Kapitel 11

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Spätestens jetzt war klar: Niall war ein Genießer.
Ich glaube, ich habe in meinem gesamten Leben noch nie jemanden gesehen, der Burger mit einer solch verzückten Miene aß wie Niall. Er betrachtete das Fast-Food in seinen Armen liebevoll und gab beim Essen immer wieder "mmmhhhm" von sich.
Alles in allem war es ein gewöhnungsbedürftigiger Anblick.
Ich musste mich echt zurückhalten, um ihm das ganze Zeug nicht aus der Hand zu reißen und so schnell wie möglich den Flughafen zu verlassen.
An jeder Ecke sah ich seinen Schatten, hörte sein Lachen. Der Mörder hatte sich bereits in meinen Kopf geschlichen und sich dort häuslich niedergelassen, so schien es.

Schließlich wischte sich Niall den Mund und die Hände mit einer Serviette ab, warf die leeren Packungen in einen Mülleimer und stellte sich grinsend vor mich.
"Fertig!" strahlte er. "Das war ziemlich gut für Burger King. Normalerweise würde ich ja McDonalds oder Nandos bevorzugen, aber zur Not tut Burger King es auch."
Ich nickte abwesend und fragte:
"Können wir jetzt bitte?"
Er zog die Augenbrauen hoch.
"Wieso bist du denn so angespannt?"
"Weil wir in Lebensgefahr schweben, Niall!" fauchte ich wütend.
"Je schneller wir hier rauskommen, desto eher sind wir in Sicherheit!"
Sein Grinsen erlosch augenblicklich. Er packte seinen Koffer und lief mit schnellen Schritten los. Na endlich, da hätte er ja auch selber drauf kommen können. Wahrscheinlich übertrieb ich maßlos, denn es war wohl mehr als unwahrscheinlich, dass der Mörder uns mitten im Flughafen vor den Augen hunderter weiterer Menschen töten würde. Aber trotzdem, man konnte ja nie sicher sein.

Als wir durch die Glastür ins Freie traten, eilte ein kleiner, untersetzter Mann auf uns zu.
Er blieb keuchend vor uns stehen, schaute sich über die Schulter und flüsterte: "Miss Collins, Mr Styles?"
Niall runzelte die Stirn und korrigierte ihn. "Horan. Nicht Styles."
Der Kerl entschuldigte sich augenblicklich.
"Wissen Sie... meine Tochter, sie-"
"Wie auch immer, was passiert jetzt?" unterbrach Niall ihn schnell. 

"Oh. Natürlich. Sehen Sie das Auto da? Ich werde Sie zu ihrem vorläufigen Zuhause bringen. Bitte folgen Sie mir."


Der kleine Mann setzte sich eine Sonnenbrille auf, zog sich die Kapuze ins Gesicht und schlich sich geduckt in Richtung Parkplatz, wobei er sich immer wieder verstohlen über die Schulter guckte und hinter Bäumen und Mülleimern in Deckung ging. Alles in Allem hätte er sich nicht auffälliger verhalten können.
Hinter seinem Rücken sahen Niall und ich uns mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann folgten wir ihm.

Während der Fahrt versuchte der Mann mehrmals, ein Gespräch anzufangen, aber Niall blockte ihn jedes Mal ab, worüber ich ganz dankbar war. In den letzten 48 Stunden war einfach zu viel passiert, ich brauchte eine Pause, um die Ereignisse zu verarbeiten.
An die eine Nacht konnte ich aber nicht denken. Vielleicht war das alles noch zu frisch, vielleicht würde ich aber auch nie so weit sein.
Wäre ich noch zehn Minuten länger auf der Party geblieben, wäre alles anders gekommen.
Oder wenn ich in die andere Richtung gelaufen wäre, oder bloß eine Straße weiter...
Innerlich befahl ich mir, mir nicht weiter auszumalen was passiert wäre, wenn alles anders gekommen wäre.
Es half ja doch nichts.
Ich lehnte meine Stirn an die kühle Fensterscheibe des Autos und starrte nach draußen.
Es hatte wieder angefangen zu regnen, und die Landschaft wurde dadurch in einem verwaschenen grau weichgezeichnet. Die schweren Regenwolken spiegelten meine Stimmung gut wieder, auch ich würde jetzt am liebsten weinend im Bett liegen, aber es würde keine Träne kommen.
Ich hatte es probiert, in jener Nacht, als ich auf dem Polizeirevier geschlafen hatte.
Aber das einzige, was anders als sonst war war, dass meine Augen wie verrückt brannten und mir eiskalt war.

Ich ließ die düsteren Gedanken schweifen und nahm nichts mehr von meiner Ungebung war. Auch Niall saß bewegungslos mit geöffneten Augen im Auto und starrte Löcher in die Luft.
Schließlich bogen wir in eine Allee ein und das Auto hielt knirschend auf dem Schotterparkplatz vor einem Haus. Der Mann räusperte sich und sagte: "Wir wären dann am Ziel angekommen, Miss und Mister. Das ist Ihr neues Zuhause." Wortlos öffnete ich die Tür und stieg aus. Das Haus war größer, als ich erwartet hatte, aber nicht allzu groß. Wilde Glyzinien und Efeu rankten sich über die Hauswand und das Reebdach und verliehen ihm ein chaotisches Aussehen.
Das Grundstück lag ziemlich abgelegen, und so wunderte es mich nicht, als ich um das Haus herumging und einen verwunschen aussehenden Garten sowie einen kleinen See entdeckte.
Normalerweise hätte ich alles hier wunderschön gefunden, aber in mir sträubte sich alles dagegen, das als mein zukünftiges -wenn auch nur überbrückendes- Zuhause anzusehen.

Undercover || Niall HoranWhere stories live. Discover now