Kapitel 3 : Der Abstieg in die Unterwelt ist leicht

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Der Abstieg in die Unterwelt ist leicht

- Vergil


Der nächste Vormittag war die Hölle auf Erden

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Der nächste Vormittag war die Hölle auf Erden.

Mein Schädel schmerzte bei jedem Schritt, als wäre ich gestern unter die Räder der Straßenbahn geraten, während meinen Magen bei jedem noch so dezenten Geruch das Bedürfnis befiel, sich zu übergeben.

Überraschenderweise huschte ich noch rechtzeitig in den Hörsaal und ließ mich in der vorletzten Reihe in einen Sitz sinken. Ich hatte heute Morgen eine Sonnenbrille aufgesetzt, um einerseits die Augenringe zu überdecken und andererseits meine sonnenempfindlichen Augen zu schützen, doch weder das noch die zwei Liter Wasser hatten meinen Kater mindern können.

Mich überrollte eine weitere Welle der Übelkeit, als ich meine Kaffeekanne zu einem gierigen Schluck ansetzte. Wie sehr ich es mir auch wünschte, ich würde den Kaffee nicht risikofrei runterbekommen.

Das bedeutete heute dann wohl kalten Koffeinentzug für mich.

Ich verfluchte mich innerlich für die gestrige Idee, an einem verdammten Dienstag meinen Geburtstag zu feiern, denn gerade konnte ich bei bestem Willen nicht verstehen, wie wenig durchdacht ich das Ganze hatte.

Wo war meine Du lebst nur ein Mal- Mentalität hin, wenn ich sie am nächsten Morgen brauchte, um die Konsequenzen zu überstehen?

Anscheinend zusammen mit meinem Verstand und der Vernunft außer Haus.

Professor Reynolds, ein erfahrener Künstler mit ergrauten Haar, das er zu einem Pferdeschwanz gebunden trug, schritt vor der Wandtafel des Hörsaals auf und ab, kaum hatte es zur Stunde geschlagen. Seine klugen, aufmerksamen Augen auf den Projektor gerichtet, ließ er das erste Bild aufflackern und wandte sich dann an seine Studierenden.

„Unser heutiges Thema ist-", verkündet er mit ruhiger Stimme, schien es sich aber anders zu überlegen. „Nun ja, ich werde es Ihnen nicht sagen. Raten Sie."

Das Rascheln von Papier und stummer Erwartung erfüllte den Raum.

Professor Gregory Reynolds war berühmt-berüchtigt für seine unorthodoxen Lehrmethoden, die seine Schützlinge dazu brachten, kritisch über den eigenen Tellerrand zu blicken – und wurde wegen seiner hohen Ansprüche gleichermaßen respektiert wie gefürchtet.

Ich betrachtete das an die Wand projizierte Gemälde und erkannte es sofort. Liegende Nackte, Amedeo Modigliani, 1917. Zufälligerweise einer meiner Lieblingskünstler, zumindest, wenn es um Aktmalerei ging.

Das Handy in meiner Hosentasche vibrierte und ich kniff die Augen hinter meiner Sonnenbrille zusammen, um die Nachricht zwischen einer meiner Übelkeitswellen zu entziffern.

Lass uns reden. stand auf dem Display. Es war Noah.

Shit, shit, und nochmals shit.

„Keine Vorschläge?" Professor Reynolds schien sichtlich enttäuscht.

House of Crescent Moon: ErwachtWhere stories live. Discover now