Teil 11

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Ever

Die Tage an denen es Nando gut ging, vergingen in Lichtgeschwindigkeit, vorallem weil es davon nicht sonderlich viele gab. Die Tage an denen es Nando wiederum schlecht ging, wollten einfach nicht vergehen. Er aß so gut wie garnichts mehr und wenn, kotzte er es wieder aus. Er weinte und schrie immer öfter, da die Schmerzen nicht mehr aufhören wollten. Ihm wurde viel Wasser aus dem Bauchraum abgepumpt, doch es half nicht. Garnichts half mehr. Er konnte nichts mehr schlucken, weil sein Magen nicht mehr funktionierte. Es tut so weh, dabei zusehen zu müssen und nichts tun zu können. In Wahrheit ist ab diesem Zeitpunkt alles Verlängernde Qual. Ich wünschte, dass die vergangenen Tage nicht in meinem Gehirn verankert wären, doch das waren sie.

Ich konnte nicht zu Damian durchdringen, da er kaum noch mit mir sprach. Aber das war nicht schlimm, da meine ganze Welt seit neuestem stumm war. Die Zeit schien ohne jeglichen Ton zu verstreichen. Nur Bilder voller Trauer und Schmerz traten vor mein Auge. Ich wusste, dass es bald vorbei sein würde. Nandos leiden würde ein Ende haben, aber unseres würde erst richtig beginnen.

Ich stand vor Nandos Zimmertür und hielt meine Hand zum klopfen bereit, jedoch konnte ich nicht.

"Soll ich mit reinkommen?" fragte Damian, der neben mir stand und mich aufmunternd ansah.

"Ich denke ich schaff das schon." antwortete ich, klang dabei jedoch nicht sonderlich überzeugend. Ich musste mich von Nando verabschieden. Ihm blieben nur noch wenige Tage, was bedeutete, dass nur noch Familienmitglieder anwesend sein durften. Ich war noch nicht bereit. Ich konnte einfach nicht los lassen, auch wenn ich wusste, dass ich musste.

"Deine Hände zittern." sagte Damian und nahm meine Finger in seine Hände. Er suchte meinen Blick mit seinen grünen Augen, die jeglichen Glanz verloren hatten. Ich sah zu ihm hoch und atmete schwer aus. Meine Brust fühlte sich erdrückend an, als ob jemand dagegen pressen würde. Auf Zehenspitzen näherte ich mich seinem Gesicht. Vorsichtig legte ich meine zitternden Hände auf seine Wange, während meine Knie mit jeder Sekunde weicher wurden. Damian schloss den Raum, der zwischen unseren Lippen herrschte, indem er seinen Mund auf meinen presste. Er küsste mich sanft und keineswegs aufdringlich, trotzdem lag mehr Gefühl in dieser einfachen Geste also sonst. Es ist als ob wir den gegenseitig Schmerz fühlten, wir uns jedoch so ergänzten, dass wir garnichts mehr von dem unerträglichen spürten. Ich liebte es wie vertraut seine Lippen mir waren. Ich liebte es wie er mich bedacht berührte, wenn wir uns küssten. Ich liebte einfach alles an ihm, denn egal was wir gerade durch machten, wir hatten uns. Er hatte mich und ich hatte ihn.

"Ich liebe dich. Das weißt du oder?" hauchte er gegen meinen Mund. Seine Stirn lehnte an meiner. Ich war völlig außer Atem und seine Worte sorgten dafür, dass die Schmetterlinge in meinem Magen anfingen zu tanzen.

"Ja natürlich weiß ich das." antworte ich schließlich.

"Und du weißt, dass ich nur will dass du glücklich bist."

Ich nickte. Damian sah mich innig an und ich wusste nicht, ob mir dieser Blick gefiel. Er strich mein Haar glatt und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

"Und wenn du das da drinnen nicht alleine schaffst, dann komme ich mit."

Wenn ich Damian bitten würde mich zu begleiten, würde es ihn fertig machen. Ich wusste, dass mir dabei zuzusehen wie ich mich von Nando verabschiedete, ihn zerstören würde.

"Ich muss das alleine machen Damian."

Seine schmerz erfüllte Miene signalisierte mir, dass er nach gab. Ich kehrte ihm den Rücken und atmete leise, jedoch tief ein. Als ich gegen die Tür klopfte und die Türklinke runter drückte, veränderte sich die ganze Luft augenblicklich. Ich hatte das Gefühl zu ersticken. Meine Hand hatte aufgehört zu zittern und ich wusste nicht ob es daran lag, dass ich starr vor Angst war. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, während es so schien als ob der Boden unter meinen Füßen verschwand. Damian's Vater kam mir entgegen und sah mich mitfühlend an. Mich würde es interessieren wie er mit der ganzen Sache umging, da er so gut wie nie irgendwelche Emotionen zeigte. Fast so wie Lorenzo, der seitdem Nando im Krankenhaus war, die ganze Zeit ein Pockerface auf seinem Gesicht trug. Diego verließ das Zimmer, so dass sich nur noch Lorena, Nando und ich im Zimmer aufhielten. Damian's Mutter saß auf einem Stuhl neben dem Krankenbett. Sie lächelte mich schwach an, wobei ihre Augen pure Leere ausstrahlten. Vorsichtig schritt ich zu Nando, wobei ich darauf achtete nicht all zu traurig zu wirken, was sich jedoch als Herausforderung rausstellte. Nando war an etlichen Kabeln angeschlossen. Das Piepen im Raum, welches Nandos Herzschlag wiederspiegelte, ließ die gesamte Situation noch unerträglicher wirken. Behutsam ließ ich mich auf seine Bettkante nieder.

TimelessWhere stories live. Discover now