-𝟺𝟸-

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Es dauerte nicht lange, da meldete sich bereits mein Herz. Aus Panik vor dem Gift, raste es wie wild. Selbst mein Sichtfeld pulsierte, aber ich erkannte dennoch, wie Roel in seinen Wagen glitt, ohne sich auch nur einmal nach mir umzudrehen.

„Soll ich dir nicht helfen?", versicherte sich Anto, die mich aus Sorge noch bis nach draußen begleitet hatte. „Ich kann mir selber helfen." Dabei stierte ich bereits das matte Metall des Mercedes an.
„Such du Leontes auf. Er wird dich versorgen und dir alles Nötige erklären", setzte ich fort, weil ich es wirklich für eine gute Idee hielt.
Ich drehte mich noch ein weiteres, letztes Mal um.
„Ach und komm heute nach Ladenschluss bitte bei uns im Lokal vorbei. Es gibt etwas Wichtiges zu besprechen. Jesse wird auch da sein."
Darauf nickte meine Freundin nur. Die Zweifel darüber, dass ich gleich in diesen Wagen steigen würde, waren ihr ins Gesicht geschrieben.
„Pass auf dich auf, Nivia", rief meine Freundin mir hinterher. Und ich nahm es ernst. Man sollte nicht immer nur auf andere Acht geben, sondern ab und zu auch auf sich selbst. Außerdem sollte man sich selbst respektieren, beschützen und lieben. Ich erlaubte es nicht, dass andere mich nach anderen Maßstäben behandelten, nicht mehr!

Immerhin hatte Roel gewartet.
Er starrte, wie versteinert durch die Windschutzscheibe, als müsse er sich gerade darauf konzentrieren nicht auszurasten. Das erhaschte ich in der Sekunde, in der ich mich in den Sitz fallen ließ. Der Polizist hinter uns führte Selbstgespräche, die nicht ganz bei mir ankamen. Wenn das Gift die Sinne flutete, fühlte es sich so an, wie in Wasser unterzutauchen. Die Umwelt verschwamm. Nur das Atmen gelang mir noch, auch wenn mir so war, als hätte ich nicht genug Sauerstoff im Blut.

Raum und Zeit verloren an Bedeutung als ich mich in den Sitz drückte. Er hatte mich, wie ein lebloses Stück Fleisch, an den Haaren gepackt und gerissen. Ich liebte ihn und ihm war es egal, ob er mir weh tat. Und jetzt starrte er so selbstgefällig aus dem Fenster, als hätte ich etwas falsch gemacht. Es tat ihm nicht leid. Roel dachte nicht an mich. Das Schlimmste war wohl, dass ich jetzt schon an seiner Liebe zweifelte und gleichzeitig auch an mir, weil ich ihm doch vertraute...

Ich umklammerte den treuen Begleiter in meiner Hosentasche. Mein kleines Klappmesser war noch nie zum Einsatz gekommen. Bisher konnte ich mir nicht mal vorstellen durch menschliches Gewebe zu schneiden. Nur zwang der innere Teufel mich, an mir hinab zu sehen. Mein eigenes Blut klebte mit dem weißen Shirt an meinem Körper fest und es erinnerte mich daran, was für ihn scheinbar kein Problem darstellte.

„Roel, ich bekomme keine Luft mehr." Es war die Wahrheit und doch nur ein Vorwand, um ihn zu mir zu locken. Er checkte mich von der Seite. Der Rest seines Körpers blieb starr. In ihm herrschte ständig ein Krieg, nur die Einzelheiten blieben mir verborgen. Ich suchte nach Licht in seinen braunen Augen, doch fand nur ein loderndes Feuer.
Zumindest keine Dunkelheit, freute ich mich.

Mit einem Ruck, biss er sich in das eigene Handgelenk, bevor er sich über mich beugte.
Ich konnte mir selber helfen, rief ich mir ins Gedächtnis und rammte die Rizin-getränkte Klinge in seinen Bauchraum. Seine Atmung setzte aus und seine Lider fuhren auseinander. Eine warme Flüssigkeit strömte über mein Handgelenk. Vermutlich schaute er gerade genauso entgeistert, wie ich, als er seine Zähne in mir versenkte, ohne meine Erlaubnis, ohne Mitgefühl, ohne Respekt. Sein Körper kippte über mich. Unsere Nasen stoppten kurz vor einander.

„Du hast mir weh getan", gab ich zu, als ich das Messer genauso rasant wieder entfernte. Mit der roten Spitze deutete ich auf meinen Hals.
„Nicht hier." Dann zeigte ich auf die linke Seite meiner Brust.
„Sondern hier." Er veratmete den Schmerz, fast wie eine Gebärende. Nur Rizin ließ Vampire den Schmerz fühlen, den sie als Mensch gefühlt hätten mit so einer Verletzung.

Wie ein Sack fiel er zurück hinter das Lenkrad, während er sich seine Seite hielt. Seine Kleidung, die ausgerechnet heute nicht schwarz war, färbte sich so, als hätte jemand ein Glas Rotwein darauf verschüttet. Ich nahm mir, was ich brauchte, um zu heilen. Meine Zunge fuhr an der Klinge entlang und ich atmete noch in der selben Sekunde auf.
Von mir fiel jegliche Last, jeder Schmerz, physischer, wie psychischer.

All You Can BiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt