78. Kapitel

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It's a choice I make, now I can't turn back ~ How Far I'll Go (Reprise) (Auli'i Cravalho)

Emilia

Wir waren bereits seit einer halben Stunde unterwegs und so langsam glaubte ich nicht mehr daran, dass Xenia die Wahrheit gesagt hatte. So weit weg konnte Marie doch gar nicht sein, oder? Benjamin hielt immer noch meine Hand und ich konnte spüren, dass auch er immer nervöser wurde.
„Was wenn ..." Ich verstummte. Vor uns lichteten sich die Bäume und gaben den Blick frei auf eine große Wiese im Wald. In der Mitte stand eine kleine Hütte aus Holz. Sie sah fast so aus wie ein Ferienhaus. Doch die Fenster waren mit Brettern verrammelt und auf dem Holz hatte sich Moos angesetzt. Die ganze Hütte war heruntergekommen und alt.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Gleich waren wir frei! Gleich hatten wir Marie befreit und waren auf dem Heimweg! Heimweg. Als ich merkte, was ich da gerade gedacht hatte, blieb ich stehen. Ich sah das Schloss als mein Zuhause an. Ich fühlte mich dort wohl und geborgen. Wenn wir wieder da waren, nahm ich mir vor, würde ich nochmal mit meinen Eltern reden. Ich wollte sie akzeptieren. Ich wollte endlich eine Mutter, einen Vater und eine Schwester haben. Ich hatte lange genug darauf gewartet.

Mein ganzes Leben hatte ich mich gefragt, wer sie waren und ob sie mich liebten. Jetzt kannte ich die Antwort. Sie waren König und Königin von Salabon. Und sie liebten mich. Jeder normale Mensch konnte das sehen. Sie würden nicht weinen, wenn ich ihnen nicht wichtig wäre. Sie würden mich nicht beschützen wollen, wenn ich ihnen nichts bedeutete. Ich war zu blind, zu aufgewühlt gewesen, um das zu erkennen. Doch jetzt, kurz vor dem Ziel, wurde es mir klar. Menschen und Aniral machten Fehler. Das lag in unserer Natur. Die Frage war, ob wir sie wiederholten, sie wiedergutmachten, oder aus ihnen lernten. Ich würde es herausfinden. Ich war bereit für mein neues Leben.

„Worauf wartest du?", fragte Benjamin mich. Ich schüttelte lächelnd den Kopf und drückte seine Hand. „Auf nichts. Und jetzt lass uns Marie holen und dann ab nach Hause!" Er grinste mich an. „Das nenne ich mal eine Einstellung! Los geht's!" Er fing an zu rennen und zog mich mit sich. Lachend rannten wir über die Wiese. Schon vor einer Weile waren die letzten Wolken schnell über uns hinweggezogen, sodass der Schnee
nun im Sonnenlicht glänzte und glitzerte wie tausend Diamanten. Es waren keine Vögel zu hören. Nur der warme Wind, der in gleichmäßigen Stößen auf uns traf und das Knarzen des Schnees unter hunderten von Füßen.

Moment mal ... Warmer Wind?! Hunderte Füße?! Abrupt blieb ich ungefähr zehn Meter vor der Hütte stehen. Benjamin rutschte fast aus, fing sich aber wieder und drehte sich verwirrt zu mir herum. Ich bedeutete ihm, leise zu sein. Jetzt war nichts
mehr zu hören. Komisch. Ich war mir sicher gewesen, dass ... In dem Moment fiel die Hütte mit einem lauten Krach in sich zusammen. Ich taumelte erschrocken ein paar Schritte zurück. Und dann brach die Hölle über uns hinein. Ungefähr dreihundert Augenpaare starrten uns entgegen.

Die Männer, denen sie gehörten rannten auf uns zu, als würden sie einem stummen Signal folgen. Im Gleichschritt und mit leerem Blick. Xenia hatte uns doch reingelegt! Wie naiv konnte man eigentlich sein?! Wie erstarrt stand ich da als sich die ersten Pfeile neben mir in die Erde bohrten. „Scheiße! Emilia, Lauf!" Ich nahm seine Stimme nur am Rande wahr. Mein Blick war auf die riesigen Kreaturen gerichtet, die hinter den Männern erschienen. Auf jedem von ihnen saßen mindestens fünfzig Frauen und in ihrer Mitte auf einem Stuhl, saß Xenia und lächelte mich an. Scheiße.

Die Drachen spien pure Energie und das war der Moment, in dem die Welt auf mich
einstürzte, ich mich umdrehte und rannte. Ich rannte um mein Leben. So schnell, wie noch nie. Benjamin lief neben mir her und in seinem Gesicht lag reine Panik. Ich richtete den Blick wieder nach vorne und bremste abrupt ab. Durch die Büsche und Bäume traten noch mehr Leute! Sie trugen alle Waffen bei sich und ... Sie liefen unterschiedlich schnell! Das waren keine Wachen von Xenia! Das waren unsere eigenen Leute!

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWhere stories live. Discover now