Kate

5K 320 26
                                    

Es ist Samstagmorgen. Und an einem Samstag ist für gewöhnlich keine Schule. Ich hasse diesen Tag. Jedenfalls in letzter Zeit...
Gerade sitze ich in meinem Wohnzimmer und versuche meinen Unterricht für die kommende Woche vorzubereiten. Nun, die Betonung liegt auf versuchen, denn ich kann mich kein Stück konzentrieren. Der Vorfall aus der Turnhalle spukt in meinem Kopf herum und lässt keinen Platz für andere Dinge. Immer wieder sehe ich die Perfektion in Person vor mir und schon bei dem Gedanken an ihren halbnackten Körper schießt mir das Blut ins Gesicht.
"Oh Gott! Warum ich?", frage ich mich laut und vergrabe das Gesicht in den Händen. So gerne würde ich mit jemanden über meine Gefühle reden, aber ich weiß nicht wie meine Freunde darauf reagieren würden. Eine Lehrerin die ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hat? Wer würde mich denn noch in die Nähe von seinen Kindern lassen?
Chloe kann ich auf keinen Fall etwas erzählen. Sie ist im Moment sowieso sauer auf mich. Nein, die einzige Person die mir einfällt ist meine Mutter. Sie liebt mich, egal was passiert und sie wird mich auch nicht verurteilen. Dessen bin ich mir sicher.
Kurz entschlossen lasse ich Schule Schule sein und steige in mein Auto. Meine Eltern wohnen nur eine halbe Stunde von mir entfernt, aber durch den starken Regen der heute fällt, brauche ich gute zehn Minuten länger als sonst.
"Ein Wolkenbruch!", begrüßt mich meine Mutter lachend, als sie die Tür öffnet.
"Schön dich zu sehen", antworte ich lächelnd und lasse mich in eine warme Umarmung ziehen.
"Ich freue mich immer, wenn du mich besuchst, Liebling."
Im Flur meines alten Zuhauses hängen wie gewohnt die Bilder von mir und meiner älteren Schwester. Auch mein großer Bruder ist auf ein paar zu finden. Ich vermisse meine Geschwister genauso sehr wie meine Eltern.
"Gibt es einen Grund, warum du hier so hereinschneist?", fragt Kate, meine Mutter, und ihre Augen glitzernd hinter der runden Brille. Sie ist eine unglaublich herzliche Frau, aber sie ist auch sehr klug.
"Den gibt es tatsächlich", gebe ich zu und setze mich zu ihr an den großen Tisch.
"Was bedrückt dich, Liz?", fragt sie fürsorglich und greift nach meinen Händen, die auf der Tischplatte liegen. Ich schlucke kurz und atme dann tief ein.
"Hast du dich schon einmal in jemanden verliebt, in den du dich niemals verlieben solltest?", beginne ich vorsichtig und meine Mutter blickt wissend drein.
"Viel zu oft. Aber warum glaubst du, dass es nie hätte passieren dürfen, Schatz?"
"Ich bin nicht sicher wie ich es dir erklären soll, Ma."
Ich kann es ihr einfach nicht sagen.
"Wie wäre es dann mit der Wahrheit?"
Aber ich kann es auch keinem anderen sagen. Ich muss es einfach jetzt tun!
"Ich...ich habe mich in meine 18-jährige Schülerin verliebt."
Ich atme tief aus. Jetzt habe ich es ausgesprochen und nun wird mir auch endlich klar, was ich tatsächlich für Ashlee fühle. Liebe.
"Ich kann einfach nicht aufhören an sie zu denken, Ma, ich werde eifersüchtig und ich vermisse sie in jeder Sekunde", sprudelt es aus mir heraus und es tut so gut es mir endlich einzugestehen.
"Unterrichtest du dieses Mädchen, Liz?", fragt Kate ruhig und ich danke ihr still dafür, dass sie sowohl meine Liebe zu einer Frau akzeptiert als auch die Tatsache, dass ich mich in eine Schutzbefohlene verliebt habe.
"Ja, sie geht in meine 11. Klasse", sage ich und senke meine Augen auf die Tischplatte. Eine Weile herrscht Stille, während wir beide erstmal das gesagte verdauen müssen.
"Erzähl mir von ihr", fordert mich meine Mutter dann plötzlich auf und ich werfe ihr einen verblüfften Blick zu.
"Ich möchte wenigstens genau wissen, wie dein Problem aussieht", lächelt sie und drückt leicht meine Hände.
"Also...gut. Ihr Name ist Ashlee und sie ist die wohl hübscheste junge Frau auf der ganzen Schule. Das kannst du dir erst vorstellen, wenn du sie gesehen hast, Ma", beginne ich und meine Mutter hört mir gespannt zu.
"Außer ihr gibt es noch ihren Zwillingsbruder und ihren älteren Bruder, die auch beide so außergewöhnlich hübsch sind. Die gesamte Schule ist verknallt in die Drei und offensichtlich sind auch Lehrer davor nicht gefeit." Ich seufze tief.
"Wann hast du dich denn in sie verliebt?", will Kate jetzt wissen und ich muss kurz überlegen.
"Ich habe mich von ihr angezogen gefühlt, seit ich sie das erste Mal gesehen habe. Aber so richtiges Bauchkribbeln hatte ich erst als sie mich vor Collin beschützt hat", antworte ich und meine Mutter kneift wütend die Augen zusammen.
"Collin? Dein Ex-Freund?"
"Ja. Ashlee hat sich dazwischen gestellt, als er mich schlagen wollte", flüstere ich bedrückt und in mir kommen erneut die Schuldgefühle auf,"er hat ihr die Wange aufgeschlitzt und Ashlees Brüder haben ihn aus dem Restaurant gezogen."
Kate runzelt nun nachdenklich die Stirn, obwohl ihre Augen wütend funkeln.
"Wir reden später darüber, dass er dich nochmals schlagen wollte. Aber du sagst, dass sie dich beschützt hat? Hätte sie das auch getan wenn sie in dir einfach nur ihre Lehrerin sieht?", überlegt sie und ich stutze bei ihren Worten.
"Das ist eine gute Frage. Jeder andere hätte vermutlich weggesehen", spinne ich den Faden weiter und meine Mutter stimmt mir zu.
"Gab es noch andere Situationen in denen sie dir gezeigt hat, dass sie dich mit anderen Augen sieht?"
Umkleide, Flur, Wohnung.
Mir schießen unzählige Momente in den Kopf und ich nicke deutlich.
"Viele!"
"Vielleicht fühlt sie ja auch etwas für dich, Liebling. Aber sei vorsichtig. Was du auch tust, sobald du ihre Nähe suchst machst du dich strafbar, Kleine. Am besten wäre es wenn einer von euch beiden die Schule wechselt", rät mir Kate und ich muss ihr insgeheim zustimmen. Aber wenn ich die Schule wechsle sehe ich sie nicht mehr.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf verabschiede ich mich einige Stunden und unzählige Gespräche später von meiner Mutter und laufe durch den trommelnden Regen zurück zu meinem Auto.
Auf der Rückfahrt klart der Himmel langsam auf und sogar die Sonne lugt vorsichtig hinter einer Wolke hervor. Die Worte meiner Mutter immer noch im Kopf, halte ich vor meinem Haus an und öffne die Autotür. Augenblicklich vernehme ich einen weiche Stimme, die ich aus einer Millionen Stimmen wiedererkennen würde. Und Ashlee spricht nicht. Sie singt.
Mein Blick wird von ihr angezogen, wie sie im Garten der Erdgeschosswohnung in meinem Mehrfamilienhaus sitzt, mit einer Gitarre auf dem Schoß. Neben ihr steht ihr Bruder Rob und ein fremdes Mädchen um das er seinen Arm gelegt hat.
Hingerissen lausche ich Ashlee's Stimme und wage nicht zu atmen.
Ich erkenne mich in jeder Zeile, die sie singt, wieder. Und ich würde nichts lieber tun als zu ihr zu laufen und ihr tief in die Augen zu schauen, während ihre Stimme durch jede Faser meines Körpers dringt.
Wie hypnotisiert stehe ich neben meinem Auto, nicht fähig mich zu rühren.
Ich vergesse Zeit und Raum. Ich sehe nur sie vor mir. Mit geschlossenen Augen und Worten die aus ihrem Herzen kommen.
"Es ist selten, dass Ashlee vor Fremden singt", raunt eine tiefe Stimme von hinten in mein Ohr und ich zucke erschrocken zusammen, während Noah lächelnd an mir vorbeigeht und sich zu seinen Geschwistern gesellt.
Als er eintrifft, hebt Ashlee den Kopf aber anstatt ihn anzusehen, fällt ihr Blick auf mich und sie lächelt mir beinahe liebevoll zu. Dann hebt sie die Hand und winkt mich heran.

With you everything changedTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang