3. Feuerlieder

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Obwohl Lasair mit größtem Eifer an der Restauration des kleinen Häuschens arbeitete, dauerte es dennoch fast ein ganzes Jahr, bis er eines Tages vor seine Eltern trat und sie zu einer kleinen Einweihungsfeier einlud.

"Es ist noch nicht perfekt", gab er zu, "aber es ist nutzbar." Grádan musterte seinen Sohn erstaunt und auch Gry zeigte sich überrascht davon, dass Lasair sein Werk so schnell bewältigt haben sollte. Sie trat zu ihm und strich ihm über den roten Haarschopf. Dann sprach sie:
"Gibt es etwas, das ich für dein Fest vorbereiten sollte? Wie wäre es, wenn ich für die Verpflegung sorgen würde?"

Der junge Tischler strahlte. "Das wäre wunderbar. Ich habe es mir heimlich gewünscht, aber nicht zu bitten gewagt." Nun kam auch der Vater heran und legte die Arme um seine Lieben. Dann wandte er sich zu Lasair und schlug vor: "Dann lass uns zwei Männer den Eselkarren beladen und alle notwendigen Sachen zu deinem Domizil bringen!"

Wieder jubelte der Sohn: "Danke! Danke sehr, euch beiden! Ohne euch hätte ich es nie geschafft." Dann lief er davon, um noch einige Dinge herbei zu holen, die er in seiner Hütte benötigen würde.

Als alles gepackt war, bestieg Gry den Karren, während die beiden Männer neben dem Eselsgespann her liefen, dem Wald zu. Sie hatten die Fracht mit groben Stoffbahnen bedeckt, um sie vor neugierigen Blicken zu schützen. Dennoch erregten sie auf ihrem Weg durchs Dorf einiges Aufsehen. Die Freunde und Nachbarn traten heran und fragten, was dieser Umzug denn zu bedeuten hätte.

"Wir wollen eine alte Freundin besuchen", erklärte Grádan, "der wir ein paar von unseren nicht mehr benutzten Möbeln und etwas Geschirr bringen werden. Sie hatte Pech, hat eine Menge von ihren eigenen Dingen verloren, als ein Baum auf ihre Hütte gefallen ist."

Das reichte den meisten Passanten als Begründung für die ungewöhnliche Fuhre. Nur die kleine Tochter des Bäckermeisters ließ sich nicht so leicht zufriedenstellen. Sie lief ins Haus und kehrte nach wenigen Augenblicken mit ihrer Lieblingspuppe im Arm zurück.
"Hier!", rief sie, "Nehmt der Armen meine Inna mit, damit sie nicht in ihrem Unglück auch noch einsam ist!"

Die Tischlersfamilie schwieg betreten. Dann raffte sich Lasair auf und hockte sich vor die Kleine hin. Er nahm die Puppe sanft aus ihrer Hand und sprach: "Vielen Dank! Sie soll einen besonderen Ehrenplatz in der reparierten Hütte bekommen." - Und das war ja zumindest nicht ganz gelogen.

Je näher sie dem Rand des Ortes kamen, um so weniger Interesse erregten sie. Schließlich hatten sie die Siedlung hinter sich gelassen und legten eine kurze Rast ein. Lasairs Gedanken hatten den ganzen Weg über um die Lügen gekreist, die sie den Dörflern  - selbst ihren Freunden - aufgetischt hatten. Gry sah wohl, was ihn beschäftigte. Sie rückte auf dem umgestürzten Baumstamm, auf dem sie sich niedergelassen hatten, ganz nahe zu ihm und sagte: "Es gibt Momente, in denen bleibt einem nur die Wahl des kleineren Übels. Das ist es, warum man solche ... Flunkereien ... auch 'Notlügen' nennt."

Der junge Mann nickte versonnen. Sicher hatte die Mutter Recht, besonders wenn man bedachte, wie schnell eine Begabung wie die seine die besten Freunde zu Hexenjägern machen konnte. Man konnte niemandem vertrauen, durfte niemanden in Versuchung führen, sich durch besonders gnadenlose Verfolgung ungewöhnlicher Kiroyim hervorzutun.

Der Weg war beschwerlicher, als Gry und Grádan es sich vorgestellt hatten. Wieviel mehr bewunderten sie die Anstrengungen, die ihr Sohn unternommen hatte, als er Materialien und Werkzeug auf seinen Schultern zur Baustelle schleppte. Das Gelände war dicht überwuchert mit Büschen und Ranken, in denen sich der Karren immer wieder verfing. Das größte Problem bestand aber darin, dass sie sich keinen Pfad schlagen konnten, wenn sie vermeiden wollten, dass irgendwann ein einfacher Wanderer ihrer Spur folgen und so unweigerlich Lasairs Unterschlupf entdecken würde.

ElementesängerWhere stories live. Discover now