Work, work, work

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"Schultern weiter zurück, lehn' dich nach hinten! Hacken runter!", brüllte Matt regelrecht aus der Mitte des Zirkels zu mir herüber. Ich war wirklich erstaunt, dass das Vollblut unter meinem Hintern das alles so hinnahm und mittlerweile nicht mal mehr zuckte. Also korrigierte ich wieder meinen Sitz, versuchte aufrecht und korrekt zu sitzen, nahm die Hände wieder ein Stück höher. 

Nachdem Matt gesehen hatte, wie ich frei auf dem Pferd saß, hatte er beschlossen, dass wir erst an meinem Sitz arbeiten müssten. Und das jetzt schon seit einer ganzen Stunde. Der braune Wallach unter dem Sattel, dessen Name Berty war, zeigte schon deshalb sehr viel guten Willen, weil er immer noch antrabte und -galoppierte, obwohl wie schon so lange dabei waren. 

"Ok, so halten, das passt einigermaßen. Und angaloppieren. Wehe, du fällst dann wieder auseinander!", wies mich der Blonde an. Mittlerweile war ich komplett durchgeschwitzt und alle meine Muskeln taten mir weh. Am meisten allerdings mein immer noch nicht ganz perfekt geheilter Oberschenkel. Als ich angaloppiert war und zwei Runden gedreht hatte, nickte Matt und erteilte mir den "Befehl" durchzuparieren. 

"Für heute ist Schluss. Morgen machen wir hier weiter.", teilte er mir barsch mit und stiefelte vom Platz. 

Ich verdrehte nur die Augen, stieg ab und löste die Hilfszügel von Berty. Der Wallach war klitschnass und schnaufte angestrengt. "Du hast gut durchgehalten, mein Kleiner. Aber wie hältst du es bloß mit dem da aus?" Liebevoll strich ich ihm über den Hals und lobte ihn. Dann nahm ich seine Zügel über den Hals und machte mich zu einigen Schrittrunden zur Fuß auf. Trockenreiten, zumindest der Teil mit dem "trocken", fiel sowieso flach. Da konnte ich auch führen und etwas laufen tat mir nach einer Stunde im Sattel auch mal wieder ganz gut. 

Nachdem der Wallach halbwegs trocken war, führte ich ihn vom Reitplatz zum Putzplatz. Die Stallungen, in denen er stand und wo auch Breath die ersten Tage gestanden hatte, waren U-Förmig angeordnet. Die Pferde konnten also auf der einen Seite in den Hof hinaussehen und so auch untergebrachte Artgenossen in allen Boxen sehen. In der Mitte des Us befanden sich Anbindestangen und ein Waschplatz, zudem ich Berty nun auch verfrachtete. Wir hatten es Ende September, doch es war noch so warm in England, dass ich ihn ohne weitere Bedenken abduschen konnte. 

Erstmal nahm ich ihn sein gesamtes Zubehör ab und halfterte ihn wieder auf. Nachdem ich die Hufe ausgekratzt hatte, löste ich den Strick und ging selbstverständlich auf den Waschplatz zu. Nur blöd, dass der Braune drei Meter vor diesem den Anker warf. Beinahe wäre ich gestolpert, weil ich zügig unterwegs war und der Strick nicht mehr locker hing, sondern sich straff zog. 

"So einer bist du also.", seufzte ich und trat näher an den Wallach heran, der wie ein Fels da stand und sich weder vor noch zurück bewegte. "Komm, Dicker, wir wollen planschen gehen." Ein bisschen Gezuppel am Strick und aufmunterndes Schnalzen, doch er bewegte sich nicht. Das frustrierte mich. Schnaubend ging ich wieder zu ihm hin. Dieses Mal war ich weniger sanft. Und als das Vollblut nun anfing zurückzuweichen, knallte ich ihm den Strick auf die Schulter. Das fruchtete zumindest und er ging vorwärts. Rennpferde waren eben Rennpferde. Die musste man eben manchmal so anpacken., dachte ich mir. Was ich allerdings nicht bemerkt hatte, waren die blauen Augen, die mich beobachtet hatten. 


Nachdem Berty wieder auf der Koppel war, machte ich eine Fuchsstute für Matt fertig. Sie war schüchtern und nervös, zappelte viel herum und guckte sich andauernd hektisch um. Ich ignorierte dies geflissentlich und machte einfach meine Arbeit. Ich war ja kein Psychotherapeut für diese Pferde. Sollte sie halt rumzappeln. 

Matt ließ sich beinahe pünktlich auch blicken. Er hatte einen hellbraunen Wallach dabei, den er mir gleich aufnötigen würde. Schnell trenste ich die Stute auf, die natürlich auch da wieder herumhampelte und ihren Kopf nicht stillhalten wollte. 

"Kommst du eben her? Wir müssen mal reden.", sprach der Blonde sie barsch an, als er in ihrer Hörweite war. 

"Ja, worum gehts?", antwortete ich kein Stück freundlicher. Ich war es wirklich leid mit seiner Art.

"Das vorhin mit Berty machst du nicht nochmal. Und wenn doch, sorge ich persönlich dafür, dass du entlassen wirst." Seine Stimme wechselte von einem bloß unfreundlichen Ton in einen beinahe bedrohlichen Ton. Ich war tatsächlich sprachlos. Solche Ansprachen war ich nicht einmal von meinem Vater gewohnt. Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. 

"Aber er hat gezickt, aus total bescheuerten Gründen!", versuchte ich mich schließlich zu verteidigen. Und dabei klang ich wie ein beleidigter Teenager, wie ich feststellen musste - toll. 

"Diese Tiere kommen auch schlechter Haltung, in der sie bloß für den Sport gebraucht wurden. Hier sollen sie erleben wie liebevoll Menschen sein können und dass sie Zeit bekommen, um zu lernen und Ängste zu überwinden. Bloß dominant zu sein und sie zu zwingen, indem man sie schlägt, ist nicht die Art, wie wir hier arbeiten. Daran solltest du dich gewöhnen, sonst darfst du hier wieder abziehen und deinen Dreijährigen gleich mitnehmen!" Mit diesen Worten riss er mir die Zügel aus der Hand und führte die hibbelige Stute in Richtung Reitplatz. 

Ich brauchte erst einmal einen Moment, um mich wieder zu sammeln. Selten hatte mir jemand sowas an den Kopf geworfen. Seit ich klein war, hatte mir mein Vater ein strenges Regiment mit Pferden gepredigt. Ich war keine Tierquälerin, ich schlug nicht grundsätzlich. Doch irgendwann war eine Schmerzgrenze bei mir überschritten. Und bis jetzt hatte ich bei keinem Pferd feststellen können, dass es Angst vor mir hatte. Doch sie taten, was ich von ihnen verlangte. Dass das falsch war... vielleicht hatte ich das ein oder andere Mal daran gedacht. Doch ich sah wie andere streng und dennoch liebevoll mit Pferden umgingen. Sie hatten keinen Schaden und keine Angst davongetragen. 

Und hier wollten sie jetzt, dass ich die Pferdchen zum Waschplatz knuddelte? Zum ersten Mal in meinem Leben zeigte mir jemand auf, dass er absolut nichts von einem "Gehorsamsklaps" hielt. Und zum ersten Mal fragte ich mich aber auch, ob es tatsächlich so harmlos betitelt werden sollte. Vielleicht musste ich nur meine Reiterei verbessern, vielleicht musste ich auch mich selbst deutlich verbessern.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 02, 2017 ⏰

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