Kapitel 7

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Im Ernst, dieser Junge sah einfach nur unglaublich aus und genau aus diesem Grund hasste ich ihn vom ersten Augenblick an. Mir war das Ganze hier gerade zu klischeebeladen. Mädchen landet auf Piratenschiff, ein süßer Junge taucht auf ... Nein, danke. Darauf konnte ich gut und gerne verzichten, weshalb es auch besser war, wenn ich ihm das gleich von Anfang an zeigen würde.

Zurück zu dem Jungen. Er hatte schwarze verwuschelte Haare und Augen, die wie Saphire funkelten. Zu allem Übel hatte er noch unglaubliche dichte Wimpern, einen schön geschwungenen Mund und einen muskelbepackten Körper. Die Ähnlichkeit zum Kapt'n war nicht zu übersehen. Ein weiterer Minuspunkt auf meiner Liste. Denn ich mochte den Kapt'n überhaupt nicht. Kein Stück. Nicht im leisesten. Ich glaube, jetzt haben es alle verstanden.

"Ja, Dad?",fragte der Junge und verdammt, seine dunkle Stimme glitt über mich hinweg wie Samt. Konzentriere dich, Ava! Er ist nur ein Junge, ein so schöner Junge. Jener Junge, den ich gerade in Gedanken genug vollgesabbert habe, wandte sich mir zu und er betrachtete mich lange. Und mit lange, meine ich wirklich lange. Am längsten verweilte sein Blick auf meiner, ihm wahrscheinlich unbekannten, Kleidung und auf meinem Gesicht. Okay, sein Blick hatte sich nur dort befunden. Und mir war das leicht unangenehm. Heute war echt nicht mein Glückstag. Immer wurde ich von allen angestarrt wie ein Alien und ja, das kotzte mich an.

"Bist du jetzt fertig damit, mich anzuhimmeln? Ich mein, ich weiß ja, wie toll ich aussehe und ein Verehrer mehr oder weniger macht da nicht so viel aus. Ach, manchmal ist mein Leben so anstrengend. Ständig bekomme ich Anfragen.", meinte ich übertrieben selbstverliebt und warf mir, um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, meine Locken schwungvoll nach hinten.

Der Junge oder eher Mann verzog missbilligend seine Lippen und verdrehte genervt die Augen. Mein erster Abschreckungsversuch hat anscheinend funktioniert. Immerhin etwas, das heute gut gelaufen ist. Nur wollte ich jetzt zu gerne wissen, was in seinem Kopf vor sich ging. Gedanken lesen zu können, war bestimmt praktisch, zum Beispiel während einer Arbeit oder wenn man bei einem Vorstellungsgespräch nicht wusste, was man sagen soll, kann man ja mal im Kopf des zukünftigen Chefs herumstöbern.

Der Kapt'n räusperte sich kurz und erklärte dann: "Luan, das ist Ava, die anscheinend nicht weiß, wie sie hier gelandet ist. Ava, das ist mein Sohn Luan." Bei anscheinend schaute der Kapt'n mich warnend an, was mir zeigte, dass ich doch noch nicht so fein raus war, wie ich erhofft hatte. Pff, sollte der doch denken, was der wollte, dachte ich mir nur abfällig und schaute nun Alain träge an. Dann fügte Alain noch hinzu: "Du wirst sie in die Küche bringen, weil da wird sie ab jetzt arbeiten." Sein Tonfall duldete keine Widerrede, trotzdem konnte ich unterschwellig die Liebe und den Stolz, die der Kapt'n für seinen Sohn empfand, heraushören. Das führte mich zu der Frage, wo eigentlich die Mutter war, aber ich war ja so höflich und hielt den Mund. Mich gingen manche Sachen nichts an. Schließlich fragten die mich auch nichts zu meiner Familie. Noch nicht.

Luan warf mir nur einen kurzen Blick zu und ging dann einfach aus der Kajüte. "Okay, ich komme dann mal nach. Ich kann Gedanken lesen, weißt du. Also du brauchst mir überhaupt nicht so viele Informationen auf einmal geben. Wirklich.", bemerkte ich sarkastisch und folgte ihm dann. Er reagierte nicht auf meinen Worte und lief schnurstracks auf eine weitere Tür zu, die er aufstieß.

"Cole! Hier ist deine neue Assistentin Ava. Sie hilft dir ab jetzt in der Küche.",meinte Luan kühl und ich schnaubte bei dem Wort Assistentin. Daraufhin warf er mir einen mahnenden Blick zu, den ich ohne zu zögern erwiderte.

"Vielleicht merkt sie dann auch endlich, wo ihr Platz als Frau ist.",wagte er noch zu sagen und mein Mund klappte ungläubig auf. Was bildete der sich eigentlich ein?! Noch nie was von Gleichberechtigung gehört, oder was. "Sag mal geht's noch, du aufgeblasener, arroganter Idiot?!",fauchte ich angriffslustig. Der würde noch sehen, was er davon hatte, wenn er mich so heruntermachte. In Gedanken stellte ich mir vor, wie ich es ihm heimzahlen würde und merkte daher nicht, dass er sich mir näherte.

Auf einmal stand er aber dann direkt vor mir und starrte mich aus seinen blauen Augen wütend an. Dabei senkte er seinen Kopf, bis er direkt neben meinem Ohr war und flüsterte dann bedrohlich, während sein warmer Atem meinen Hals streifte:" Ich sag es dir nur einmal, Kleines: Es gibt hier auf dem Schiff eine Rangordnung, wo ich ganz oben und du ganze unten stehst. Sämtliche Männer auf diesem Schiff sind meinem Vater und damit auch mir absolut treu, also überleg es dir gut, wen du hier beschimpfst." Fassungslos zog ich die Luft ein und starrte ihn sprachlos an. Hatte er mir gerade wirklich gedroht?! Auf was für einem Schiff war ich denn hier gelandet? Das wurde ja immer besser. Erst wurde ich wegen etwas angebrüllt, wofür ich nichts konnte, dann wurde ich, weil ich ein Mädchen war, gedemütigt und jetzt wurde mir gedroht? Mir reichte es endgültig. Es war mir egal wie, aber ich würde jetzt dieses Schiff verlassen.

Ich stürmte aus der Schiffsküche, wobei ich Luan absichtlich heftig anrempelte, was aber wahrscheinlich nur mir wehtat, und lief mit zügigen Schirtten direkt auf die Planke am Rand des Schiffes zu, die eingezogen war. Vielleicht käme ich wieder nach Hause, wenn ich einfach vom Schiff sprang. Schließlich gehörte ich nicht hierher und konnte somit auch nicht sterben. Oder? Schnell verscheuchte ich den Anflug von Unsicherheit, zog die Planke heraus und stellte mich darauf.

Okay, Ava, einfach springen, dann landest du wieder daheim, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Vergeblich. Das Meer lag heute still da, aber ich traute diesem Frieden nicht. Man konnte ja nie wissen, was sich da verbarg. Mein Herzschlag beschleunigte sich leicht und ich schloss die Augen. Nur ein Sprung, dann bist du hier weg. Nur ein Sprung. Wie ein Mantra wiederholte ich diesen Satz und bewegte mich langsam nach vorne. Das Holz knirschte unter meinen Füßen, aber ich würde jetzt keine Angst haben. Das war was für Schwächlinge. Und ich war stark! Genau, ich war super stark und eine gute Schwimmerin, falls das hier schieflief. Aber ich würde keine weitere Sekunde auf diesem Schiff bleiben.

Gerade wollte ich die Planke verlassen und fallen, als eine Stimme panisch rief: "Halt, mach das nicht! Es tut mir leid, wirklich!" Verblüffte drehte ich mich um und erblickte Luan, der sich die Haare raufte und mich leicht verzweifelt ansah. War da jemand besorgt? Es fiel mir schwer mein Lächeln zu verbergen und ich fragte ihn frech: "Was genau tut dir leid?"

Mich traf ein finsterer Blick und als er nicht antworte, zuckte ich gespielt gleichgültig mit den Schultern und wollte mich wieder umdrehen. Aber Luan hielt mich auf, indem er sagte: "Das ich dich als minderwertig bezeichnet habe und dass ich dir gedroht habe." Zufrieden ging ich wieder auf das Schiff und meinte dann grinsend: "Na geht doch!" Er schaute mich erst verblüfft und dann leicht bewundernd. "Du hast mich ausgetrickst.",stellte er sachlich fest. Eigentlich stimmte das ja nicht, aber ich würde einen Teufel tun und ihm sagen, dass ich wirklich hatte springen wollen. Also zuckte ich nur mit den Schultern, grinste keck und lief an ihm vorbei in die Schiffsküche. Auf dem Weg hörte ich unterdrückte Lacher und bermekte, dass die Piraten offenbar amüsiert waren, dass ein scheinbar einfaches Mädchen den Kapitänssohn hereingelegt hat.

Auch wenn es mir nicht passte, musste ich wohl oder übel hier erst mal bleiben und bevor ich nachher das Deck schrubben musste, half ich lieber in der Küche, wo ich auch mal naschen konnte. Cole schaute mich grinsend an und entblößte zu meiner Verwunderung ein sauberes Gebiss. Seine blonden Haare wiesen ein paar graue Strähnen auf und auch in seinem Gesicht zeichneten sich Falten ab, aber sonst wirkte er sehr jungendlich. Er war mir gleich symptathisch, dabei hatten wir noch kein einziges Wort gewechselt. Um einen Anfang zu machen, streckte ich meine Hand aus und mit einem einfachen "Hi, ich bin Ava" begrüßte ich ihn. Aber er antwortete nicht, sondern schüttelte nur meine ausgestreckte Hand und deutete dann auf seinen Hals. Erst verstand ich nicht, doch dann wusste ich, was er mir klarzumachen versuchte. "Du hast keine Stimmbänder. Bist du schon ohne sie geboren worden?" Cole nickte heftig und bedeutete mir, ihm zu folgen. Die nächsten Stunden wies er mich in die Schiffsküche ein und ganz langsam freundete mich mit ihm an.

Pirate's LoveOù les histoires vivent. Découvrez maintenant