17. April 2013

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22:15 Uhr
Betreff:
Hey Adam,
es tut mir Leid, dass ich Dich so lange habe warten lassen. Es gibt hier einiges zu bestaunen und vor allem wollte ich mir eine kurze Auszeit von meinem Handy gönnen, dass seit Sonntagabend kaum noch stillschweigt. Warum, wirst Du gleich erfahren, aber zuerst muss ich Dir von der Entscheidung erzählen.
Kurz nachdem wir uns getroffen hatten und Du mir das Ultimatum gestellt hattest, da habe ich versucht mich wieder auf die Beziehung mit Eric zu konzentrieren. Ehrlich gesagt, hattest Du mich ziemlich abgelenkt und ich habe Dinge verdrängt, die ich schon viel länger hätte bemerken müssen. So zum Beispiel auch die Tatsache, dass Eric sich kaum noch bei mir blicken ließ, und wenn er denn mal da war, mit den Gedanken, ebenso wie ich, sehr weit weg war. Er hat behauptet, er müsste Überstunden schieben. So hat er es tatsächlich gesagt. "Babe, komm runter. Die Arbeit verlangt mir momentan viel ab. Wir haben einen großen Auftrag erhalten, da muss man eben auch mal die ein oder andere Überstunde schieben." Aber, wie Du Dir sicher schon denken kannst, hat er da jemand ganz anderen "geschoben". Ich wollte das nicht wahrhaben, habe es verdrängt, mir all die guten Dinge ins Gedächtnis gerufen. All die guten Momente, seine besten Eigenschaften und liebevollen Gesten. Als er mich dann wieder versetzt hat, hat er mir versprochen, er würde es am Samstag (dem Unglücks-/Glückstag, an dem ich Dir geschrieben habe) wieder gut machen. Erst war ich froh, dass er sich wieder Zeit für mich nehmen wollte, aber dann habe ich eingesehen, dass auch Eric ein Ultimatum braucht. Ich war so fest davon überzeugt, dass ich mir dieses Ultimatum ganz genau durch den Kopf gehen ließ, meine Worte haargenau auf Doppeldeutigkeit oder Schlupflöcher überprüft habe, und sie ihm dann in einer Standpauke über Ehre, Treue und Liebe stellen wollte. Ja, ich weiß, etwas übertrieben, aber ich hatte einen Lauf. Dann stand ich da, er hatte sich rausgeputzt, mir Blumen mitgebracht, einen Kuss geben, Süßholz geraspelt und mir wurde schlecht. Meine Entscheidung kam ins Wanken und ehe ich mich versah, hatte ich die Rede gekürzt, die wichtigsten Details weggelassen und ihm gesagt, wie sehr ich ihn liebe. Keine Sorge, dass wird jetzt keine widerliche Versöhnungsstory, also bleib dran. Ich hab die Blumen genommen, habe mich vor ihn hingestellt, ihm erzählt, dass ich weiß, wo er ist, wenn er angeblich Überstunden macht. Ich habe ihm gesagt, dass es so nicht weitergehen kann. Und dann kommen wir auch schon zu dem Punkt, der mir jetzt noch die Schamröte in die Wangen treibt. Ich habe ausgeholt, mit dem verdammten Bouquet in den Händen und habe es ihm über den Kopf gezogen. Dann kam die Standpauke, die ich vorbereitet hatte, aber ohne das Ultimatum. Ich habe geheult und geschrien (Deinen Nachbarn hätte ich damit alle Ehre gemacht), habe ihn immer wieder mit den Blumen geschlagen und ihn dann aus der Wohnung geschmissen. Liest es sich auch so schrecklich peinlich, wie es sich anfühlt?
Als er weg war habe ich das Ticket nach Spanien gebucht und den Koffer gepackt. Und damit kommen wir schon zu dem Punkt, warum mein Handy seit Sonntag keine Ruhe mehr gibt.
Eric. Er will mich zurück. Verrückt, nicht wahr? Er denkt ernsthaft, dass ich nach dieser Episode noch einmal darüber nachdenken würde, zu ihm zurückzukehren! Okay, ich kann es ihm nicht verdenken, denn die Wochen zuvor war ich auch dumm genug, um bei ihm zu bleiben. Aber jetzt bin ich erstmal in Spanien, weit weg von ihm und Dir. Weit weg von allen Versuchungen, und das genieße ich. Bitte versteh das nicht falsch, Adam, aber vorerst brauche ich Zeit für mich. Und Du bist eine sehr reizvolle Versuchung, der ich erst einmal nicht nachgeben darf, wenn ich mir klar werden will, wer ich bin und wo ich stehe. Und ich bin auch nicht so verblendet, um zu denken, Du würdest mich jetzt mit Handkuss zurücknehmen, keine Sorge. Ich genieße jetzt Spanien in vollen Zügen.
Jetzt habe ich Dich genug vollgetextet und meine Freundin warten lassen. Wir wollen noch ein paar Cocktails trinken und die warme Nachtluft genießen gehen.
Liebste Grüße und bis ganz bald,
Lena

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