Hilfe?

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Ashlee
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Ich sehe Catherine mit geballten Fäusten tief in die Augen und spüre wie mein Hass auf diese Frau größer und größer wird. Meine Lippen sind noch immer fest aufeinander gepresst und meine Hanggelenke bluten leicht an den Stellen, an denen sie in Ketten gelegt sind. Normalerweise wäre so etwas nichts, was mich zurückhalten könnte, doch in der grünen Flüssigkeit die Collin mir gespritzt hat, muss etwas drin gewesen sein, dass mir für einige Zeit meine Kraft genommen hat. Selbst die Wut in meinem Körper ist nicht stark genug, um meine Fesseln zu lösen. Ich bin völlig hilflos. Komplett ausgeliefert. Aber ich sage dennoch kein Wort.
"Na gut. Ganz wie du willst."
Catherine lächelt und gibt dem Mann hinter Liz ein Zeichen. Der packt sie grob am Arm und zerrt meine wie wild um sich schlagende Freundin in meine Richtung.
"Lass mich los!"
Liz wehrt sich mit Händen und Füßen, aber gegen die Revec hat sie keine Chance. Als sie vor mir auf den Boden gezwungen wird, muss ich die Augen schließen um nicht der verzweifelten Stimme meines Herzens zu gehorchen und Catherine all das sagen, was sie hören will. Es zerreißt mich zu wissen, dass ich Liz nur so beschützen kann. Indem ich meine Familie verrate. Meine Freunde. Alle die mir nahe stehen und die sich auf mich verlassen.
Und Catherine weiß das.
"Öffne die Augen."
Ich schüttle den Kopf und lasse mein Kinn auf meine Brust hinabsinken. Collins Lachen hallt in meinen Ohren und lässt meinen Körper zittern. Und auch wenn ich seinem Befehl nie nachkommen wollte, weiß ich, dass er mich auch so dazu bringen wird.
Langsam hebe ich den Kopf und werde sofort von Liz' grünen Augen gefangengenommen. Sie sind angsterfüllt, als sich unsere Blicke treffen, doch ihre Lippen bewegen sich kaum merklich.
Sag nichts.
Ich schüttle kurz den Kopf und lasse meine Augen unauffällig zu der Tür in der Wand links von mir gleiten. Durch diese Tür ist auch Catherine zu uns gekommen und ich habe die Hoffnung, dass Liz auf diesem Weg entkommen kann. Wenn ich Collin und die anderen nur lange genug ablenken kann.
"Ich denke, hiermit sollte wir anfangen", schmunzelt Collin, als er sich bedächtig einen alten, goldenen Ring mit großem Stein in der Mitte über den Ringfinger seiner rechten Hand steckt,"es erinnert mich an etwas..."
Ich presse die Zähne aufeinander und versuche das immer lauter werdende Knurren in meiner Kehle zurückzuhalten, als Collin sich der am Boden knienden Liz nähert.
Es sind nur wenige Meter, die uns trennen und doch ist sie unerreichbar für mich. Ich blicke ihr tief in die Augen und versuche dort den Grund zu finden, der mich in wenigen Augenblicken meine Familie verraten werden lässt.
Und ich finde ihn.
Ich finde ihn, bevor Collin mit der Hand ausholen und Liz' Gesicht damit berühren kann.
Ich finde in den grünen Augen dieser Frau den Grund, weswegen ich alle Schmerzen dieser Welt auf mich nehmen würde. Weswegen ich nie zulassen könnte, dass sie verletzt wird. Weswegen es mich zerreißt, wenn Tränen über ihre Wangen rinnen.
"Halt!"
Collin hält in seiner Bewegung ein und Liz schüttelt flehend den Kopf, aber ich habe meine Entscheidung getroffen.
Ich habe Liz damals versprochen, dass Collin ihr nie wieder wehtun würde. Und ich werde dieses Versprechen halten. Koste es, was es wolle.
"Halt?"
Catherine sieht mich fragend an, als ich ihr fest in die dunkeln Augen blicke und mit aller Macht die immer lauter werdenden Rufe meiner Freundin auszublenden versuche.
"Sag ihr nichts! Denk an deine Brüder, Ashlee!"
"In einer Höhle. Etwa 2000 km südlich von hier."
Ich schlucke schwer und bete zum Himmel, dass meine Freunde bereits wieder auf dem Rückweg sind und schnell genug ein Mittel aus dem Stoff entwickeln, bevor die Revec ihn in die Hände bekommen.
"Lügt sie?", fragt Catherine Collin, der Gottseidank von Liz abgelassen hat und sich jetzt zu mir hinunterbeugt, um mir tief in die Augen zu sehen. Ich brauche all meine Willensstärke, um ihm in diesem Moment nicht ins Gesicht zu spucken.
"Nein... erzähle uns mehr, Ashlee."
Sein Grinsen wird breiter, als erneut Liz' verzweifelte Stimme erklingt.
"Tu es nicht! Deine Freunde werden nicht mehr lange für die Entwicklung brauchen! Und dann könnt ihr die Revec besiegen! Ich bin es nicht wert, dass du jetzt etwas sagst! Ich-"
Ein dumpfer Schlag lässt ihre Stimme verstummen und sehe fassungslos auf den Mann hinter Liz, der nur gleichgültig mit den Schultern zuckt, als sie bewusstlos in sich zusammensinkt.
Und das reicht aus.
Es reicht aus, um in mir einen nie gekannten Zorn zu wecken. Die Kraft fließt zurück in meine Adern und verteilt sich rasend schnell in meinem Körper. Mit einem Schrei reiße ich meine Arme aus den eisernen Schellen und springe auf die Füße. Sofort greifen starke Hände nach mir, doch sie haben keine Chance mich zurück auf die Knie zu zwingen. Mitansehen zu müssen, wie Liz vor meinen Augen niedergeschlagen wird, hat etwas in mir ausgelöst. Etwas was ich nie gedacht hätte, dass es in mir schlummert. Purer Hass übernimmt die Kontrolle über mich und ich habe nur ein Ziel. So viele zu verletzen, wie nur möglich.
Und das gelingt mir auch.
Ich weiß nicht, wie viele Knochen ich unter meinen Fingern brechen höre und wie viele davon meine waren. Es kümmert mich nicht, dass von Sekunde zu Sekunde immer mehr Revec in den riesigen Raum strömen und einen schützenden Ring um Catherine und Collin bilden. Ich sehe nur, dass zwei von ihnen die Frau, der mein Herz gehört, am Arm packen und sie kurzerhand zur Tür schleifen.
Doch bevor ich zu ihnen durchdringen kann, haben sich erneut zehn weitere Revec vor mir in Stellung gebracht und versuchen mich gemeinsam zu überwältigen, als sie auf mich zustürmen.
Und diesmal sind es zu viele. Meine Arme werden mir grob auf den Rücken gezogen und mein Körper wird mit vereinter Kraft gezwungen, endlich ruhig zu halten. Doch ich lasse Liz nicht aus den Augen, während mir Tränen der Verzweiflung und der Wut über die Wange rinnen. Ein erstickter Schrei entweicht meiner Kehle, als plötzlich eine vertraute Stimme erklingt.
"Brauchst du Hilfe, Schwesterherz?"

With you everything changedWhere stories live. Discover now