#69 Entlassung

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Dante

Da Silian noch seinen Kram zusammenpackte, stand ich mit Diego an der Tür, der Station. Diego war schon am seufzen. Wir hatten uns nochmal über Quinn unterhalten, wobei er mir auch geraten hatte, dass ich ein paar Therapiestunden nehmen sollte.

„Dante", kam Maya auf mich zu. „Du auch schon wieder hier?", fragte ich. „Sieht wohl so aus", lächelte sie. „Achtung, Silian hat miserable Laune", warnte sie mich noch. „Nichts neues", zuckte ich mit den Schultern.

Maya und ich kannten uns flüchtig von Quinns Aufenthalt. Wir hatten mal nur ein paar Worte ausgetauscht, aber mehr auch nicht. Sie war nett solange sie ihre Medikamente nahm.

„Lass mich", lief Silian an mir vorbei, als ich ihn umarmen wollte. „Wie gesagt, miserable Laune", erinnerte Maya mich. „Hat er seine Entlassungspapiere?", fragte ich, wodurch Diego mir genau diese in die Hand drückte. „Ich hoffe, wir sehen uns nie wieder unter diesen Umständen", verließ ich die Station ebenfalls.

Entspannt lief ich den Gang zum Aufzug. Am Auto sah ich dann Silian, der gegen die Beifahrertür lehnte. Sofort ging ich auf ihn zu. Meine Hände stützte ich neben seinem Kopf ab, wobei er seine Tasche fallen ließ. Vorsichtig schaute er zu mir hoch.

„Was ist los?", wollte ich wissen. „Schlechter morgen", brummte Silian. „Freust du dich nicht mich zu sehen?", lächelte ich. „Doch, aber keine Ahnung", schaute er mich traurig an. „Es ist alles gut", strich ich ihm lächelnd ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Vorsichtig ließ Silian sich gegen mich fallen, wodurch ich ihn in den Arm nahm. Vielleicht lag seine Laune auch einfach nur an dem neuen Medikament. Als Silian anfing zu weinen, machte ich mir nur mehr Sorgen. Anstatt zu fragen, was los sei, streichelte ich ihm über den Rücken.

„Können wir bitte nach Hause?", schaute Silian flehend zu mir hoch. „Klar", lächelte ich ihn an, wobei ich mich von ihm löste.

Ich schmiss seine Tasche auf den Rücksitz, während Silian sich ins Auto setzte. Die ganze Fahrt über redete er kein Wort, egal wie sehr ich es versuchte. Zuhause ignorierte er Mom, die ihn zur Begrüßung in den Arm nehmen wollte. Selber Schuld, würde ich behaupten. Ich drückte ihr nur die Entlassungspapiere in die Hand, da dort auch das neue Medikament verzeichnet war. Als ich hochging, hörte ich die Dusche und sah, dass Silian seine Tasche nur in den Flur geschmissen hatte. Abwartend setzte ich mich in den Flur. Die Minuten vergingen, bis er nur mit einem Handtuch um die Hüfte aus dem Badezimmer kam.

„Bequem?", lachte Silian. „Nein, aber habe hier auf dich gewartet", lächelte ich. „Du machst dir wieder Sorgen um mich, hör auf damit", zischte er mich an, wobei er in die Richtung seines Zimmer lief.

Etwas perplex von seiner Reaktion blieb ich noch kurz auf dem Boden sitzen. Dieser Umschwung hatte mich leicht erschreckt. In der Zeit kam er wieder aus seinem Zimmer und lief in meins. Mit einem Pullover von mir in der Hand ging er wieder zurück. Ja, bald hatte ich keine Pullover mehr, wenn es so weiterging. Als ich mich gefangen hatte, folgte ich ihm.

„Das kann doch nicht sein", starrte Silian auf sein Handy. „Was ist los?", wollte ich wissen, wobei ich mich zu ihm aufs Bett legte. „Das", hielt er mir sein Handy hin.

Es war ein Bild. Ein Bild auf dem Selina und Dima sich küssten. Silians Blick war alles andere als begeistert.

„Mach dir keinen Kopf. Du kennst Dima. Er geht gut mit ihr um", versuchte ich Silian ruhig zu halten. „Du wusstest davon?", keifte Silian mich aufgebracht an. „Ja, aber auch erst seit zwei Tagen. Selina wollte es dir selber sagen, wodurch ich es dir nicht erzählt habe", gab ich zu. „Dante, das ist meine kleine Schwester", kam es wütend von ihm.

Ich wusste nicht, worum es ihm mehr ging. Der Fakt, dass es seine kleine Schwester ist oder der Fakt, dass es Dima ist. Fast schon tippte ich auf ersteres. Silian war vom Bett aufgestanden und war sein Zimmer auf und ab am laufen. Als ich mich vor ihm stellte, hielt ich ihn an seinen Schultern fest.

„Beruhig dich. Wie gesagt, du kennst Dima. Er wird sie nicht verletzen", wiederholte ich. „Was wenn doch?", schaute Silian mich wütend an. „Wird er nicht, aber wenn doch, haue ich ihm eine rein", lächelte ich. „Das mache ich dann", grinste der kleinere, wodurch ich auflachen musste.

Die Vorstellung war irgendwie witzig zumal ich wusste, dass Dima ihm überlegen war. Dima konnte man lange provozieren, aber wenn es zu spät war, kannte er fast keine Gnade mehr. Auch ich war einmal davon betroffen. Bei mir kannte er zum Glück noch genug Gnade, dass ich mit zwei Prellungen rauskam. Vorsichtig zog ich den noch immer leicht wütenden Silian aufs Bett. Er musste sich meiner Meinung nach beruhigen, wodurch ich sein Handy weit weg legte.

„Hör auf einen Mord in deinem Kopf zu planen", bat ich ihn. „Habe über etwas anderes nachgedacht, aber das ist natürlich auch keine schlechte Idee", grinste Silian. „Was denn?", wollte ich wissen. „Ich wollte doch zu Moms Grab", nannte er mir seine Gedanken.

Stimmt, wir hatten darüber geredet. Eigentlich wollten wir letzte Woche dorthin fahren, aber ihm ging es zu schlecht.

„Wir können dahin fahren, wenn du dazu bereit bist", lächelte ich ermutigend. „Ja, ich möchte es hinter mich bringen", sagte Silian. „Wenn du noch nicht dazu bereit bist, brauchst du es auch noch nicht", sprach ich ihm gut zu.

Silian nickte nur, wobei er sich an mich kuschelte. Durch sein Gähnen merkte ich, dass er müde war. Nach kurzer Zeit hatte seine Atmung sich verlangsamt. Leise schlummerte Silian vor sich hin.

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