Kapitel 57

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„Guten Morgen, Sonnenschein", klang es dumpf an meine Ohren. Niall zog mir die Decke weg, woraufhin ich böse grummelte und mein Gesicht ins Kissen drückte.

„Aufstehen, aufstehen, aufstehen!" feuerte er mich an.

Ich gähnte. Niall nahm Anlauf, sprang aufs Bett und fing an, mich zu kitzeln. Ich quietschte panisch und versuchte mich unter ihm raus zu winden, aber er war doch um einiges stärker als ich. Schließlich sah ich meine einzige Chance darin, ihn ebenfalls zu attackieren, woraufhin er sich lachend zusammenkrümmte und von mir runter rollte. „Na warte!" rief ich schadenfroh, nutzte seinen Moment der Schwäche aus und klammerte ihn unter meinen Beinen auf dem Bett fest, wo er sich wand wie ein nasser Fisch, um meinen Händen auszuweichen. Schließlich winselte er „Gnade, Gnade!" woraufhin ich von ihm abließ und wir beide uns kichernd und außer Atem in die weichen Kissen fallen ließen.

Nach dem Frühstück machten wir uns fertig und beschlossen dann, die Wartezeit mit Aufräumarbeiten im Garten schneller verstreichen zu lassen. Dieser hatte nämlich schon seit längerer Zeit keine Aufmerksamkeit mehr bekommen. Durch die vielen Menschen, die in den letzten Tagen durch ihn durch gelaufen waren, waren viele Pflanzen zertrampelt und Erde auf den Wegen verteilt. Wir brauchten gut drei Stunden, bis alles wieder an seinem Platz war- und wir von Kopf bis Fuß voller Erde und Blätter. Die etlichen bunten Blätter, die bereits von den Bäumen fielen, bedeckten den Garten unter einer raschelnden Farbschicht, was erstens sehr schön aussah und zweitens dem Kater einen Heidenspaß machte. Es war total süß, wie er sich auf die Blätterhaufen stürzte, sodass nur noch die Schwanzspitze herausschaute, wie er ihnen auflauerte und mit dem Wind fangen spielte. Ein wehmütiges Gefühl erfasste mich, als ich so dastand – ein letztes Mal alleine an dem Ort, der so lange unser Zuhause gewesen war.

Der Wind strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, als würde er mich trösten wollen.

Kurz darauf machten wir uns auf den Weg. Develon Hill war so klein, dass es keinen Bahnhof innerhalb des Dorfes gab. Dieser stand etwa vier Kilometer weiter einsam in der Landschaft – fast schon machte er einen vergessenen Eindruck, zugewachsen mit allerlei Grünzeug und keiner Menschenseele zu sehen. Dennoch ließ unser Zug nicht auf sich warten, und tatsächlich saßen noch ein paar weitere Fahrgäste drinnen. Während der Fahrt zum Flughafen in Edinburgh sprachen wir nicht viel, stattdessen lehnten wir aneinander und hingen jeder unseren Gedanken nach. Wie komisch es sich anfühlte, zu wissen, bald wieder zu Hause zu sein... doch was war eigentlich zu Hause? Warum war ich so niedergeschlagen bei dem Gedanken, Develon Hill verlassen zu müssen?

Das schrille Pfeifen des Zuges schreckte mich auf. Tatsächlich war der Bahnhof, an dem wir nun standen, direkt mit dem Flughafen verbunden. Es dauerte nicht lange, bis wir den Weg gefunden hatten und zur Ankunftshalle gingen. Sie war nicht besonders groß und wir hatten den Eingang gut im Blick, dennoch schaute ich mich immer wieder nervös um, weil ich fürchtete, sie zu übersehen. Niall war besonders aufgeregt, seine Eltern würden als erstes ankommen. Sein Blick flackerte permanent zwischen der Tür und mir hin und her. Schließlich sprang er wie vom Blitz getroffen auf und rannte auf ein Pärchen zu, das prompt alles Gepäck fallen ließ und ihn in die Arme schloss. Ich näherte mich langsam, um ihnen einen privaten Moment zu lassen. Nialls Mutter löste sich von ihrem Sohn, beide hatten Tränen in den Augen. Sie drehte sich zu mir um und ich lächelte ihr zu und wollte ihr die Hand geben, aber sei zog mich ebenfalls in eine feste Umarmung, die mich sehr an Nialls erinnerte. „Ich bin Maura", sagte sie dann und hielt mich auf Armeslänge von ihr weg. „Ich bin so froh, dass es euch gut geht! Uns hat man kaum etwas gesagt, wir seien besser ohne Informationen dran, meinten sie..." Niall legte seiner aufgelösten Mutter beruhigend den Arm um die Schultern. Sein Vater schob sich an ihm vorbei und schüttelte mir die Hand. Um seine Augen waren viele Lachfalten in die Haut gegraben, und seine hellen Augen lächelten. „Bobby", stellte er sich ruhig vor. Maura meldete sich wieder zu Wort: „So, zeigt ihr uns jetzt, wo ihr das letzte Jahr verbracht habt?"

Undercover || Niall HoranWhere stories live. Discover now