und atmete tief durch. Das verstärkte das Gefühl allerdings nur noch. Mina
bog um die Ecke. „Wo bleibst du denn?", fragte sie mich. Dann stutzte sie. „Und warum presst du dich gegen die Haustür?" Ich tat das ja nicht mit Absicht! „Ich komme gleich", sagte ich nur.

Alles andere wäre zu anstrengend gewesen. Mina runzelte noch kurz die Stirn, dann verschwand sie wieder in der Küche. Ich wurde noch immer gegen die Tür gedrückt. Plötzlich kam mir ein Gedanke. Er war mir nicht ganz geheuer und es war auch ein bisschen gruselig. Aber für einen unbekannten Teil in mir erschien er absolut logisch und er verstand, dass ich mich nicht wehren konnte. Ja, nicht durfte. Diese Erkenntnis ließ mich erstarren. Dieser Teil in mir, von dem ich bis eben noch nicht gewusst hatte, dass er existierte, wurde von Sekunde zu Sekunde größer und dann erfüllte nur noch ein einziger Gedanke meinen Körper.

Ein Gedanke, eine Bestimmung, die mein ganzes Leben veränderte und mich dazu drängte das zu tun, was ich nie vorgehabt hatte. Ich hatte Angst vor dieser Veränderung und wusste nicht genau, ob ich damit leben konnte. Ob Mina es konnte. Ich wollte es nicht tun. Ich wäre nicht mehr frei. Aber ich musste es tun. Alles in mir schrie danach.

Mit sehr viel Anstrengung schaffte ich es, mich von der Tür anzustoßen und in die Küche zu gehen. Dort saß Mina auf einem Stuhl und sah mich lächelnd an. Ich schluckte schwer und prägte mir dieses Bild für immer in meinen Kopf ein.

"Ich muss nochmal zur Schule gehen, ich habe mein Mäppchen vergessen", flüsterte ich und spürte, wie Tränen meine Augen verlassen wollten.
Mina nickte. "Okay, mach das. Und danach können wir zusammen deinen Kuchen essen. Es ist ein Schokoladenkuchen. Ich dachte mir ..." Weiter kam sie nicht, denn ich stürzte vorwärts und umarmte sie. "Ich hab dich lieb", flüsterte ich mit erstickter Stimme.

Minas Lächeln spürte ich an meinem Kopf. "Ich dich auch, Emilia." Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl. Es war wichtig, dass ich es niemals vergaß. Und dann löste ich mich von Mina. Ich drehte mich um, ohne ihr nochmal ins Gesicht zu schauen. Ich lief zur Haustür, öffnete sie und ging hinaus.

Sie fiel hinter mir ins Schloss und das war das Zeichen für mich, meinen Körper zu entspannen und mich dem Sog hinzugeben. Augenblicklich zog er mich mit unglaublicher Kraft in Richtung Wald und ich stolperte mehr als dass ich lief den mir nur allzu bekannten Weg entlang. Ich rannte bis zu meiner Lichtung und stand dann vor einem der Bäume, die außen rum standen.

Es war eine alte Eiche. Ich erinnerte mich daran, dass Josef mir gesagt hatte, dass sich die Tore nach Konzulesian in hohlen Baumstämmen versteckten und nur Aniral sie sehen konnten. In diesem Moment hörte der Sog augenblicklich auf und ich fiel ins Gras. Schnell rappelte ich mich wieder auf und ging einmal um den Baum herum. Es war nichts von einer Baumhöhle zu sehen. So schnell gab ich allerdings nicht auf.

Ich ließ meinen Blick nach oben schweifen und entdeckte eine Öffnung. Kurz entschlossen kletterte ich den Baum hinauf. Vor der Öffnung hielt ich inne. Dann schaute ich hinein und mir gefror das Blut in den Adern. Am Boden des Stammes leuchtete es in allen pink
und lila Tönen. Es sah wunderschön aus. Mir wurde klar, dass ich eine Aniral sein musste, da ich sonst nichts sehen würde.

Ich verharrte oben auf dem Ast auf dem ich saß. Kurz kehrte der Sog zurück. Nicht stark, aber er rief mir in Erinnerung, warum ich hier war. Ich schluckte einmal kurz und wischte mir die Tränen von den Wangen. Dann sprang ich in den Baumstamm.

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWhere stories live. Discover now