-𝟸-

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Mein letzter Tag auf dem Revier stand an. Meine Füße stapften motiviert über den dunkelblauen Teppichboden. Für mich bedeutete frische Luft, ein Hauch von Kaffee und Dior Sauvage. Die typische Duftmischung unseres Arbeitsplatzes.

Ich zupfte mein frisch gebügeltes Hemd aus Leinen zurecht. Die schwarze Uniform stand mir, so empfand ich es jedenfalls. Polizisten durften sich echte Helden nennen und dieses Outfit zeugte von Autorität. Mir fielen immer die kleinen Kindern an Karneval ein, wenn sie sich stolz als Beamte verkleideten. Es erfüllte mich das ganze Jahr über mit Stolz. Beflügelt und motiviert drückte ich die schwere Klinke einer Tür, die hässlicher nicht sein konnte. Der grüne Lack blätterte allmählich vom modrigen Holz ab. Dies fiel mir auf, bevor ich ohne zu klopfen in das Büro meiner Vorgesetzten stürmte.

Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich. Oberkommissarin Yvette Lefebre musterte mich aus zusammen gekniffenen Lidern. Ohne ihren Blick zu lösen, drehte sie eine Akte um, die ich scheinbar nicht sehen sollte. In diesem Zusammenhang fiel mir der Safe hinter dem Schreibtisch ein, an dem sie gerade saß und sich gemütlich eine Zigarre gönnte. Meine Augen blieben nicht allzu lange an der stählernen Schatztruhe hängen. Yvette räusperte sich und meine Aufmerksamkeit lag schlagartig wieder auf ihren strengen Zügen. Ihre dünnen, durch und durch gefärbten Augenbrauen trafen sich dicht über ihrer Nasenwurzel.

„Drei Jahre Ausbildung haben dir scheinbar nicht gereicht, um das Anklopfen zu lernen, Fräulein!", wies sie mich zurecht. Dabei tippte ihr roter Fingernagel auf der dicken Holzplatte.
„Tut mir leid, Yvette. Ich bin nur so aufgeregt", beichtete ich ihr und begab mich auf den einfachen Stuhl ihr gegenüber. Sie kommentierte es mit einem grummelnden „Einen Platz, habe ich dir ebenfalls nicht angeboten."

Wir starrten uns eine Weile gegenseitig an. Sie machte den Eindruck, als würde sie mich gleich mit Haut und Haaren verspeisen wollen und ich sah nur drein, wie ein frisch geschlüpftes Reh.
Durch ihre schwarzen Locken, zogen sich weiße Strähnen. Und als ob die Natur selbst sich vor ihr fürchtete, sahen diese Zeichen des Alters aus, als hätte sie ein Friseur perfekt strukturiert auf ihrem Kopf verteilt. Neben Yvette, verwandelte sich selbst der riesige Kayden in ein kleines Bürschchen. Ich bewunderte sie und wünschte mir, eines Tages die selbe Größe, wie sie zu erreichen.

„Was erwartest du jetzt? Soll ich deine Hand halten und dich auf das Schiff führen?" Meine Mundwinkel zuckten, doch beruhigten sich sofort, als Yvettes Stirnfalten sich noch tiefer in der dunklen Haut absetzten.
„Nein, nein. Es ist nur mein erster Auftrag, jetzt, wo ich die Ausbildung abgeschlossen haben und gleich ein Auslandseinsatz. Ich will alles richtig ma...", stotterte ich beisammen, doch ihr schrilles Lachen unterbrach mich. „Mein Kind, du sollst keine Terroristen im nahen Osten jagen. Du bist auf einer Kreuzfahrt, die alle Beamten dort als Urlaub sehen. Kommissar Orlov wird auf der Bühne mit seinen uninteressanten Heldentaten prahlen. Herr Ogliastra wird sich für die Arbeit mit den unabhängigen Organisationen bedanken und es wird einen Spendenball geben für den internationalen Selbstverteidigungsverband." Sie schüttelte den Kopf. „Klatsche und lächle einfach, wenn einer dieser ach so wichtigen Männer etwas sagt."

Meine anfängliche Euphorie schwand mit jedem weiteren Satz, der ihre ebenfalls roten Lippen verließ. Yvette nahm noch einen tiefen Zug an ihrer Zigarre, als müsse sie sich von ihren Aussagen beruhigen. Es stank so sehr, dass mir die Augen tränten und ich den Qualm mit meiner Hand davon fächelte. Wenigstens nahm sie Rücksicht und löschte die Glut an ihrem Aschenbecher. Dafür ging sie zum gekippten Fenster.

„Gibt's noch was?", wollte sie beiläufig wissen. Ich biss mir in die Unterlippe. Da gab es Vieles, doch nichts, was mit der Arbeit zutun hatte, immerhin nicht direkt. Mein Herz klopfte wieder schmerzhaft gegen meinen verengten Brustkorb. Selbst das Atmen fiel mir schwerer, also mussten kürzere, aber dafür schnellere Luftzüge herhalten. Irgendwann würde es mit einer Panikattacke enden. Ich hatte meinen dämlichen besten Freund verloren, weil er sich mit diesem scheiß Antrag selbst ins Aus geschossen hatte. Das Beste daran war, er wusste noch nichts von seinem Unglück, weil ich ihm seit gestern aus dem Weg ging.

„Kayden hat mir einen Antrag gemacht", schoss es aus mir heraus, bevor ich daran explodierte.
Yvette zischte verächtlich. „Diese Amerikaner und ihr großer Traum vom Vorstadtleben", schimpfte sie, doch dann wandelten sich ihre verhärteten Züge und nahmen beinahe schon mütterliche Sorge an. „Du bist ihm nichts schuldig, Nivia.
Im Leben geht es darum, zu tun was man kann und zu tun, was man will. Versuche nicht wie ich, dein halbes Leben lang jemand anderen glücklich zu machen. Das bringt keinem was, nicht mal der Person, der du meinst etwas Gutes zu tun." Ihre sonst so strammen Schultern sanken ein. Sie schob den Brandmelder auf der Fensterbank, den sie vor einiger Zeit selbstständig von der Decke gerissen hatte, mit ihrem Finger hin und her. Das einzige, was diese Frau einknicken ließ, war ihre eigene Vergangenheit.

Das Personal tuschelte hinter ihrem Rücken. Jesse meinte, sie hätte einen gewalttätigen Ehemann gehabt. Kayden wiederum spekulierte über einen furchtbaren Vater. Dabei musste erwähnt werden, dass für ihn in jeder Geschichte, der Vater, das pure Böse darstellte.
Weiße Linien zogen sich an verschiedenen Stellen über seinen Körper und sie alle hatte sein eigener Vater ihm zugefügt. Hinter jeder Wunde stand eine andere traurige Wahrheit und er hatte sie mir alle anvertraut. Ich fühlte mich, wie der schrecklichste Mensch dieser Welt, eine Betrügerin. Er war mein bester Freund.

„Er ist ein guter Mann", verteidigte ich ihn instinktiv.
„Das bezweifelt auch keiner, aber bist du so wenig wert, dass du auf Ewig in einer Lüge leben willst?" Eine Frage artete in tausend andere aus. War Kayden es wert, meine Träume aufzugeben? Konnte ich ihn überhaupt glücklich machen, wenn ich es nicht ernst meinte? „Konzentrier' dich doch erstmal nur auf die Reise. Die bereitet dir doch ohnehin schon genug Kopfschmerzen. Ich werde eure Schichten in nächster Zeit so legen, dass ihr euch kaum begegnet", versprach meine Vorgesetzte, obwohl sie mir in diesem Moment so viel mehr bedeutete. Ihre Hand lag plötzlich auf meiner Schulter und drückte herzlich zu. Ich drehte mich auf dem Stuhl, um ihr in die fast schwarzen Augen sehen zu können.

„Dankeschön", erwiderte ich mit dem ersten ehrlichen Lächeln des Tages.

Mein ganzer Körper zuckte so dermaßen zusammen, dass ich fast vom Stuhl gefallen wäre, wäre da nicht Yvettes Halt gewesen. Jesse machte es mir nach und stürmte das Büro, ohne anzuklopfen. Er trat gelassen ein und streifte sich seine blonden Haare in einem Zug zurück.
Kaydens bester Freund sah nicht nur aus, wie ein typischer Surfer, er stammte ursprünglich auch aus der Hauptstadt des Surfboards, Kalifornien.

„Shehu, dich habe ich gesucht." Seine beiden Zeigefinger zeigten auf mich, während ein schiefes Grinsen sich über seinen Wangen ausbreitete. Yvette klatschte sich ihre Hände gegen die Stirn. „Ohhh mon dieu... Ich habe nur Schwachköpfe in meinem Revier." Meine Mundwinkel zuckten erneut und diesmal konnte ich es nicht aufhalten. Wir würden diese arme Frau irgendwann noch in den Wahnsinn treiben.

„Was gibt's, Williams?" Vor Jahren hatten wir uns angewohnt, uns beim Nachnamen zu nennen.
„Könntet ihr eure Unterhaltung bitte vor meinem Büro fortsetzen?!", schrie unsere Chefin dazwischen. Wir duckten uns beide ein wenig, so als könnte Yvette tatsächlich Feuer speien.
Jesse winkte mich hinaus und ich kam seiner Aufforderung nach.

Ich trat an ihm vorbei und er schloss die Tür ganz vorsichtig hinter uns. „Die bringt uns, glaube ich, bald um", vermutete er, obwohl es sich mehr wie eine Überzeugung angehört hatte.
„Wir haben es verdient. Wieso hast du mich gesucht?" Meine Stimme klang unsicherer, als es beabsichtigt war. Natürlich dachte ich wieder an Kayden und ob er eventuell seinem besten Freund von seiner Tat berichtet haben könnte. Hoffentlich bot Jesse sich jetzt nicht als Trauzeuge an.

„Du fährst morgen weg. Was ich will? Wir veranstalten heute eine kleine Abschiedsfeier für dich. Neun Uhr am Feuer." Seine forsche Art ließ keinen Widerspruch zu und ehrlich gesagt, ein Teil von mir brauchte es, noch einmal in Mitten meiner Liebsten zu sein. Auch wenn das Zusammentreffen mit Kayden, mir üble Bauchschmerzen bereitete.

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