~~ Dennis ~~

1.2K 21 3
                                    

2 Jahre später ...


Ich öffnete wenig hoffnungsvoll den Kühlschrank und wurde, wie erwartet, enttäuscht.
»Kai!«, rief ich meinen besten Freund und es folgte ein Poltern aus seinem Zimmer, bevor sich seine Tür öffnete und er in die Küche kam.
»Ja, liebster Mitbewohner?«
Ich wies auf den leeren Kühlschrank.
»Du solltest gestern Abend einkaufen gehen!«
»Stimmt, da war ja was«, gab er von sich, als wäre ihm eine vergessene Sache wieder eingefallen. »Tut mir leid, wirklich, aber ich hatte echt Besseres zu tun.«
Ich zog die Augenbraue hoch. »Ach so? Was war denn bitte wichtiger, als uns etwas Essbares zu kaufen?« Sein darauffolgendes Grinsen war Antwort genug. Ich hob die Hand. »Ich will es gar nicht wissen.«
»Sicher?«, fragte er nach. »Du verpasst was.«
»Sicher«, gab ich entschieden zurück, bevor ich den Kühlschrank mit einem Seufzen wieder schloss.
»Hey, lass uns stattdessen was essen gehen. Geht auch auf mich«, bot Kai sofort an.
»Ich bin müde. Ich wollte eigentlich nicht nochmal raus heute.«
»Okay, dann bestellen wir was und schauen einen Film. Vielleicht noch etwas Sex zum Entspannen?«
»Ist Sex alles, woran du denkst?«, fragte ich, als ich aus einer Schublade unsere Sammlung an Menüflyern herauskramte und durchsah.
»Klar! An was sollte ich sonst denken?«
»An dein Studium zum Beispiel oder an das Praktikum, das morgen für uns beide beginnt.«
Er verzog das Gesicht. »Daran denkst du schon genug für uns beide. Stattdessen solltest du mal wieder an Sex denken und nicht nur denken.«
»Ich habe keine Lust auf Sex.«
»Falsch, du hast keine Lust auf Vanilla-Sex.«
»Nein, ich habe keine Lust auf irgendeine Art von Sex.«
»Das ist wohl die komischste Aussage, die ich je gehört habe.«
»Was willst du essen?«, fragte ich, ohne auf seinen Satz einzugehen, denn ich wollte das Thema "Sex" schnell wieder abhaken. Wir hatten es deutlich zu oft in letzter Zeit.
»Was bestellen wir?«
»Asiatisch«, gab ich zurück.
»Gebratene Nudeln mit Hähnchen.«
Ich zog mein Handy aus der Tasche, um schnell unser Essen zu bestellen, bevor ich entschied, die Wartezeit sinnvoll zu nutzen. »Ich geh duschen, bis das Essen kommt.«
»Soll ich mitkommen?«, fragte Kai sofort.
»Nein.« Bevor er noch etwas erwidern konnte, verließ ich die Küche, um im Bad zu verschwinden.
Die warme Dusche tat gut. So gut, dass ich gleich gar nicht mehr raus wollte, doch ich schaffte es schließlich doch, mich wieder von der Wohltat zu trennen. Mit einem Handtuch um die Hüfte ging ich in mein Zimmer. Als ich vor dem großen Spiegel an der Tür zu meinem Kleiderschrank zum Stehen kam, verzog ich das Gesicht. Es kam mir vor, als hätte ich schon wieder zugenommen. Ich war nicht direkt dick, aber ich konnte leicht mit den Fingern ein paar Fettansätze an meinem Bauch zusammenkneifen. Das war vor ein paar Jahren noch ganz anders gewesen. Da hatte ich aber auch noch wesentlich mehr auf meine Figur geachtet, vor allem auch um die notwendigen Muskeln für meinen Lebensstil fit zu halten. Seitdem ... hatte ich mich gehen lassen.
»Du nimmst zu, Kleiner. Du solltest nicht so viel essen«, hörte ich die Erinnerung an eine Stimme, die ich mit aller Kraft zu vergessen versuchte.
Ich biss die Zähne aufeinander und schaute meinem Spiegelbild fest in die Augen. »Ich ess, was ich will, Arschloch.«
Und das würde ich, aber ... vermutlich sollte ich doch mal wieder etwas Sport machen, fügte ich in Gedanken hinzu, bevor ich mich vom Spiegel losriss und mir bequeme Sachen aus dem Schrank suchte.
Es klingelte, als ich mir gerade mein T-Shirt überzog.
Das dürfte wohl unser Essen sein.
Als ich mein Zimmer verließ, bezahlte Kai gerade den Lieferanten, bevor er ins Wohnzimmer marschierte, wo bereits zwei Bier und Besteck auf uns warteten.
»Was willst du anschauen?«, fragte Kai, als ich mich neben ihn aufs Sofa fallen ließ.
»Keine Ahnung, such du was aus.«
»Okay«, meinte er nur und scrollte ein paar Minuten durch das Angebot, während ich schonmal mein Essen auspackte. Mein Magen grummelte, als mir der köstliche Duft der gebratenen Nudeln in die Nase stieg.
Kai entschied sich schließlich für einen Sci-Fi-Film und wir folgten wortlos dem Geschehen in der Flimmerkiste, während wir unsere Nudeln verputzten.
Nachdem meine Box leer war, lehnte ich mich zurück und legte die Füße auf dem kleinen Couchtisch ab. Schon kurz darauf landete Kais Kopf in meinem Schoß und meine Finger in seinem Haar.
Eine ganze Weile beobachtete ich mich selbst dabei, wie ich ihm durch die dunklen Locken strich und kam nicht umhin, mir das umgekehrt zu wünschen. Nur nicht mit Kai, sondern mit jemand Anderes Finger, die durch meine blonden Haare fuhren.
»Was ist los?«, fragte Kai, als er meinen Blick bemerkte.
»Nichts.«
»Lügner! Raus mit der Sprache!«
»Lass uns lieber weiter den Film schauen. Wir verpassen sonst nur alles«, sagte ich und schaute demonstrativ wieder zum Fernseher.
Kai sah mich noch einen langen Moment an, bevor er sich wortlos ebenfalls wieder dem Film zuwandte.
Ich seufzte innerlich und versuchte, mich wieder auf die Handlung zu konzentrieren, doch so wirklich gelang es mir nicht. So kam es, dass ich am Ende des Films kaum sagen, was überhaupt passiert war. Zumindest im zweiten Teil.
»Ich geh morgen wieder in den Club. Kommst du mit?«, fragte Kai beiläufig, als der Abspann lief. Eine Frage, die ich die letzten Wochen sehr oft gehört hatte.
»Du kennst die Antwort darauf«, gab ich zurück, ohne ihn anzusehen, und wünschte mir, dass er sich aufsetzen würde, damit ich vor dem folgenden Gespräch flüchten konnte. Doch nein, er blieb liegen.
»Dennis ...«, begann er, doch ich unterbrach ihn sofort, bevor er weitersprechen konnte.
»Ich kann das nicht, Kai. Nicht nach ...«, ließ ich den Satz offen und schluckte. Ich musste es nicht aussprechen. Er wusste, was ich meinte. Wen ich meinte.
»Was dieser Wichser dir angetan hat, war schrecklich, grauenvoll, unmenschlich, aber du darfst nicht zulassen, dass er dir, nach allem, was er getan hat, auch noch einen Teil von dir wegnimmt!«
Auch diese Worte hatte ich schon oft genug von ihm gehört.
»Es ist kein Teil mehr von mir.«
»Jetzt lügst du mich schon wieder an!«
»Kai, wie ich dir schon mehrfach gesagt habe, glaube ich nicht, dass mir die Szene noch das geben kann, was sie mir vor ihm gegeben hat.«
»Unsinn! Der devote Sub in dir wird immer ein Teil von dir sein. Und der einzige Weg, ihn zu befriedigen, ist die Szene.«
Ich schaute zum Fenster hinüber, hinter dem langsam die Nacht hereinbrach. Kai hatte recht, auch wenn ich mir seit zwei Jahren etwas anderes einzureden versuchte.
»Und du vermisst es«, fügte mein bester Freund noch hinzu und traf erneut voll ins Schwarze, denn ja, ich vermisste es. Das Gefühl, die Kontrolle abgeben zu können, einfach alles zu vergessen und sich fallen zu lassen. Nicht zu vergessen, die intensiven Gefühle und der geile Sex. Ich vermisste es, in letzter Zeit sogar immer mehr, vor allem, wenn Kai mir wieder einmal von seinen tollen Abenden erzählte. Von den befriedigenden Sessions, die er hatte. Doch ich konnte nicht zurück in die Szene. Er hatte mir den BDSM kaputt gemacht. Ich würde es nicht mehr genießen und niemanden genug vertrauen können, um mich so fallen zu lassen wie früher.
Ich schüttelte den Kopf, doch sagte nichts. Ein paar lange Minuten herrschte Stille, bevor sie Kai mit leiser Stimme wieder durchbrach.
»Wenn du noch Zeit brauchst, ist das in Ordnung, aber schließe die Möglichkeit bitte nicht aus, zurückzukehren.«
Damit hob er den Kopf aus meinem Schoß.
Ich nickte nur, bevor ich mich eilig erhob, mir die leeren Essensboxen und Bierflaschen schnappte und in die Küche ging, um sie wegzuschaffen.
Ohne noch einen Blick oder ein Wort mit Kai zu tauschen, zog ich mich in mein Zimmer zurück und ließ mich mit einem Seufzen auf mein Bett fallen. In der Hoffnung, schnell einschlafen zu können. Leider war mir das Glück nicht vergönnt und ich konnte nur beobachten, wie Minute um Minute verging, während meine Gedanken sich ohne Ende im Kreis drehten. Da ich nicht länger und intensiver über das Gespräch mit Kai nachdenken wollte, da ich das in letzter Zeit sowieso schon viel zu oft getan hatte, zwang ich mich stattdessen, an den anstehenden Tag zu denken, an dem mein Sommerpraktikum begann. Einerseits konnte ich es kaum erwarten, andererseits war der Tag viel zu schnell gekommen. Der Gedanke daran, was mich alles erwarten würde, machte mich jedes Mal wieder nervös und aufgeregt, denn ich wollte unbedingt alles richtig und einen guten Eindruck machen.
Ich seufzte, drehte mich auf den Rücken und schloss die Augen, versuchte, einfach an nichts zu denken, doch es gelang mir nicht. Also schlug ich die Augenlider nach ein paar Minuten wieder auf und starrte an die Decke, bevor meine Gedanken doch wieder zu dem Gespräch mit Kai gingen. Ähnliche Gespräche hatten wir mittlerweile schon seit Monaten. Als wir vor zwei Jahren hierher gezogen waren, hatte er mich mit der ganzen BDSM-Sache in Ruhe gelassen, doch seit einigen Wochen versuchte er regelmäßig, mich dazu zu überreden, mit in den Club zu kommen. Es wieder auszuprobieren. Doch ich ... traute mich nicht. Ich vermisste es, ich vermisste es sogar sehr und konnte nicht leugnen, dass mich Kais Erzählungen über seine tollen Sessions neidisch machten, doch wenn ich daran dachte, wie mich jemand festband und schlug ... vor meinem Ex hatte ich es geliebt, doch nun ließ es mich erzittern und das nicht auf die gute Art. Allein die Vorstellung rief Erinnerungen wach, die mich schon oft genug dazu gebracht hatten, mich zu einer Kugel zusammenzurollen und mich vor alles und jedem zu verstecken wollen.
Ich spürte Tränen in meinen Augen brennen, doch hielt sie erfolgreich zurück. Er hatte mir so viel genommen. Zu viel. Und auch nach all der Zeit, die mittlerweile vergangen war, holte er mich immer wieder ein.

In my Submission ... (mxm, BDSM)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora