#44 Verschwunden Gefunden

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Dante

Es war Donnerstagabend und Silian war seit Montagnachmittag spurlos verschwunden. Mom hatte ihm am Montag die neue Packung seiner Medikamente gegeben und mit ihm darüber geredet. Silian wollte alleine seine, aber ein paar Stunde später, als ich nach ihm schauen wollte, war seine Balkontür offen und er weg. Es machte die Situation zwar nicht besser, aber er hatte zumindest seine Medikamente mitgenommen. Jede Sekunde hoffte ich, dass die Haustür aufgehen würde und es Silian wäre. Zusammen saß ich mit Dima auf der Couch.

„Denkst du, dass Silian noch lebt?", sprach ich meinen Gedanken laut aus. „Ja, es war ihm wahrscheinlich zu viel. Du musst überlegen, dass er nie wirklich das Gefühl von Familie kannte. Wahrscheinlich noch nichtmal das Gefühl von Liebe oder Zuneigung. Vielleicht hat er sich eingeengt gefühlt", versuchte Dima einen Grund für Silians verschwinden zu finden.

Dimas Worte klangen plausibel, aber ich hatte solche Angst um Silian. Mom hatte sich sogar schon in Kontakt mit seinem Vater gesetzt, aber dort war er auch nicht aufgetaucht. In der Schule war er natürlich auch nicht. Mich wunderte es, dass er sich so gut verstecken konnte, dass selbst die Polizei ihn nicht fand. Orten konnte man Silian auch nicht, weil er sein Handy in seinem Zimmer gelassen hatte. Laut Mister Macini war so etwas schon öfter vorgekommen, aber die Gründe waren auch ihm unbekannt. Selbst er machte sich Sorgen, da er Silian schon seit Jahren kannte.

„Eins muss man Silian lassen, spurlos verschwinden kann er", meinte Dima. „Ich denke mal, dass er es geplant hat. Ansonsten hätte das niemals so gut funktioniert", vermutete ich. „Naja, schwer ist es nicht. Kein Handy, nur Bargeld, von Kameras fernhalten, in Menschenmengen untertauchen, nicht zu lange an einem Ort bleiben und sich unauffällig verhalten", zähle er auf. „Dima, das macht es nicht besser", seufzte ich, wodurch er nur kurz auflachte.

Dima hatte es auch mal geschafft eine Woche zu verschwinden. Sein Fehler war, dass er einmal mit Karte bezahlt hatte. Nicht sonderlich klug, aber so wurde er zumindest gefunden. Aufeinmal öffnete sich die Haustür, wodurch ich direkt aufsprang, aber es war nur Mom. Sie schaute mich mit einem Lächeln an.

„Fährst du mit?", fragte Mom mich. „Wohin?", wollte ich wissen. „Krankenhaus. Silian wurde mit einer Alkoholvergiftung eingeliefert", informierte sie mich. „Fuck", fluchte ich.

Ich glaube, so schnell hatte ich mich noch nie umgezogen. Dima hatte sich noch kurz verabschiedet und Glück gewünscht. Irgendwann musste es wohl so weit kommen. Es war schon ein Wunder, dass er die letzten zwei Male so unbeschädigt davon gekommen war. Obwohl Mom sich beeilen wollte, hielt sie sich an jede Geschwindigkeitsbegrenzung. Irgendwann standen wir auch noch im abendlichen Stau. Das konnte doch nicht sein. Vor Wut schlug ich auf die Hupe, wodurch Mom zusammenzuckte.

„Dante, so geht es auch nicht schneller", ließ Mom ihren Kopf gegen das Kopfteil fallen. „Ich weiß, aber es regt mich auf", seufzte ich. „Kann ich mir vorstellen, aber Silian ist in guten Händen. Er wird gut versorgt", versuchte sie mich aufzumuntern.

Mom hatte recht, aber besser fühlen ließ es mich nicht. Silian lag im Krankenhaus und keiner von uns war bei ihm. Ein bisschen genervt griff ich nach meinem Handy, damit ich Selina schreiben konnte. Ich wusste nicht, ob sie schon Bescheid wusste. Wahrscheinlich wäre sie noch vor uns da.

Selina

Silian ist im Krankenhaus

Warum?

Alkoholvergiftung

Scheiße

Sind schon auf
dem Weg zu ihm

Oke, ich komme auch

~~~

Ich sendete ihr noch schnell die Adresse, bevor es endlich mal weiter ging. Der Stau schien sich zum Glück aufzulösen, aber sonderlich schnell kamen wir nicht voran. Nach einer unendlichen langen Stunde kamen wir endlich am Krankenhaus an. Das letzte mal, als ich dort war, war als Quinn seinen ersten Suizidversuch hatte. Es jagte mir einen Schauer über den Rücken, als wir die Gänge entlang liefen. Vor dem Zimmer standen Selina und ein Mann mittleren Alters. Wahrscheinlich um die vierzig.

„Wart ihr schon drin?", blieb Mom vor den beiden stehen. „Nein, wir wollten auf euch warten. Habe aber schon mit dem Arzt gesprochen. Knapp über 3 Promille. Wird noch 24 Stunden überwacht", informierte uns der Mann.

Selina schaute mich mit verweinten Augen an, wodurch ich sie zu mir zog und in den Arm nahm. Sofort fing sie an zu weinen. Beruhigend streichelte ich ihr über den Rücken.

„Silian wird wieder", drückte ich sie leicht von mir weg, damit ich sie ermutigend anlächeln konnte. „Dante, das ist Costa, Silians Vater", stellte Mom mir den Mann vor.

Ich begrüßte ihn nur kurz, aber würdigte ihm keinen Blick, da ich versuchte Selina weiter zu beruhigen. Viel halten tat ich von Costa nicht. Als Selina sich beruhigt hatte, gingen wir zusammen ins Behandlungszimmer. Aufeinmal kam mir die Frage, wo war Dad? Interessierte es ihn wirklich so wenig? Mein Blick fiel direkt auf Silian. Er war blass und schlief. An einem Monitor angeschlossen, eine Nadel in seinem Arm und wurde beatmet. Mom erklärte mir, dass das nur Sicherheit diente.

„Was wohl passiert ist", sprach Selina das aus, was sich wahrscheinlich jeder fragte.

Costa war der erste, der sich neben Silian setzte. Behutsam strich er ihm die Haare aus dem Gesicht. Mir fiel auf, dass beide so ziemlich gleich aussahen.

„Mom, nein", murmelte Silian im Schlaf, wobei er hektisch seinen Kopf drehte.

Costa schaute ihn verwirrt an, aber dann seine Tochter. Selina wollte anscheinend nichts dazu sagen, denn sie schwieg. Mom war dann die Nächste, die sich neben das Bett von Silian setzte. Er bewegte sich ziemlich viel, wodurch ich das Gefühl hatte, dass Silian wieder Alpträume hatte.

———

Wie wird Silian wohl reagieren, wenn er seinen Vater sieht?

Nur ein Neustart oder mehr?Where stories live. Discover now