012 - colin

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Es war etwas Zeit vergangen, sodass wir nun in der letzten Woche vor den Herbstferien verweilten. Das Wetter hatte sich nicht groß verändert. Es regnete ziemlich oft, ab und zu kämpfte sich die Sonne durch, aber größtenteils blieb es nass.

Joel und ich konnten uns in der Zeit nicht wirklich mit Noah anfreunden. Zumindest nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten.

Als wir vor ungefähr zwei Wochen zusammen Plätzchen gebacken und dekoriert hatten, dachte ich, dass sich nun ein freundschaftliches Band entwickeln würde, aber das Gegenteil war eingetroffen. Am nächsten Tag verhielt er sich erneut abweisend, hatte zu nichts außerschulischen Lust und textete lieber mit seinem Handy oder sah Filme.

Nach einer Weile hatte es mich auch nicht mehr wirklich interessiert. Ich hatte ihm oft genug Sachen angeboten und wenn er das Gefühl hatte, nicht darauf eingehen zu müssen, dann war es so. Ich zwang ihm nichts auf, wollte doch eigentlich nur nett sein, weil ich wusste, wie scheisse es alleine sein konnte.

Ich sah von dem Bett des Brillenträgers aus, wie Noah aufstand, seine Jacke schnappte und dann wortlos das Zimmer verließ.

„Er verhält sich so merkwürdig", seufzte ich, als Noah endgültig verschwunden war und sah dabei zu, wie Joel eine Karte ziehen musste, da er nicht legen konnte. „Ist er das nicht irgendwie immer?"

„Nicht merkwürdiger als du", erwiderte ich schneller, als ich eigentlich wollte, und sah den Brünetten entschuldigend an.

„Autsch. Jetzt nenn mich nicht auch noch so. Es reicht mir schon bei Noah." Mit einem Gesichtsausdruck, der es mir unmöglich machte zu identifizieren, ob er das nun ernst meinte oder nicht, spielte er weiter, als ich die passende Karte gelegt hatte und ich seufzte erneut.

Der Blonde fand den Jungen komisch, das hatte er ihm eindeutig ins Gesicht gesagt, als er einmal zu viel eine Meditationsübung vollzogen hatte.

„Ne, ich mein's ernst. Er hat echt heftige Stimmungsschwankungen", offenbarte ich ihm meine Empfindungen und lehnte mich mit meinem Kopf an die Wand, die zum Greifen nah war. „An dem einen Tag lächelt er einen an, am anderen denkt man, er will dich umbringen."

Joel rückte seine große Brille zurecht, legte die Karten zur Seite und lehnte sich, nur er mit dem Rücken, ebenfalls an die Wand. „Ist mir auch schon aufgefallen."

„Und? Das ist doch nicht normal, oder?", fragte ich meinen Freund, wobei für mich die Antwort schon feststand: Es war nicht normal.

„Hm", überlegte Joel, „vielleicht hat er zwei verschiedene Persönlichkeiten. Da gibt's doch so eine Krankheit."

Ich sah mein Gegenüber an, ein paar Sekunden verstrichen, ehe ich meinen Mund öffnete und sprach: „Du gehst auch wirklich immer vom Schlimmsten aus." Er hob entschuldigend die Hände. „Sorry", seufzte er, „aber vielleicht solltest du aufhören, dir über ihn Gedanken zu machen. Du hast es versucht. Wenn er nicht will, dann will er nicht."

Schweigend sah ich den Brünetten an. Ich wusste, er hatte recht und ich schwor mir, nun nicht mehr meinen Kopf über den Blonden zu zerbrechen. Manchmal hasste ich mich dafür, dass ich mir immer Gedanken um andere machen musste. Dass ich dadurch nicht zur Ruhe kommen konnte.

„Anderes Thema: Hast du das von Massuda gehört?", fragte mich Joel und ich schüttelte verwirrt den Kopf. „Nein, was denn?", hakte ich nach. Ich hatte so gut wie gar nichts mit dem schwarzhaarigen Mädchen zu tun, traf sie nur ab und zu privat an, da sie sich das Zimmer mit Julia teilte.

Ich hielt inne.

In letzter Zeit dachte ich oft über das blonde Mädchen nach. Über ihr Aussehen, ihre Ausstrahlung, ihren Charakter und wie viel sie mir bedeutete. Es machte mir ein wenig Angst, dass ein kleiner Kuss auf die Wange mir so lange im Gedächtnis bleiben konnte.

„Sie hat geplant eine Halloween-Party am einunddreißigsten Oktober zu schmeißen und hat sich da ein kleines Extra überlegt", sprach der Brillenträger und ich sah ihn abwartend an. Er sollte weitersprechen. „Sie möchte, dass man möglichst zu zweit kommt... Man soll eine Karte - stell es dir wie Valentinstag vor - basteln, in der man fragt, ob sie oder er dich begleiten möchte."

Ich verzog das Gesicht. „Echt jetzt? Ist das nicht ein wenig- naja... dumm? Da bleibt doch sicher immer jemand übrig."

„Es ist auch nicht zwingend nötig. Hast du nicht in die Gruppe geschaut?"

Irritiert sah ich mein Gegenüber ab, hob meinen Kopf, nahm mein Handy zur Hand und schaute nach. Tatsächlich hatte ich ein paar Nachrichten in unserer Gruppe. Es wurde mir nur keine Benachrichtigung geschickt, da ich sie auf stumm gestellt hatte.

Einsteiner:innen🪨

Massuda:
»HEYYY, ICH HAB' 'NE
BOMBEN IDEE!«

Massuda:
»Alsooo: Ihr feiert doch
sicher alle Halloween, oder?«

Julia🎭:
»Es geht schon«

Nesrin:
»Na aber sicher!«

Massuda:
»Ich will eine Party schmeißen,
an Halloween! Es wäre doch
voll nice, wenn ihr da so
pärchenweise kommt, in
Kostümen etc.«

Nach diesem Chatverlauf folgte das, was mir Joel soeben schon erzählt hatte. „Okay, jetzt hab' ich's gelesen."

„Weißt du schon, mit wem du gehen willst?", fragte ich mit einem prüfenden Blick und als Joel unschlüssig mit den Schultern zuckte, nickte ich. „Keine Ahnung. Ich denke nicht, dass mit mir überhaupt jemand gehen wollen würde." Dass er so von sich redete, tat mir leid, weswegen ich ihn an seiner Schulter anstupste, und Mut zusprach. „Ach Quatsch. Hier gibt's bestimmt einige Mädchen, die dich toll finden", lächelte ich und der Junge schenkte mir ein gequältes Lächeln im Gegenzug. „Ja, vielleicht."

Dann räusperte er sich, fing an das Kartenspiel einzuräumen, da wir dieses eh aus den Augen verloren hatten und stellte mir dieselbe Frage wie ich ihm. „Und du? Wen fragst du?"

Innehaltend sah ich ihn an. Ich wusste es nicht und doch hatte ich einen Wunsch, der tief in mir vergraben war. Aber ich könnte das nicht machen, ich wollte keine Veränderung. „Auch keine Ahnung", erwiderte ich also.

𝐈𝐦 𝐒𝐜𝐡𝐚𝐭𝐭𝐞𝐧 𝐝𝐞𝐬 𝐁𝐥𝐮𝐭𝐞𝐬 | ⁿᵒˡⁱⁿ ᶠᶠ Where stories live. Discover now