047 - theo

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„Alter", stöhnte es gedehnt und wütend gegenüber von mir.

„Halt die Klappe, hier versuchen noch Leute zu pennen!", zischte es leise und ich rollte die Augen, drehte mich zur Seite und zog die Decke über mich.

„Was kann ich denn dafür, dass es mich nervt, dass die Einsteiner:innen jetzt schon aufstehen? Es ist viertel sieben!"

Eindeutig die Stimme von Maximilian.

Aus Richtung des Flures hörte man Stimmen, Mädchenstimmen, Jungsstimmen. Eine konnte ich Joel zuordnen.

„Kommt, bewegt euch! Ihr kennt das doch!", spornte eine Männerstimme sie an, woraufhin der dazugehörige Wirt in die Hände klatschte. Gestöhne ertönte.

„Bei denen startet viertel sieben die Schule? Ich würde mich freiwillig erschießen."

„Du meckerst schlimmer als ein Weib am Morgen", erwiderte Marc auf die Laune seines Freundes.

Schlaf war nun echt ausgeschlossen wurden.

„Ich geb' dir gleich Weib!", rief er empört und ich setzte mich todmüde auf.

Maximilians grün-graue Augen entdeckten mich. Auch ich drehte meinen Kopf zu ihm und erhaschte einen Blick auf seinen freigelegten Oberkörper.

Trotz, dass Winter war, war seine Haut schön gebräunt. Er hatte leicht angedeutete Muskeln und seine Augen zuckten nach oben zu Marc, der über mir lag.

„Äh, schau mal, Marc! Theo ist nur wegen dir wach!" Er lachte ablenkend, deutete mit dem Finger auf mich und zog seine Bettdecke höher.

Es blieb still.

Ebenso ich schwieg. Mit einem Seufzer ließ ich mich wieder auf meinen Rücken fallen. Mit meiner rechten Hand wollte ich mir durch meine Haare — die am Rande bemerkt langsam echt zu lang wurden — fahren, realisierte aber schnell, dass ich noch meine Nachtschiene trug. Ich hasste dieses Ding wie die Pest.

„Bei denen startet nicht so früh die Schule, nicht direkt", entkam mir dann.

„Hä?", hörte ich von oben. Wahrscheinlich hatte sich das Thema für sie schon wieder gelegt. „Noah ist in einem Internat. Da haben die, aber nur manchmal, Morgensport. Oder er drückt sich manchmal — kann natürlich auch sein."

„Wow, warte mal! Ehrlich jetzt? Seine Eltern haben ihn in ein Internat verfrachtet?"

Max wirkte erschrocken. „Ich dachte, er geht nur auf eine andere Schule."

„Eben nicht", erwiderte ich.

„Er tut mir voll leid", meldete sich auch Marc zu Wort.

„Mir nicht...", verließ es wahrheitsgemäß meinen Mund. „Dort geht's ihm wenigstens gut und er wird nicht mehr schikaniert."

Wieder kehrte Ruhe ein. Es herrschte eine Stille, die mich an Noah denken ließ. War ich zu hart zu ihm?

Einerseits war ich wirklich sauer und verletzt. Noah hatte Freunde. Er hatte Personen, auf die er sich bestimmt verlassen konnte. Und wen würde ich haben, wenn ich Marc und Max gehen ließ? Niemanden. Ich würde alleine dastehen, wie gefühlt mein ganzes Leben schon, wäre Noah nicht gewesen. Aber er war eben nicht mehr da.

Natürlich verstand ich ihn auch. Er hatte immerhin mit Béla recht behalten und dass die zwei Freunde uns nie verteidigt hatten, stimmte auch. Ich seufzte, schloss meine Augen.



Als ich das nächste Mal aufwachte, war es bereits halb neun.

Marc und Maximilian hörte ich im Bad, im Flur war es relativ ruhig.

Ausgeschlafen setzte ich mich auf, entfernte meine Nachtschiene von meiner rechten Hand und stand auf, um mich fertig zu machen. Meine Wahl fiel auf eine dunkle Jeans und einem grauen Pullover mit einer braunumrandeten, großen Rose auf der Rückseite.

Ich tapste zur Tür des kleinen Badezimmers und hörte dann, wie etwas laut zu Boden fiel.

Erschrocken trat ich ein, blieb abrupt stehen, da mich die Szene vor meinen Augen ein wenig überraschte.

Der Junge mit den wildaussehenden Locken saß auf dem breiten Rand neben dem Waschbecken, Maximilian zwischen seinen Beinen und beide sahen erst den kaputtgegangenen Seifenspender, der aus Glas bestanden hatte, an, und dann war ihr Blick zu mir gewandert.

„Ä-Äh", stammelte ich, ging Schritte rückwärts und zog die Tür dann vor mir zu.

„Mist!", hörte ich Max leise fluchen.

Ich blieb einen Moment vor der Tür stehen. Hatte ich das richtig gesehen?

Die Klinke wurde nach unten gedrückt, die Tür wurde geöffnet und die zwei Jungen traten heraus.

„Kannst...", murmelte einer von ihnen und sie drängten sich an mir vorbei.

Man sah ihnen an, dass ich am liebsten nichts kommentieren sollte, deswegen tat ich es auch nicht und lief einfach nur ins Bad, um auf Toilette zu gehen und Zähne zu putzen.

Nachdem das geschafft war, bemerkte ich, dass die zwei Dunkelhaarigen die Flucht ergriffen hatten und das Zimmer, außer meiner Wenigkeit, leer stand.

Ich ließ die Schultern hängen. Na toll. Hatte ich sie vergrault?

Mit der Hoffnung, vielleicht noch etwas zu Essen zu ergattern, verließ ich unser Zimmer, schloss es ab und steckte den Schlüssel in meine Hosentasche.

Ich zog mir die Ärmel meines Pullovers über meine Hände, da ich mich so alleine ziemlich verloren fühlte und lief Richtung Speisesaal.

„Wenn sie morgen dieselbe Strecke ablaufen, wird das kein Problem werden", hörte ich es sprechen.

Chester.

Schnell versteckte ich mich hinter der Ecke, um die ich gerade laufen wollte.

„Perfekt." Eriks Stimme ertönte. „Da fangen wir ihn morgen ab. Hoffentlich erwischen wir den alleine."

Ich schluckte fest. Die sprechen von Noah!, wurde mir klar.

„Also stellt euch 'nen Wecker. Dass wir Noah ja nicht verpassen", wies der Rotblonde weiter an und zustimmendes Gemurmel erklang. Als ich dann auch noch hörte, wie sie sich bewegten, lief ich mit schnellen Schritten zurück zu den Zimmern.

Scheisse, Scheisse, Scheisse, fluchte es in meinem Kopf und ohne groß nachzudenken, drückte ich die Klinke des Zimmers 21 nach unten und trat ein.

Kreischen ertönte und ich zuckte zusammen, als ich die Tür wieder zufallen ließ.

Ich hörte Geraschel, drehte mich um und wurde knallrot, als ich sah, wie Joel seinen Oberkörper mit der Decke eines der unterliegenden Betten verdeckte.

Ich platzte heute echt in die unangenehmsten Situationen rein.

„Sag mal, spinnst du?!", fuhr mich Joel an. „Hast du noch nie was von Anklopfen gehört?"

Meine Wangen glühten, glichen bestimmt einem feurigen Rot, und ich begann überfordert zu stottern: „Ä-Äh, i-ich-"

„Also, ehm, ich- ich-" Wieder schluckte ich. Musterte den Jungen mit der Brille, dem das deutlich unangenehm war. Schnell sah ich also auf den Boden. „Ich wollte zu Noah", bekam ich dann endlich raus.

„Wie du siehst, bin ich allein."

Meine Augen musterten nervös meine Schuhe.

„Hättest du ihm nicht schreiben können?", fragte Joel dann seufzend und ich hoffte, er war mir nicht mehr allzu böse.

„Hab' ich nicht dran gedacht", gab ich kleinlaut von mir und ich spürte förmlich, wie der Brillenträger die Augen verdrehte. Betete natürlich, dass das alles nur in meinem Kopf stattfand. Noch jemanden mit meiner Anwesenheit zu verärgern, wollte ich wirklich nicht.

𝐈𝐦 𝐒𝐜𝐡𝐚𝐭𝐭𝐞𝐧 𝐝𝐞𝐬 𝐁𝐥𝐮𝐭𝐞𝐬 | ⁿᵒˡⁱⁿ ᶠᶠ Where stories live. Discover now