New home, new hope

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Es war früh am Morgen als ich mein Auto belud, doch eigentlich genau die richtige Zeit für den Arbeitsbeginn eines Jockeys. Wir waren Frühaufsteher, die sich schon um 6 Uhr morgens spätestens im Stall herumtrieben. Für die meisten Menschen erschien dieses Verhalten verrückt, doch wer mit Anbruch des Tages die ersten Pferde auf der Trainingsstrecke reiten wollte, der musste eben ebenso früh damit anfangen, den Stall in Ordnung zu bringen und die Pferde zu richten.
Einige von denen, die vorbei eilten verabschiedeten sich. Wir waren schließlich lange Zeit Kollegen gewesen, aber eben nie Freunde... Doch das war mir gleich. Mein Leben würde heute von neuem beginnen und nichts würde mich davon abhalten. Auch nicht mein Vater, der auf mich zu gestapft kam als ich eine weitere Kiste gerade in den Kofferraum meines SUVs verladen hatte.
"Was denkst du dir eigentlich wirklich, Ava? Was zum Teufel treibt dich dazu, deine Familie so zu hintergehen?", sagte er mit gepresster Stimme, versuchte nicht zu laut zu reden und seine Wut zu verbergen.
"Familie hintergehen? Jeder in diesee Familie ist mit meiner Entscheidung einverstanden. Nur du nicht, Dad! Ich will einfach meine eigenen Entscheidungen treffen, ich bin schließlich keine Marionette.", entgegnete ich aufgebracht über seinen Vorwurf.
"Das habe ich nie verlangt. Ich hatte nur gehofft, dass meine Tochter, der ich so viel ermöglicht habe, auch mal etwas für mich tut."
"Tja, ich habe mittlerweile genug getan. Ich habe mir für deine Rennen Knochen gebrochen, bereits unzählige Verletzungen habe ich kassiert. Und so viele Pferde habe ich wegen dir bis zur Unbrauchbarkeit geritten - alles für dich. Jetzt bin ich dran, jetzt ist mein Leben dran!" Mit diesen Worten knallte ich die Kofferraumklappe zu und lief um das Auto herum, um es näher an den Pferdeanhänger zu rangieren. Meinen Vater sah ich nur noch im Seitenspiegel davon eilen. Ich konnte darüber nur den Kopf schütteln, er benahm sich kindlicher als ich ihn jemals erlebt hatte. Sowieso hatte er nicht viel kindliches an sich bis auf seinen furchtbaren Trotzkopf, den ich nun nicht mehr ertragen musste.

Aufhalten stellte kein Problem dar. Doch als ich den Strick eingehakt hatte und den Schimmel hatte auf die Stallgasse führen wollen, streikte er. Nein, eigentlich riss er unwillig den Kopf nach oben und stemmte die Beine in den Boden. Ein deutliches Ich bewege noch hier nicht weg!. Ich schnaubte und ruckte einmal unsanft am Führstrick. Das ließ zumindest den Kopf des Hengstes wieder auf meine Höhe kommen.
"Komm schon, Breath. Wir wollen hier beide weg, dafür musst du aber auch mitkommen.", redete ich schon jetzt frustriert auf ihn ein. Ich konnte mir nicht helfen, so ein Pferd war mir eben noch nie unter gekommen. Kurzerhand zog ich den Strick wie eine Hengstkette durchs Halfter und borgte mir einen Besen des Stallpersonals aus.
"Raus aus der Box jetzt!", rief ich frustriert nach einigen sanfteren Versuchen und verpasste ihm einen Klaps mit dem Besenstiel auf den Arsch. Mit einem überraschten schrauben sprang Breath nach vorn und rannte mich beinahe um. Nun schien er es aber auch reichlich eilig zu haben, sodass mit das kräftige junge Tier beinahe nur hinter sich her schleifte. Irgendwie schaffte ich es, ihn in Richtung des Hängers zu leiten und diesen schien er auch sofort als sichere Zuflucht zu akzeptieren - wenigstens das Aufladen klappte gut. Im Hänger verpackte ich meinen Schimmel gut, hängte ihm noch ein Heunetz auf, das er wahrscheinlich Ende der Fahrt auseinander genommen haben würde, und schloss dann die Hängerklappe. Erschöpft seufzte ich. Keine Ahnung, wann ich zuletzt so viel herumgelaufen war. Hin und Her zwischen Haus und Auto und dann auch noch von einem Vollbluthengst über den halben Hof geschliffen werden. Ich konnte mir schöneres und weniger anstrengendes vorstellen.
Mein rechtes Bein brauchte zumindest erst einmal eine Pause bis ich wieder sicher Auto fahren könnte, also trolle ich mich kurz ins Haus, um mich eben hinzusetzen und mich von Mum zu verabschieden.

"Mum?", rief ich in den Flur als ich eintrat. Oben im Haus hörte ich Schritte, dann erschien sie auch schon am Trepoenansatz. "Ich fahre dann gleich und wollte mich noch verabschieden."
Ein betretener Gesichtsausdruck trat im ihr Gesicht und ich wusste, dass sie mit den Tränen zu kämpfen hatte. Das war bemerkenswert, denn ich spürte rein gar nichts bis auf unendliche Erleichterung endlich hier abhauen zu dürfen und einer besseren Zukunft entgegen zu gehen.
Wortlos kam sie herunter und schlang die Arme so fest um mich, dass ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. Doch am Zittern ihres Oberkörpers jedes Mal, wenn sie ausatmete, merkte ich, dass sie nur schwer die Tränen zurückhalten könnte.
"Ich... Ich liebe dich, Mum. Und es liegt nicht an dir, vergiss das nie. Und sag Katie Tschüss von mir. Sag ihr, sie soll anrufen, wenn sie wieder da ist.", flüsterte ich ihn ihr offenes braunes Haar, das mit den Jahren immer mehr von grauen Strähnen durchzogen wurde, und meinem früher so ähnlich gesehen hatte. So oft hatte man mir gesagt, ich würde aussehen wie meine Mutter und mich verhalten wie mein Vater. Und vielleicht stimmte das zum Teil, doch ich hatte den festen Willen, niemals so zu werden wie er - niemals so kalt und grausam, ohne Liebe für sie Tiere mit denen er arbeitete.
Schließlich schob ich sie von mir und kehrte ihr den Rücken. Ich wollte meine starke Mutter nicht vor mir Weinen sehen. Nachher passierte es mir auch noch und das konnte ich unter keinen Umständen dulden.
Langam trottete ich zum Auto, sah noch kurz nach Breath und stieg dann ein. Die Fahrt würde länger dauern, schließlich musste ich auf meinen Kleinen im Hänger Rücksicht nehmen. Doch es war eine lange Fahrt in ein neues Zuhause, die ich gern in Kauf nahm.

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