1.3 ~ Pink Cadillac

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Eine pinke Limousine.

Doch diesmal ist es, anders als beim Zonk, kein Traum, egal wie oft ich mich noch heimlich kneife. Und doch frage ich mich: Will der wirklich zu mir? Wer sollte auf die absurde Idee kommen, mir einen pinken Cadillac vorbeizuschicken, um mich wohin auch immer zu bringen? Steig niemals zu Fremden ins Auto, so ist es mir als Kind beigebracht worden, und bisher bin ich damit auch sehr gut gefahren.

Gut gefahren? Es spielt keine Rolle, ob dieses Wortspiel beabsichtigt war oder nicht, jetzt stehe ich da und rühre mich kaum von der Stelle und frage mich, warum ich dem da nicht längst den Vogel gezeigt habe. Der Kerl im Frack kann unmöglich mich meinen, ist es doch sonst immer Lucy, die zu den coolsten Party an den angesagtesten Locations eingeladen wird. Ein angenehmer Nebeneffekt, den sie den Modeljobs verdankt, mit denen sie ihr Psychologiestudium finanziert. Schließlich ist sie mit ihrem schneewittchenhaften Porzellanteint und ihrer kupferroten Lockenpracht ein gefragter Typ.

Als wir uns noch nicht so lange kannten, hab ich sie mal gefragt, ob sie nicht irgendwann mit dem Gedanken gespielt hat, sich bei Germany's Next Topmodel zu bewerben. Lucy hat mich daraufhin nur mit hochgezogener Augenbraue gemustert und spöttisch lächelnd geantwortet, sie würde einen Teufel tun, bevor sie sich von so einer Show manipulieren lasse. Da sprach wohl die Psychologiestudentin aus ihr. Aha - außerdem könne sie Heidi Klum nicht ausstehen. Auch wieder wahr - damit sind wir uns wenigstens schon mal in einem Punkt einig.

Allerdings enden an der Stelle dann aber auch schon die Gemeinsamkeiten. Mit meiner schnittmusterkompatiblen Standardgröße von eins achtundsechzig und meinem unauffälligen Allerweltsgesicht kann ich Lucy rein optisch kaum das Wasser reichen, aber das will ich auch gar nicht, denn schließlich gibt es ja noch genügend andere Jobs, Nachhilfestunden für in Mathe schwächelnde Gymnasiasten zum Beispiel.

Warum nun deshalb ausgerechnet ich die Glückliche sein soll, die in dieses Barbiemobil einsteigen soll, erschließt sich mir immer noch nicht. Und doch ist es mein Name, den der Mann in Uniform von einem Klemmbrett in James-Bond-Manier abliest.

„Mommsen. Jessica Mommsen. Das sind doch Sie? Oder etwa nicht?"

Und um das Maß voll zu machen, präsentiert er ein stylisch aufgemachtes Faltblatt, das ich unter Tausenden wiedererkennen würde: die scherenschnittartigen Silhouetten einer futuristischen Skyline vor einem wolkenlosen Abendhimmel als Spiegelung auf der Scheibe eines Glaspalastes; die in goldgelbes Licht getauchte Bar hinter jener Scheibe; die schwarzen Umrisse von Stühlen; die Drehtür in der rechten unteren Ecke... Wo habe ich dieses Bild nochmal zuletzt gesehen? Richtig, an unserem Kühlschrank - und ich hatte es Tag für Tag vor Augen, ohne richtig hinzusehen.

Hätte ich das mal nur getan, denn dann wäre mir aufgefallen, dass mein Name darauf steht. Jetzt rächt es sich, dass ich vorschnell die falschen Schlüsse gezogen habe, als Lucy das Teil mit einem Magneten an die Kühlschranktür gepinnt hat. Wer auch sonst? Ich war's jedenfalls nicht. Nein, dieser schicke Flyer muss in einem der Umschläge gesteckt haben, die ich auf den Küchentisch zu der anderen Post für sie gelegt habe. Vielleicht hat sie mir sogar verraten, dass dieses Kunstwerk für mich bestimmt war, aber wahrscheinlich war ich zu müde, zu verpeilt oder vor dem ersten Kaffee des Morgens zu nichts zu gebrauchen.

Dies alles interessiert den Herrn Chauffeur überhaupt nicht, sonst würde er nicht darauf bestehen, dass wir gemeinsam umkehren und diese mysteriöse Einladung aus der Wohnung holen. Und tatsächlich steht dort schwarz auf weiß - oder besser gesagt: goldgelb auf babyblau...

 Und tatsächlich steht dort schwarz auf weiß - oder besser gesagt: goldgelb auf babyblau

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... und mittendrin: mein Name, gefolgt von einem Dresscode. Doch auch hier hat der Gastgeber, dem ich diesen ganzen Aufriss hier verdanke, noch eine letzte Überraschung für mich parat, als der Chauffeur, der sich nun mit Christopher vorstellt, mich zu unserem Luxusfahrzeug geleitet. Von wegen schicke Abendgarderobe oder Klamotten, die einem potenziellen Date-Partner die weiblichen Vorzüge vor Augen führen.

Anders als erwartet, soll ich nicht ordentlich aufgebrezelt und in Abendgarderobe zum vereinbarten Zeitpunkt erscheinen, sondern in sportlich-legerer Kleidung. Ach ja, und noch etwas verrät mir Christopher, den ich im Geiste der Einfachheit halber von nun an Chris nenne. Wetterfeste Kleidung dabei zu haben, wäre von Vorteil, aber kein Muss, denn alles weitere wird vom Sender gestellt.

Wie praktisch, gratuliere ich mir innerlich, dass ich in Jeans, hellgrauem Hoodie, olivgrünem Parka und ausgelatschten Doc Martens wenigstens schonmal die kleidungstechnischen Mindestanforderungen erfülle. Allerdings treibt mir der Name der Show, für die ich offenbar als Kandidatin ausgewählt wurde, die Schweißperlen auf die Stirn.

Geld oder Liebe... Dating Pool... Jubiläumsausgabe... Final Destination: Alster-Studios, Hamburg...

Oh Gott, in was bin ich hier nur hineingeraten? Ist der Umschlag, in dem diese Benachrichtigung gesteckt hat, wirklich an Lucy adressiert gewesen? Ich glaube, wir werden es nie erfahren. Es sei denn... Und das hier, Ladys und Gentlemen, ist der Punkt, an dem ich nicht mehr mitkomme, denn ich habe noch ganz genau Lucys Worte im Ohr.

„Ich würde einen Teufel tun, bevor ich mich von so einer Show manipulieren lasse!"

Irgendetwas stinkt hier ganz gewaltig, meldet sich ein feines Stimmchen in mir zu Wort, als mir dämmert, dass diese stylische Vorladung nicht auf ihrem Mist gewachsen sein kann. Statt dessen fällt mir eine ganz andere ein, der eine solche Aktion viel ähnlicher sähe: Ella.

Das würde auch erklären, dass dieser Mist, den ich in meinem verkaterten Zustand geträumt habe, nicht von ungefähr kommt. Heißt es nicht, dass nichts ohne einen bestimmten Grund geschieht? Wie auch immer dieser aussieht, eines steht an dieser Stelle fest: Sollte ich diesen Alptraum heil überstehen, wird mir Ella einiges zu erklären haben.

Und auf dieses noch zu rupfende Hühnchen freue ich mich nicht im Geringsten.

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