𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 6

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Nia lag auf ihrem Bett und sah abwechselnd von ihrem Handy auf den Fernseher. Robin, der an ihrem Schreibtisch versuchte, Hausaufgaben zu machen, blickte immer wieder zu ihr, wenn sie lachte.

»Weißt du, dass ich noch nie gesehen habe, wie du Hausaufgaben machst.«

»Du übertreibst.« , antwortete sie, ohne ihn anzusehen.

»Eventuell. Aber oft machst du keine.«

Nun drehte sie sich in seine Richtung. »Jetzt mal ehrlich Robin. Für was sollen Hausaufgaben gut sein? Wenn ich irgendwann arbeite, bringe ich auch nichts mit nach Hause und kritzel dumm darin herum.«

»Na ja. Kommt auf deinen Job an. In manchen Fällen ist es schon regulär, dass man ...«

»So einen Job will ich nicht.«

»Was willst du dann machen?«

Sie zuckte mit den Schultern, nachdem sie sich wieder gerade hingelegt hatte. »Weißt du doch. Eigentlich wollte ich immer etwas auf der Bühne machen, aber ... mir würde es auch gefallen, wenn ich Filme machen könnte. Ich weiß nicht. Ich will irgendwas, wo man mich danach ... kennt.«

»Für was? Was bringt dir das? Sei doch froh, wenn du normal durch die Straßen rennen kannst.«

»Ich find' es schön.« , antwortete sie, als sie erst weiterhin auf ihr Display sah und Robin sich nicht sicher war, ob sie ihm nun zugehört hatte oder nicht. »Fotos machen. Autogramme. Leute schreien meinen Namen. Ich mag diese Aufmerksamkeit.«

Er runzelte die Stirn. Gut, fand er es keineswegs. Er verstand nicht, wieso sie nach immer mehr Beachtung lechzte. Schließlich gab er ihr eine Menge. »Was hast du von der Bewunderung wildfremder Menschen?« , wiederholte er sich im Großen und Ganzen.

»Ich mag das Gefühl.«

Robin verstand ihre Aussage kein bisschen. Und irgendwie zweifelte er nun an sich selbst. Wenn seine Freundin so sehr auf die Anerkennung anderer angewiesen war, würde er ihr dann je ausreichen?

Dag und Nia waren sich schon immer extrem ähnlich und die Trennung ihrer Eltern hatte sie zwar geschockt, aber so richtig sauer auf ihn war sie nicht.

Hatte Dag auch nur nach mehr Anerkennung gesucht und war deshalb fremdgegangen?

Robin betrachtete es nun aus seiner Sicht. Wenn sein Vater oder seine Mutter so etwas getan hätte, würde er mehr als nur nachtragend sein.

Für ihn war ein gebrochenes Herz eines der schlimmsten Gefühle überhaupt.

Ihm war zwar dieser Schmerz nicht im vollsten Umfang widerfahren, aber trotz allem kannte er bereits den Gefühlseindruck, wenn man dachte, das Herz sei in tausend Teile zerbrochen.

Dieses beengende Gefühl, als würde ein dicker Elefant auf dem Brustkorb hocken.

Diese Übelkeit, die zu einem ständigen Begleiter wurde, sobald er sich Nia mit einem anderen vorgestellt hatte ... oder sie mit einem anderen sehen musste.

Ja, sie war mittlerweile seine Freundin, dennoch war ihm auch bewusst, dass er all diese schlimmen Emotionen niemals vergessen konnte, die ihn all die Tage beherrscht hatten. Jeden Tag so zu tun, als ob ihm gar nichts fehlte, tat besonders weh. Er wusste genau, welche Gedanken einen tagtäglich unter Kontrolle hatten, sobald eine dritte Person mit involviert war.

»Weißt du, ob dein Vater sich noch ... mit dieser anderen Frau trifft?« Eigentlich hatte es ihn nichts anzugehen, aber es interessierte ihn schon. Insbesondere ... wie Nia dies in dem Fall rechtfertigen würde.

Seine Freundin setzte sich nun auf. »Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Wieso auch?! Er liebt sie nicht. Er liebt meine Mutter.« Im Grunde gab sie nur das wieder, was sie vom Gefühl her so verstanden hatte, als sie ihrem Vater nachgerannt war.

»Hm.« , brummte Robin und rollte dabei ungewollt, jedoch für Nia mehr als sichtlich mit den Augen.

»Was?« Sie sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

»Wenn man einen Menschen wirklich liebt, dann ...«

»Was soll der Scheiß?« , unterbrach sie ihn unbeherrscht. »Denkst du, ich find' das toll? Ich will einfach nur meine Familie von damals wieder. Aber was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun? Meinen Vater hassen?«

»Nein. Natürlich nicht. Aber ... er hat deiner Mutter wehgetan, und du machst so, als wäre es nichts Großes, was er da ... abgezogen hat.« Robin konnte sich in Isabelle irgendwie hineinversetzen.

»Er ist mein Vater.«

Robin sagte daraufhin nichts. Er drehte sich wieder in die richtige Position und kritzelte weiter seine Hausaufgaben aufs Papier. Ihm war klar, dass er gegen die Bindung, die Nia mit Dag besaß, nicht ankommen würde. Er wollte selbstverständlich nicht, dass sie ihn hasst. Dennoch verbreitete ihn die Vorstellung, wie locker sie dieses Geschehen nahm, geringfügig Sorgen.

»Meine Eltern werden wieder zusammenkommen. Wenn meine Mutter ihn wirklich liebt, verzeiht sie ihm das.« , meinte Nia nach ein wenig Schweigen.

»Du findest, man sollte so etwas verzeihen?« Er drehte sich mit Schwung, als er dies mit einem kleinen Voicecracker am Ende von sich gab.

»Natürlich. Du etwa nicht?«

Robin dachte ungewollt an Jenaro und wie oft Nia ihm jegliches verziehen hatte. Wiederholt traten Ängste in ihm auf. Hatte sie ihn eventuell mehr geliebt? Oder wie genau sollte er ihre Aussage jetzt deuten?

Der Zweifel an ihn selbst summierte sich. Die permanente innere, selbstkritische Stimme führte dazu, dass sich die Unklarheit verstärkte.

War er gut genug für Nia?

Fand sie den anderen deutlich attraktiver?

So viele Fragen geisterten in seinem Kopf herum. Und eine ploppte ein wenig wider Willen aus ihm heraus. »Würdest du mir so etwas verzeihen?« , fragte er sie.

»Du würdest so etwas niemals machen.« , antwortete sie und grunzte ein leichtes Lachen.

»Von deinem Vater hätte ich das auch niemals gedacht.«

»Warum geilst du dich jetzt so daran auf?« Ihre Mimik wurde wieder dunkler.

»Nia, du hattest schon vorher die ganze Zeit Panik, deine Eltern könnten sich trennen, als sie sich irgendwie nur noch gestritten haben. Und jetzt? Dein Vater hat eine Affäre gehabt. Deine Mutter hat ihn rausgeschmissen und er wohnt nicht mehr bei euch.« , diskutierte er mit ihr. »Und was machst du? Du siehst das locker und denkst ...«

»Ich seh' das nicht locker.« , fuhr sie ihm über den Mund. »Ich war hier, als meine Mutter es herausbekommen hat. Ich bin meinem Vater hinterhergelaufen und habe ihn angeschrien, dass er unsere Familie kaputt gemacht hat. Also hör' auf mich so hinzustellen, als hätte ich ihm ein High Five dafür gegeben.«

»Hab' ich das behauptet?« , verteidigte er sich.

»Ich seh' es locker, weil ich weiß, das alles wieder gut werden wird. Meine Mutter muss ihm verzeihen, und dann wird alles so wie früher.«

Robin blieb zum wiederholten Mal still. Seine Gedanken jedoch nicht.

Was meinte sie mit, wie früher?

Vor dem Bekanntwerden Dags Liebelei mit einer anderen Frau?

Denn schon da, war nichts mehr in Ordnung gewesen. Es hatte doch mit dem Abschied ihres Bruders begonnen und Robin war unsicher, ob es je wieder so werden würde, wie davor.

Das Thema nun weiter auszuschlachten, wollte er gegenwärtig nicht. Er liebte Nia, aber diese Sache hatte ihm irgendwie gezeigt, dass wenn sie ihm je auf so eine Art und Weise wehtun würde, er ihr dies mit Sicherheit nicht verzeihen könnte.

Ich brauch dir nicht zu erklären wie schön das wär' so für immer BAND 3Where stories live. Discover now