Kapitel 17

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„Andrea, warte." rief ich ihr noch hinterher. Aber sie reagierte nicht. Sie war im Eiltempo verschwunden. Ich blieb zurück und wusste nicht wohin mit meiner Wut. Noch mehr Wut. Ich spürte sie an mir. Ich roch ihren Duft. Ich wollte ihn los werden. Die Bilder aus meinem Kopf vertreiben. Das durfte nicht sein. Ich konnte nicht ertragen, was sich in meinem Geist abspielte. Fantasien schummelten sich darunter, von Dingen die nicht waren und nie sein würden, dessen war ich mir sicher. Und doch gab es einen Teil in mir der erschüttert war darüber, das es schon so weit gekommen war. Viel zu weit. Ich nahm mir Steine zur Hand und pfefferte einen nach dem anderen ins Wasser. Ich weinte, krümmte mich und sehnte mich so sehr nach Franzi, dass es weh tat. Und doch fühlte ich mich bei dem Gedanken an sie so unbändig hilflos. Mein Handy klingelte und ich wusste, ohne es zu sehen, wer da versuchte mich zu erreichen. Franzi. Ich nahm es in die Hand. Ich sprach in mich hinein, heb' ab. Aber ich konnte nicht. Ich fühlte mich entsetzlich schäbig. Wieder ergoss sich ein Schwall Trauer über mir. Mein Kopf versuchte meine Haut zu retten und redete immer wieder auf mich ein, dass nichts passiert sei. Rational betrachtet, gab es eine Berührung, aber sonst nichts. Wir waren kurz davor, aber wir haben uns nicht geküsst. Aber mein Gewissen prügelte auf mich ein und machte Unmengen an Schuldscheinen parat. Ich war bereits verurteilt von mir selbst, wie sollte ich es da schaffen Franzi gegenüber zu treten. Verdammt, Andrea, fluchte ich lautlos. Ich wollte sie nehmen, ihr all die Schuld in die Hosentasche stecken und sie in die Wüste verbannen. Aber ich war nicht unbeteiligt. Ich hätte sie stoppen müssen, viel früher. Franzi hatte es erkannt und ich war wiedermal blind an mir vorbei gegangen. Wann war der Punkt, an dem das alles gekippt war? Wann hatte Andrea angefangen, interessant zu werden? Warum überhaupt war sie interessant? Es war kein verliebt sein. Dessen war ich mir sicher. Ich liebte Franzi und nur sie. Aber warum war es Andrea möglich gewesen, für mich interessant zu werden. Sie war einfach verschwunden. Sie konnte doch nicht nach so einer Situation einfach verschwinden. Man kann nicht einfach weg gehen. Wenn so etwas passiert. Sie konnte nicht schweigend hoffen, dass es verschwand. Das machte mich alles verrückt. Ich konnte nicht glauben, was um mich geschah. Franzi, die mir nicht zuhören wollte, die nicht reden wollte und mich von sich schob, wenn es ernst wurde. Sandrine, die mich auf den Pranger gestellt hatte, weil ich ihre Freundin genommen hatte. Und dann Andrea, dieses Weib auf zwei Beinen, die die Einzige war, die da war. Die mir zuhörte, ohne das ich sprach. Sie hat sich in mein Vertrauen geschlichen und ganz neben bei ihre Reize um meinen Verstand platziert. Das war unverschämt. Das war nicht in Ordnung. Sie hat mir keine Chance gelassen, selbst zu entscheiden. Sie hat einen unheimlichen Grad an Anziehung produziert. Sie weiß darum, dass muss Absicht gewesen sein. Ich musste das klären. Ich rief sie an und bat sie erneut um ein Gespräch. Ich fragte mich selbst, ob ich noch in der Lage war zu wissen, was ich da tat. Plötzlich war alles verrückt, etwas hatte sich verselbstständigt und drohte, mein Leben zu verwirren, vielleicht sogar zu zerstören. Sie hatte mir gesagt, wo sie wohnt und ich machte mich auf den Weg dort hin. Die Dämmerung war eingebrochen und ich hatte meine Sonnenbrille auf. Ich zog die Kapuze von meinem Shirt über den Kopf und tief ins Gesicht. Ich brauchte jetzt jeden Schutz, den ich kriegen konnte. Auf keinen Fall konnte ich jetzt einen Fan gebrauchen, der mich noch aufhalten würde. Ich fragte mich andauernd, was ich hier tat, das konnte nicht gut sein und doch war ich getrieben, wie ein wildes Tier. Ich folgte dem, was in mir war ohne es kontrollieren zu können. An meinem Auto angekommen, konnte ich meine Brille und Kapuze wieder abziehen. Ich drehte die Musik auf und ließ den Bass meinen Körper wach trommeln. Straße um Straße. Kurz drauf war ich angekommen. Ich zog mich wieder in Bedeckung und sah mich ausgiebig um, vergewisserte mich, dass mir niemand gefolgt war oder mich beobachtete. Mein schlechtes Gewissen kreierte geradezu einen Verfolgungswahn. Verfolgt von Moralisten, die bereit waren mich sühnen zu lassen. Erneut plusterte ich mich auf. Baute Mauern, Gitter und Schilder auf. Ich trat die Treppe hinauf. Sie stand an den Türrahmen gelehnt, sah mich nicht an. Was tat diese Frau, dass sie sofort eine Aura von Charisma und Attraktivität versprühte, ohne es zu produzieren. Sie war einfach. Ich stand da. Auch ich konnte meinen Blick nicht heben. Sie trat zur Seite und bedeutete mir herein zu kommen. Ich trat in den Flur und blieb stehen in der Umgebung, die ich nicht kannte. Sie schloss die Tür und ging vor, ich folgte ihr. Sie drapierte sich auf dem Sofa und wickelte sich in ihre dünne Strickjacke, die sie trug. „Bist du her gekommen, um mir noch mehr Vorhaltungen zu machen?" fragte sie mich ehe ich mich setzten konnte. „Super Start für ein Gespräch." kommentierte ich und machte auf dem Absatz kehrt. Ich konnte keinen weiteren Streit mehr aushalten. Ich wollte ein vernünftiges Gespräch und kein hin und her. „Shelly, warte. Lass uns reden." rief sie mir hinterher. Ich überlegte, ich war bereit dennoch zu gehen. Ich war mir aber auch klar, wenn ich das jetzt nicht klären würde, es würde meinen Geist nicht ruhen lassen. „Andrea, ich will nur klar stellen, dass nichts zwischen uns laufen wird." sagte ich ruhig und bestimmt. „Ich weiß, ich weiß." sagte sie glaubhaft und nahm mir allen Wind aus den Segeln. Sie drehte ihren Blick ab und stellte sich ans Fenster mit dem Rücken zu mir. Ich wusste nichts weiter zu sagen. Ich wäre weniger sprachlos gewesen, hätte sie versucht mich an zu graben. So gab es kein Argument mehr für mich. Ich setzte mich vorsichtig ans andere Ende des Sofas. Wir schwiegen, aber die Spannung löste sich etwas. Jetzt galt es, die Masken fallen zu lassen. „Ich weiß, dass du Franzi liebst. Ich habe es gesehen im Krankenhaus und immer wenn ich euch beide gesehen habe. Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich habe vorhin die Kontrolle verloren."gestand sie. Als hätten wir einen Höhepunkt erreicht, einen Berg erklommen, wussten jetzt, wie es dort aussah, machten wir uns bereit für den Abstieg. „Du bist eine tolle Frau, aber vor allem bist du vergeben. Das macht dich für mich zum absoluten no go. Und doch habe ich dieses unbändige Verlangen nach dir." gestand sie und ich wollte weglaufen vor der Ehrlichkeit, mit der ich nicht um zu gehen wusste. „Mich hat es auch gerissen. Aber ich werde Franzi niemals betrügen." untermauerte ich erneut, wo ich hin gehörte. Sie nickte wissend und machte keine Anstalten, einer neuerlichen Annäherung. Aber es ließ sie nicht kalt. Ich beobachtete sie und sah, dass sie sich die Tränen aus den Augen wischte. Eine Art, die ich von ihr schon kannte. Sie zeugte sich nicht, wenn sie weinte. „Ich weiß nicht, ob wir das noch hin bekommen, aber ich fände es schön, wenn wir Freunde werden könnten. Und ich meine wirklich nur Freunde. Schaffen wir das?" fragte ich sie tröstend und sie hob fragend die Schultern. Ich wusste nicht, das es die denkbar schlechteste Idee war, die ich in diesem Moment haben konnte. Sie drehte sich zu mir um und ihre Augen waren rot unterlaufen. „Ich weiß es nicht. Wir sind zu weit gegangen und ich will noch mehr davon. Vielleicht ist es nur so, weil wir eine Extremsituation zusammen durchlebt haben, weil du dich mir geöffnet hast oder keine Ahnung. Ich weiß nur, ich will mehr." Sie trat auf mich zu und kam mir immer näher, während sie weiter sprach. „Ich will deine Lippen spüren. Ich will deinen Körper anfassen. Ich will deine Haut auf der meinen spüren. Ich will dich hören, wenn deine Sinne schreien, deinen Duft in mich aufsaugen." Sie packte mich und zog mich an sich. Ich war zu Stein erstarrt in den Fängen der Medusa. Ich drehte meinen Kopf weg, alles drehte sich, mein Herz raste wieder. Adrenalin erfüllte meinen Körper. Ich fühlte ihren Atem an meinem Hals. Nicht, nicht noch einmal. Ihre Lippen wanderten, sachte und doch fordernd. Sie kamen den meinen immer näher. Als hätte mich jemand geschüttelt, wurde ich schlagartig wieder wach. „Lass das." sagte ich und versuchte sie sachte von mir zu schieben. Sie reagierte kam, versuchte es erneut. Ich kämpfte unerbittlich mit meinem Inneren, mich darauf nicht ein zu lassen. Ein Kräfte zehrender Akt, gegen das Verlangen, dass sie in mir in Brandt gesetzt hatte. Ich packte sie bei den Armen und schob sie von mir. „Hör auf." schrie ich. Sie schien damit gerechnet zu haben und war nicht sonderlich überrascht. Sie zog sich zurück. „Das darf nicht sein. Niemals." schob ich hinterher und sagte es vermutlich eher zu mir als zu ihr. „Geh jetzt." sagte sie, während sie mir wieder den Rücken zu kehrte. Ich zögerte, musste für mich noch einen letzten Blick auf sie werfen. „Verschwinde." polterte sie und verschwand in ihrem Schlafzimmer. Ich musste schlucken, eilte mich jedoch aus der Tür. Sie hatte Recht, ich musste von diesem unsäglichen Ort verschwinden.

Die Nacht war herein gebrochen und ich hoffte darauf, das Franzi schon schlief und nicht registrieren würde, dass ich nach Hause gekommen war. Ich schämte mich zutiefst und konnte ihr an diesem Abend nicht mehr gegenüber stehen. Ich wollte diesen Tag von meinem Leib spülen. Andreas Hände von meiner Haut waschen, ihren Duft aus meinen Sinnen vertreiben. Ich betrat sehr leise das Schlafzimmer und wollte mir frische Unterwäsche raus nehmen. Doch kaum hatte ich die Tür geöffnet, knipste Franzi auch schon das Licht an. „Schatz?" fragte sie und ich sah schweigend zu ihr. Sie stand auf und schloss ihre Arme um mich. „Wo warst du? Warum bist du nicht ans Handy gegangen?" fragte sie auf mich ein und sah so verletzt und verängstigt aus. Ich sah sie an und wusste, ich bin zu Hause. Zurück von einem Trip, der mir die Sinne verwirrt hatte. „Es tut mir leid. Wir müssen nie wieder über diesen Tag sprechen. Ich werde dich nichts mehr fragen. Du hast vollkommen Recht. Ich liebe dich, so sehr wie es Worte niemals vollends ausdrücken können." sagte ich und wir küssten uns innig. „Ich will noch schnell duschen und dann komme ich zu dir." erklärte ich und wollte mich ihrem Blick entziehen. Aber sie ließ mich nicht. Sie küsste mich. „Ich liebe dich und ich will nicht mit dir streiten. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht." sagte sie und streichelte mir durch mein Gesicht. Wie schön sie war und so bedingungslos voller Liebe. Ich küsste sie und machte mich voller Scharm wieder los von ihr. „Ich komme gleich." sagte ich und verschwand im Bad. Mir schossen die Tränen in die Augen, mein Körper bebte und ich versuchte die Fassung zu bewahren. Ich stellte mich unter die Dusche, versuchte alles was war in Vergessenheit zu tauchen und im Abfluss verschwinden zu lassen. Ich stand an der Duschwand, stützte meinen Kopf dagegen und ließ das Wasser auf meinen Körper prasseln. Kaum war ich wieder in der Lage, meinen Gedanken zu sammeln, spürte ich, dass sich hinter mir der Vorhang bewegte. Ich wagte mich nicht um zu drehen. Hände erkundeten meine nackte Haut, wanderten an die empfindsamsten Stellen meines Körpers. Küsse ergossen sich auf die Reinheit, die sich an mir wieder einstellte. Franzi. Ich drehte mich um, packte sie und drückte sie an die Duschwand. Alles aufgestaute entlud sich in meiner Leidenschaft und Liebe für sie. Ich verwöhnte sie und sie mich, bis wir gemeinsam das Ende fanden. Schnell, zielsicher und in der Verabschiedung dessen, was uns dahin gebracht hatte. Ich war wieder angekommen, bei dem Menschen, den ich liebte wie nie jemanden zuvor. Dessen war ich mir in diesem Moment sicherer den je.

©lialight

Meet and love 2 (gxg)Where stories live. Discover now