Kapitel 25

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Luans P.o.V. 

Ich weiß nicht, wie lange wir hier saßen und Ava mir endlich von ihr erzählte. Ein wenig fühlte ich mich schuldig, da ich ihr vorgeworfen hatte, mir nichts zu erzählen, obwohl ich ihr Zeit lassen wollte. Sie wirkte in manchen Augenblicken so traurig und ich kam mir so hilflos vor, weil ich ihr nicht helfen konnte. Ihre Schultern sackten dann immer ein wenig ab und der Glanz in ihren wunderschönen Augen verschwand. In solchen Momenten kam sie mir so vor, als wäre sie in einer anderen Welt.

Was sie auch tatsächlich gewesen ist, wenn ich ihr glauben sollte. Denn mit dem, was sie mir erzählt hatte, hatte ich nicht gerechnet. Ehrlich gesagt hatte ich vermutet, dass sie vielleicht vor einem schmierigen Verlobten oder der Armut entflohen ist. Bei dem Gedanken, dass sie einen Verlobten gehabt haben könnte, spannte ich mich an und Wut schoss durch mich hindurch. Obwohl ich jetzt wusste, dass es definitiv keinen Verlobten gegeben hat, fühlte sich der Gedanke immer noch nicht gut an. 

Manche Sachen konnte ich mir unmöglich vorstellen. Ava behauptete, dass die Menschen sich bei ihr mithilfe von Autos, Flugzeugen und Zügen fortbewegten. Es klang wie ein Märchen, als sie erklärte, wie diese Dinge funktionierten.

Und doch glaubte ich ihr ohne zu Zögern. Vielleicht lag es an ihren ausführlichen Erklärungen, vielleicht an der Art, wie sie es erzählte. Wie ihr Blick in die Ferne schweifte, sie an andere Orte brachte. Wie sie immer wieder eine störrische Haarsträhne hinter ihr Ohr strich, um die ich mich am liebsten jedes Mal selbst gekümmert hätte. Wie jedes Mal ein Lächeln auf ihren Lippen erschien, wenn sie an ihr Zuhause dachte. Wie Trauer in ihre Augen trat, als sie mir von ihrem Bruder erzählt hatte. In dem Moment hatte ich mir gewünscht, diesen Schmerz von ihr nehmen und auf meinen Haufen stapeln zu können. Und keine einzige Sekunde ließ ich ihre Hand los.

Dass ich Ava liebte, daran zweifelte ich nicht. Nur ihrer Liebe zu mir war ich unsicher. Sie hatte noch kein einziges Mal die drei Wörter gesagt, die ich sehnsuchtsvoll erwartete. In ihren Augen konnte ich ihre Liebe erkennen, aber die Unsicherheit blieb. Immer wieder hatte ich mir in Gedanken ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie mir endlich sagen würde, dass sie mich liebte. Jedes Mal auf eine andere Art und Weise.

Und in diesen Momenten fragte ich mich selbst, was aus mir geworden ist, dass in meinen Gedanken nur noch Platz für diese eine Person ist. Wohin der kalte, unnahbare Luan gegangen ist, dem die Gefühle anderer sonst immer egal gewesen sind.

Ava und ich hatten nicht den besten Start. Sie hat gleich meine unausstehliche Seite kennengelernt, die ich immer zur Schau trug, wenn ich nicht alleine war. Trotzdem hat sie es geschafft, innerhalb weniger Tage zu mir durchzudringen, mich in meinem Innersten zu berühren. Ständig spürte ich dieses Band, das mich zu ihr zog, das mir seelische Schmerzen bereitete, wenn sie nicht in meiner Nähe war.

Mit jeder Faser meiner selbst spürte ich, wie groß meine Liebe zu Ava war und ich fürchtete, dass sie vielleicht nicht genauso viel für mich empfand. In manchen Momenten fragte ich mich, ob es gesund war, seine gesamte Liebe einer einzigen Person zu schenken. Ich bin zuvor nie in jemanden verliebt gewesen und hatte auch niemanden an mich drangelassen.

Die einzige Person, die ich in meinen neunzehn Jahren je geliebt hatte, war mein Vater. Ich wusste, dass er auf mich stolz war und mich ebenso liebte, was ich jedoch nicht ganz verstehen konnte. Schließlich hatte ich ihm seine große Liebe genommen. Wegen mir hatte meine Mutter sterben müssen und die Schuldgefühle wogen schwer. Dank Ava spüre ich sie nicht mehr ganz so intensiv wie die letzten Jahre, aber verschwunden sind sie nicht. Niemand konnte mich vor der Tatsache schützen, dass ich indirekt meine eigene Mutter umgebracht hatte. Und die einzige die diese Schuldgefühle in irgendeiner Weise verstehen konnte, war Ava. Aus ihren Erzählungen hatte ich heraushören können, dass sie sich die Schuld am Tod ihres Bruders selbst zuschob. Aber das sollte sie nicht. Was passiert ist, konnte sie nicht ungeschehen machen. Jaden hätte bestimmt nicht gewollt, dass sie jahrelang diese Schuldgefühle mit sich herumtrug.

Pirate's LoveWhere stories live. Discover now