#66 Die letzten 24 Stunden?

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Silian

Die letzten 24 Stunden waren angebrochen. Das Frühstück lief nicht besser, als am Vortag. Wenn ich mich nicht zusammengerissen hätte, hätte ich Sergio eine reingehauen. Ich hatte gemerkt, dass er nur versuchte mich zu provozieren, aber den Grund hatte ich nicht verstanden. Da ich am Vortag meine Zigarette nicht eingefordert hatte, war ich auf dem Weg zu Diego. Sachte klopfte ich an die Tür.

„Alles inordnung? Kann ich dir helfen?", fragte Diego, als ich nach seiner Erlaubnis eintrat. „Zigarette", sagte ich. „Ja, kleinen Moment. Ich schreibe das noch kurz zu ende", lächelte er.

Die Frau, dessen Namen ich vergessen hatte, fing an Diego anzumeckern, aber ich ignorierte es indem ich den Raum verließ. Zurück zum Zimmer wollte ich nicht gehen, wodurch ich mich neben die Tür setzte. Die Minuten vergingen und ich dachte schon, dass Diego mich vergessen hatte. Als sich die Tür öffnete, schaute er gestresst zu mir hinab.

„Komm, bevor ich es mir anders überlege", forderte Diego, der schon vorlief.

Schnell stand ich auf und folgte ihm. Da der Aufzug noch nicht auf unserer Etage war, konnte ich ihn einholen. Unten unterschrieb Diego am Empfangstresen den Quatsch wie Mister Ramirez am Vortag. Endlich, frische Luft.

„Ich bewundere deine Selbstbeherrschung gegenüber Sergio", sagte Diego, als ich ihm das Feuerzeug wieder gab. „Der kann von Glück reden, dass ich die habe", schmunzelte ich.

Diego lachte kurz auf, obwohl es nur die Wahrheit war. Seufzend setzte ich mich auf den Steinboden, da ich keine Lust hatte rumzustehen. Bänke war wohl ein Fremdwort für diese Klinik. Verwunderlicherweise tat Diego es mir gleich. Hätte ich mich niemals mit einer weißen Hose getraut.

„Wie bist du zu diesem Job gekommen?", interessierte ich mich. „War wohl ein Zufall. Wenn es nach mir gegangen wäre, würde ich jetzt in einem Büro sitzen. Bin an meinem ersten Tag an der Uni im falschem Raum gelandet", erzählte Diego mir.

Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. Wo man alles aus Zufall landen konnte, war schon interessant. Ich pustete das letzte bisschen Rauch aus meinen Lungen, bevor ich meine Zigarette am Mülleimer ausdrückte. Diego saß noch immer auf den Boden, aber mittlerweile hatte er seinen Kopf gegen die Wand gelehnt. Die Situation konnte ich gut ausnutzen, wodurch ich mich auch wieder hinsetze. Lange konnte ich die Sonne und die frische Luft nicht genießen, denn das Teil an Diegos Gürtel piepte. Wie eine Tarantel sprang er auf, wobei er mich aufforderte ihm zu folgen. Ihm fiel gar nicht auf, dass er mein Feuerzeug verloren hatte, wodurch ich das noch schnell vom Boden aufsammelte. Oben auf der Station war Sergio sich mit Maya am streiten. Maya hatte kleine Platzwunde an der Stirn.

„Ivy, Diazepam", sagte Diego, als er sich zwischen die beiden stellte.

Während Sergio in eine Ecke gedrängt wurde, holte Diegos Kollegin das geforderte Mittel. Maya wurde keine Beachtung geschenkt, wodurch ich auf sie zu ging. Sie hatte sich an einer Wand heruntergleiten lassen, wobei sie am ganzen Körper zitterte. Vorsichtig strich ich ihr die Haare nach hinten, damit diese nicht weiter vom Blut verklebt wurden.

„Komm, wir gehen das sauber machen", lächelte ich sie an.

Maya schaute mich unsicher an, aber griff dann nach meinen Händen, die ich zu ihr gestreckt hatte. Zusammen liefen wir in das Badezimmer. Sie setzte sich direkt neben das Waschbecken. Papiertücher waren wohl nicht das angenehmste, um Blut aus dem Gesicht zu wischen. Aufeinmal wurde die Tür von Diego aufgerissen, aber der blieb dann im Türrahmen stehen.

„Pflaster?", fragte ich. „Silian, das ist nicht deine Aufgabe", erinnerte Diego mich. „Mir egal", antwortete ich. „Silian", ermahnte er mich. „Nichts Silian, hol mir ein verdammtes Pflaster", zischte ich ihn an.

Diego schaute mich überrascht an, aber verschwand dann. Ich versuchte noch irgendwie das Blut aus Mayas Haare zu bekommen. Leider stellte sich das als schwerer heraus als gedacht.

„Was ist passiert?", fragte ich. „Möchte ich nicht drüber reden", wisperte Maya. „Dein gefordertes Pflaster", machte Diego die Tür auf. „Danke", nahm ich es entgegen, damit ich es Maya aufkleben konnte.

Maya sprang vom Waschbecken runter und quetschte sich an Diego vorbei. Diego schaute mich mit gerunzelter Stirn an, während ich mir meine Hände wusch.

„Noch nie jemanden gesehen, der seine Hände wäscht?", zickte ich ihn an.

Diego schüttelte lachend seinen Kopf, wobei er den Raum verließ. Stimmungsschwankungen waren doch etwas schönes, nicht. Genervt verließ ich ebenfalls den Raum. Auf dem Flur lief mir Ivy entgegen, die mich anlächelte. Im Zimmer setzte ich mich mit dem Rücken Richtung Wand, damit ich mich an diese lehnen konnte. Aus meiner Hosentasche holte ich mein Feuerzeug raus. Immer wieder machte ich es an. Als die Tür sich öffnete, zuckte ich zusammen, aber schaute nicht hin wer es war.

„Da kann ich ja lange suchen", nahm mir Diego das Feuerzeug weg. „Hast es verloren", grinste ich. „Hast du dich damit verletzt?", setzte er sich auf die Bettkante. „Nein", antwortete ich wahrheitsgemäß. „Zieh dich bis auf die Unterwäsche aus", forderte er auf.

Ich schaute Diego ungläubig an, aber er forderte mich erneut auf. Eigentlich wollte ich es nicht, aber es brachte mir auch nichts mich zu wehren. Nach und nach legte ich meine Kleidung ab. Diego fing an mich zu betrachten, wobei er verschiedene Stellen abtastete. Die Narben auf meiner Brust schaute er sich etwas länger an.

„Ich finde nichts. Du kannst dich wieder anziehen", meinte Diego. „Wo nichts ist, kann nichts gefunden werden", lachte ich. „Du weisst, dass du trotzdem weitere 24 Stunden hier gewonnen hast?", hakte er nach. „Was? Warum? Ich bin freiwillig hier", keifte ich ihn an. „Du hast dich damit selbst gefährdet, wodurch ich das entscheiden darf", erklärte er mir. „Fuck", fluchte ich.

Das konnte doch nicht sein. Ich hielt mich von allem fern und beherrschte mich. In dem Moment fühlte ich mich richtig scheiße, weil es auch noch meine eigene Schuld war. Diego schaute mich nur entschuldigend an, bevor er das Zimmer verließ.

———

Wer hätte gedacht, dass Silian noch weitere 24 Stunden bleibt?

Nur ein Neustart oder mehr?Where stories live. Discover now