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„Ich dachte du warst dir so sicher?", fragte Taddl mich genervt. Nervös lief ich im Wartezimmer auf und ab, da die Ergebnisse vom Drogentest fest standen.
„Jaha", zischte ich als Antwort. „Was ist, wenn er mir doch etwas untergejubelt hat?" Taddl stand auf, ging auf mich zu und nahm mich in seinen Arm. Unbeholfen ließ ich mich umarmen und starrte auf meine Füße.
„Beruhig' dich", flüsterte er und machte, mit mir im Arm, ein paar Schritte rückwärts, bis ich auf seinem Schoss und er auf dem Stuhl saß.

Ich kuschelte mich an ihn und atmete tief ein, um seinen wundervollen Duft zu riechen. Man konnte eindeutig seinen beschleunigten Herzschlag spüren, was mich zum lächeln brachte. Gab es wirklich einen so perfekten Jungen?
Mein Leben konnte – falls der Drogentest negativ ausfiel – kaum besser sein. Ich hatte einen Brudi, der gleichzeitig auch mein Freund war. Bald standen die Abschlussprüfungen an, nach denen wir endlich frei waren. Wobei Taddl etwas mit Grafikdesign studieren wollte.

„Herr Bora?", riss mich die Stimme einer Arzthelferin aus meinen Gedanken. Taddl nahm meine Hand, half mir hoch und zog mich in den Behandlungsraum. Mehrmals fuhr ich mir durch meine Haare, obwohl das nichts brachte.
Selbst die Beruhigungsversuche brachten nichts. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam dann auch mein Arzt, der mich mit ernster Miene begrüßte. Oh Gott.
„Die Ergebnisse sind heute aus dem Labor angekommen", verkündete er. „Wie ich es mir schon dachte, waren in ihrem Urin keinerlei Spuren von Drogen zu finden." Ich atmete die Luft, die ich vorübergehend angehalten hatte, geräuschvoll aus und lächelte Taddl an.

Dieser fixierte immer noch den Arzt, der lachend hinzufügte: „Entschuldigen Sie bitte die Umstände der Untersuchung, doch das musste sein."
Taddls Blick verfinsterte sich und er drückte meine Hand ein bisschen fester. Unsicher lachte ich mit, nahm die Ergebnisse und verließ mit ihm das Gebäude.
„Jetzt zur Polizei", seufzte ich und deutete in die richtige Richtung. Und das alles nach der Schule. Ja, es war Montag. Taddl und ich mussten nach unserer kurzen Auszeit auch wieder mit lernen, ansonsten würden wir die Prüfungen nicht schaffen.
Plötzlich spürte ich wachsenden Druck auf meiner Hand und blickte erstaunt auf Taddls Finger, die sich immer fester um meine Hand wickelten.
„Wenn du so weiter machst zerquetscht du sie", stellte ich lachend fest. „Fühlst du dich auch beobachtet?", flüsterte er, sodass sich meine Nackenhaare aufstellten. Ich drehte mich sofort um und suchte unsere Umgebung ab.

Außer ein paar gewöhnlichen Passanten konnte ich nichts erkennen, weshalb ich meine Hand aus seiner befreite. Ich streckte meine Finger aus und strich über die Abdrücke, die Taddl hinterlassen hatte. Dieser sah mich entschuldigend an und ging mit zusammengekniffenen Augen weiter.
Misstrauisch musterte ich jeden Menschen, der an uns vorbei ging, doch niemand war auffällig. Auf einmal packte Taddl mich am Handgelenk und zog mich ruckartig in eine dunkle Gasse, sodass ich erschrocken keuchte.
Ich bemerkte, wie seine Brust sich schnell auf und ab senkte und er sich entsetzt umsah. Verwirrt blickte ich um die Ecke, wo ich immer noch nichts erkennen konnte.
„Was ist mit dir los?", fragte ich ihn und wollte gerade wieder auf die Straße, doch Taddl hinderte mich daran.
„Hast du das nicht gesehen?" Ich befreite mich kopfschüttelnd von seinem Griff und betrat den Gehsteig, wo eine Person auf mich zuging.

„Haben Sie einen Moment?", fragte mich eine ältere Dame und lächelte mich freundlich an. Sie fragte nach dem Weg zum Bahnhof, den ich ihr gerne erklärte. Ich hörte Taddls schnelle Schritte hinter mir, drehte mich aber noch nicht um.
„FASS IHN NICHT AN!", brüllte er die arme Frau an, die erschrocken zusammen zuckte und ein „Diese Jugend heutzutage..." murmelte, ehe ich weggerissen wurde.
Immer weiter zog Taddl mich in die Gasse herein, bis er stolperte, hinfiel und sich danach an die Wand kauerte.

„Was soll der Scheiß, Junge?", schrie ich ihn an und ignorierte seinen Sturz. Kurz darauf fing er an zu wimmern und ich sah in seinen Augen die reine Angst. Ich kniete mich neben ihm, umarmte ihn und versuchte sein Zittern zu beenden.
„D-da", stotterte er und zeigte auf eine abgemagerte Katze, die neben einem Müllcontainer lag. „Nur eine Katze", beruhigte ich ihn, doch er weinte nur noch mehr. Was war nur los mit ihm?
Nach ein paar Minuten hatte er sich so weit beruhigt, dass ich ihm beim Aufstehen helfen konnte. Seine Beine glichen Wackelpudding, sodass ich ihn stützen musste.
„Geht schon", stammelte er und versuchte ein paar Schritte ohne meine Hilfe zu gehen, was sich als großen Fehler herausstellte.

Ein spitzer Schmerzensschrei, der mich erschaudern ließ, kam von Taddl, der sich nun vor Schmerzen krümmte und seine Hand an sein Herz hielt. Er stützte sich an einer Hauswand ab und atmete schwer.
„T-Taddl?", stotterte ich und legte ihm eine Hand auf seine Schulter. Wie in Zeitlupe drehte er sein Gesicht, was der Farbe einer Leiche glich, in meine Richtung. Pure Furcht und Verzweiflung glitzerte in seinen Augen und er taumelte ein paar Schritte rückwärts.
„B-bitte", wimmerte er, „tu mir nicht weh!" Erstaunt über seine Worte hob ich eine Hand, um seine Wange zu berühren. Er schlug diese weg, schrie erneut auf und hielt sich die Ohren zu.
„Nein, nein", murmelte er mehr zu sich selbst. Diese Situation überforderte mich so sehr, dass ich kurz vorm Heulen stand.

Hektisch kramte er in seiner Hosentasche herum, bis er einen kleinen Gegenstand herausholte, den er aufklappte. Ich starrte auf das glänzende Ding, während die Angst in mir hoch kroch.
„Was hast du mit Ardy gemacht?", knurrte Taddl bedrohlich, während er mit erhobenem Taschenmesser auf mich zu kam. „Ich bin Ardy", unschuldig hob ich die Hände und stolperte rückwärts. Schneller als ich reagieren konnte, war Taddl plötzlich neben mir und rammte mir das Taschenmesser in meine Schulter.
Ich biss mir auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen. Der Schmerz breitete sich in meinem Körper aus und ließ mich auf den Boden sinken. Zitternd zog ich den blutüberströmten Gegenstand heraus und warf ihn hinter mich.

Einen kleinen Schrei konnte ich nicht mehr unterdrücken, als ich das Blut aus der klaffenden Wunde treten sah. Taddl wankte wieder von mir weg und schüttelte ungläubig den Kopf. Er formte meinen Namen auf seinen Lippen und weinte wieder los.
Was zum Teufel passierte hier gerade? Schnell holte ich mein Handy aus meiner Hosentasche, tippte den Code mehrmals ein und wählte dann den Notruf.
„Hallo? Wir brauchen schnell einen Krankenwagen", wimmerte ich, sagte den Straßennamen und legte auf. Jetzt musste ich nur noch durchhalten. Taddl stand einfach nur noch aufgelöst an eine Wand gelehnt und schlug seinen Kopf mehrmals dagegen.
Dabei murmelte er irgendetwas unverständliches und starrte durchgehend auf das Taschenmesser, was ein paar Meter von mir entfernt lag. Ich sah, dass seine Kopfwunde sich wieder geöffnet hatte, da Blut unter dem Bandana hervortrat, als er einen zögernden Schritt auf den Gegenstand zumachte.

Schnell reagierte ich, hechtete auf das Messer zu und hielt es von mir weg. Schützend hielt Taddl sich einen Arm vors Gesicht und den anderen wieder an seine Brust, als hätte er einen Herzinfarkt. Moment. War es vielleicht das?
„Was passiert hier?", fragte Taddl und wanderte mit seinem Blick immer zwischen mir, dem Messer und einem Punkt in der Dunkelheit hin und her. Ich kniff meine Augen zusammen, konnte jedoch nichts erkennen.

Den Moment der Unaufmerksamkeit hatte Taddl ausgenutzt und meinen Arm gepackt. Erschrocken ließ ich das Messer los und stieg darauf, bevor er es nehmen konnte. Schmerzhaft verdrehte er meinen Arm, sodass ich einen schrillen Schrei ausstieß. Ihn schien das nicht zu kümmern, da er dabei war mir den Arm zu brechen.
Mit aufgerissenen Augen starrte ich auf den Arm, der immer mehr eine ungesunde Position annahm. Endlich hörte ich die erlösenden Sirenen, die Taddl zurückschrecken ließen.
Ich drückte ihn an den Schultern gegen die Wand und stieg auf seine Füße, sodass er nicht fliehen konnte. Durch das Licht, was von der Straße kam, konnte ich Sanitäter erkennen.

„HIER", brüllte ich verzweifelt, woraufhin diese auf mich zu kamen. Dann ging alles ganz schnell. Taddl schrie um Hilfe, und versuchte sich aus meinem Griff zu befreien. Als er die Menschen erblickte, schluchzte er einmal auf, ehe seine Augen sich schlossen und er in meinen Armen zusammenbrach.
Die Sanitäter legten ihn auf eine Trage und halfen mir zu dem Krankenwagen, der genau vor der Gasse gehalten hatte. Erleichtert setzte ich mich neben die Trage und hielt Taddls Hand, während mir jemand meine Schulter verband.
Der stechende Schmerz war nur noch nebensächlich, da ich konzentriert die schmerzverzerrten Gesichtsausdrücke von Taddl beobachtete.

Endlich kamen wir beim Krankenhaus an und obwohl ich bei Taddl bleiben wollte, wurden wir getrennt. Er wurde sofort auf die Intensivstation und ich in die Notaufnahme gebracht.
Mir wurde meine Wunde gesäubert und neu verbunden. Danach bekam ich die Zimmernummer von Taddl, wohin ich mich sogleich aufmachte. Vor seinem Zimmer stand ein Arzt, der mich erwartungsvoll ansah.
Ich gab ihm die Hand und erkundigte mich nach seinem Zustand. Der Arzt seufzte, sah mich ernst an und stellte eine Fragen, die mir Tränen in die Augen trieb.

„Herr Bora wissen sie, ob Ihr Freund je in Verbindung mit Drogen stand? In seinem Blut sind eindeutige Rückstände von LSD." Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Er erklärte mir, dass es – nach der Einnahme dieser Droge und den Folgen – Wochen oder sogar Monate später noch einmal zu einem Rückschlag kam. Diese konnte zu jeder Zeit und in jeder Situationen auftreten.
„So etwas würde er nicht machen", flüsterte ich.
„Da haben sie sich wohl in ihm getäuscht."

Das Leben des Ardy (Tardy ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt