51. Kapitel - Sorry Max

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Beim Essen saß ich ganz allein an einem
Tisch und starrte resigniert auf meinen überfüllten Teller. „Iss Ema.", befahl die unfreundliche Aufsicht. Doch ich ignorierte sie. Als sie mir zum zehnten Mal befohlen hatte zu essen, stand ich ruckartig auf, gab einen unartikulierten Schrei von mir und streifte den Teller samt Inhalt zu Boden. Der Lärm, der durch das brechende Geschirr und meinen Schrei entstand, ließ die anderen Patienten sofort schweigen und alle starrten überrascht zu mir. Ich funkelte die Aufsicht böse an, die Speise war auf meiner Hose verteilt.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und ließ die Standpauke über mich ergehen. Die Aufsicht schrie mich an, bezeichnete mich als eine Göre und bekam letztendlich vor Zorn ein Gesicht, rot wie eine Tomate auf dessen Stirn sich die Adern abzeichneten. „Du gehst jetzt sofort zu Dr. Georg! Das ist ja unerhört!!", japste sie. Ich presste meine Backenzähne aufeinander und machte auf dem Absatz kehrt.
Ich war blind vor Wut, kniff mir in die Extremitäten und gab dann einer Tür so einen heftigen Tritt, dass sie aus dem Schloss sprang. Der Schmerz durchzuckte meinen Fuß und meinen Körper und ich schrie in den leeren Flur hinein. Ich fluchte und schimpfte sosehr, dass mich nichts und niemand aufhalten konnte. Auch als ein kleiner Junge mit seinem "Glas-Der-Beruhigung" ankam, riss ich ihm dieses aus der Hand und schmetterte es gegen die Wand. Es zerbrach in tausend Einzelteile und der Junge brauch in jämmerliches Geheul aus. „Ich hasse es hier! Ich hasse euch! Ich hasse mich! Ich will hier nicht sein!!", schrie ich unter Tränen. Ich schlug heftig um mich, als zwei kräftige Hände nach mir griffen. Ich traf die Person hart, doch sie ließ mich nicht los.
Die Person stellte sich als Dr. Georg heraus und als ich mich etwas beruhigt hatte, stellte ich fest, dass er gar nicht begeistert war. Er hatte mich in sein Büro geführt und drehte nun einen Kugelschreiber zwischen seinen Fingern. „Du weißt was deine Nahrungsverweigerung von eben bedeutet.", sagte er monoton. Meine Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
Dr. Georg stand auf und bat mich in sein Nebenzimmer. Dort wusch sich bereits Dr. Mayer die Hände und zog Gummihandschuhe an. Auf der Ablage lag ein dünner Schlauch. Bei dessen Anblick wurde mir ganz komisch.
„Setz dich.", befahl Dr. Mayer, während Dr. Georg die Magensonde mit etwas besprühte. Er sah mich über den Rand seiner Brille an. „Das sind Gleitmittel und ein örtliches Betäubungsmittel. Ich werde den Schlauch nun erstmal durch deine Nase in den Nasen-Rachen-Bereich führen. Nach etwa zehn Zentimetern trinkst du bitte immer wenn ich es dir sage einen Schluck Wasser, damit die Sonde einfacher in deinen Magen rutscht. Wenn irgendetwas sein sollte, hebst du bitte die Hand, ja?"
Ich schluckte schwer, als der Arzt den Schlauch in meine Nase schob. Ich zuckte zusammen. „Der Schlauch ist gekühlt, um es dir angenehmer zu machen.", meinte Dr. Mayer. Der Arzt schob immer weiter und ich presste meinen Kopf gegen die Lehne des Behandlungsstuhls. Tränen schossen mir in die Augen, das Gefühl war definitiv das unangenehmste, was ich je fühlte. Dr. Mayer reichte mir ein Glas Wasser. „Trink etwas, und immer wenn du schluckst, werde ich die Sonde ein kleines Stück weiter schieben. Jetzt!", befahlt der Arzt und ich führte das Glas mit zittrigen Händen zu meinem Mund und trank einen Schluck. Als ich schluckte, schob Dr. Georg die Magensonde weiter. Ich röchelte und krallte mich mit meiner linken Hand an der Armlehne fest.
Bei dem letzten Schluck musste ich würgen und war heilfroh, als es jetzt zu Ende war. Ich bewegte vorsichtig meine Nasenflügel. „Das fühlt sich so ekelhaft an.", warf ich den Ärzten vor. Dr. Mayer machte letzte Handgriffe und klebte mir den Schlauch an der Wange fest. „Du wirst dich relativ schnell daran gewöhnen.", sagte Dr. Georg und zog sich die Gummihandschuhe aus. Ich schnaubte verächtlich. „Wir müssen noch reden, warte bitte drüben.", sagte Dr. Georg. Na super.
Im rübergehen überlegte ich, was geschehen würde, wenn ich einfach gehen würde. Doch ich setzte mich und befühlte mit meinen Händen den Schlauch. Seltsames Gefühl. Wie es sich wohl anfühlt wenn man den wieder zieht? Ich verzog mein Gesicht bei dem Gedanken daran. „Sooo...", sagte der Arzt während er die Tür zum Nebenzimmer schloss und sich auf seinen Schreibtischstuhl setzte. „Du wirst dich bei Max entschuldigen.", verlangte er. „Max?", fragte ich verwirrt.
„Der Junge, dessen Glas du gegen die Wand geworfen hast." Ich nickte. „Mach ich."
Dr. Georg öffnete eine Mappe auf seinem Schreibtisch. „Wir werden aus dir nicht schlau. Das ist auch der Grund, weswegen du noch keine Therapeutin zugeteilt bekommen hast. Dr. Zynja scheint mir aber nach wie vor am geeignetsten. Natürlich kannst du dich jederzeit an jeden von uns wenden, aber es ist dennoch wichtig, dass du jemanden hast, der sich regelmäßig um dich kümmert. Ich gebe dir morgen Bescheid, wie es aussieht. Geh nun bitte auf dein Zimmer, Danielle wird später bei dir vorbeisehen um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Bis morgen, Ema.", verabschiedete sich der Arzt. Ich nickte, stand auf und ging. Ich atmete tief ein und ging den Flur entlang, vorbei an meinem Zimmer und klopfte an der Tür zu Max' Zimmer. Er öffnete die Tür. Als er mich sah, wollte er sie gleich wieder schließen, doch ich hatte meinen Fuß in den Türrahmen gestellt. „H-Hör zu Max. Ich weiß, dass es falsch war und ich weiß auch, dass es dein Glas nicht wieder repariert, aber es tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun, indem ich das Glas kaputt mache. Ich... es ging nur irgendwie nicht anders.", entschuldigte ich mich. Max hatte sich mittlerweile wieder auf sein Bett gesetzt und las weiter. Er ignorierte mich. „Wie gesagt, tut mir leid.", wiederholte ich und schloss die Tür.
Dann huschte ich in mein Zimmer, zog mich um und setzte mich erschöpft auf mein Bett. Draußen war es bereits dunkel und ich seufzte. Würde ich doch bloß irgendwie hier rauskommen. Diese Anstalt würde mich noch umbringen.

PressureWhere stories live. Discover now