6. Aufruhr in Imréitigh

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Fionna hatte sich, bei Milch und Brot,  bald ein bisschen beruhigt, erzählte nun ausführlicher, was sie vermutete: "Irgendeine Tragödie hat sich dort abgespielt. Das hier", sie wedelte mit dem Stoffrest, "ist eindeutig ein Männerkittel gewesen. Und ein Kind muss es dort auch gegeben haben, sonst hätte ich ..." Sie verstummte.

Gry und Grádan versuchten, ihr die Vorstellung von der verbrannten Familie auszureden. "Wenn dort wirklich Leute gewohnt hätten", sagte Lasair, "dann wären sie uns hier doch sicher nicht unbekannt geblieben. Bestimmt wären sie irgendwann im Ort aufgetaucht - oder bei der Mühle."

Fionna nickte, wirkte aber noch nicht überzeugt. Sie schlug vor, gemeinsam zu dem Ort zu gehen und zu versuchen, ob man nicht Genaueres herausfinden könnte. Obendrein hatte sie ja auch ihre Pilze dort liegenlassen. Die Tischlerfamilie gab sich einsichtig. Grádan sagte: "Das ist eine vernünftige Idee. Lass mich schnell ein Schild an meine Werkstatt-Tür hängen, damit nicht etwa die Leute unnötig lange auf mich warten und sich ärgern."

Er lief aus dem Haus. Die anderen Anwesenden bereiteten sich, während sich Fionna ein wenig säuberte, auf die Wanderung vor. Als der Tischlermeister zurückkehrte brachen sie auf. Gry hatte ein wenig Proviant eingepackt und Lasair trug den schweren Wasserschlauch um den Hals. Wer sie sah, hätte denken können, sie begäben sich auf einen Sonntagsausflug mit Picknick im Walde.

Als sie das Dorf hinter sich gelassen hatten, übernahm Fionna die Führung. Alle waren erstaunt darüber, wie genau die Orientierungsfähigkeit des Mädchens funktionierte. Ohne zu zögern wählte sie stets den richtigen Weg, obwohl es keinen erkennbaren Pfad gab.

Auf diese Weise gelangten sie im Handumdrehen zu der Stelle, an der Fionna ihre Kiepe zurückgelassen hatte. Sie wollte sie aufsetzen, aber Lasair kam ihr zuvor und lud sich das schwere Behältnis auf den eigenen Rücken, was ihm ein ein Lächeln von der hübschen Müllerstochter einbrachte.

Wenig später erreichten sie die Stelle, an der sich noch vor einem Monat Lasairs Refugium befunden hatte. Sie standen schweigend da und man konnte den Schrecken in den Augen der Eltern erkennen. Lasair trat vor und tat, als untersuche er die verkohlten Reste und die Ascheablagerungen. Er hob hier ein Holz auf und ließ dort Asche durch die Finger gleiten ...

Schließlich kehrte er zurück und sagte: "Nein, gewohnt hat hier sicher niemand. Man müsste Reste von Vorräten finden, irdene Behälter und dergleichen. Nichts Derartiges ist hier." Nun erhob Grádan die Stimme: "Ich denke, dass hier irgendwelche Wanderer ihr Lager aufgeschlagen hatten. Vielleicht sind die Sachen, die du gefunden hast, von denen nur zurückgelassen worden, vor langer Zeit?"

Fionna hegte noch Zweifel. Sie lief um die Brandstelle herum und verschwand im Wald. Die Erkenntnis, was sie dort finden musste, durchfuhr Lasair wie ein Blitzstrahl. Er gestikulierte seiner Mutter ...

Gry erschrak. Sie eilte dem Mädchen nach, ohne eine Idee, was sie denn tun würde, wenn diese Lasairs Grotte entdecken sollte. Sie missachtete die Zweige, die ihr ins Gesicht peitschten, stürzte über Wurzeln und rappelte sich wieder auf. Doch sie kam zu spät.

Als sie um die Felsnase bog, prallte sie mit einer schreienden Fionna zusammen, die wie von Furien gehetzt davon rannte, dem Dorfe zu. "Biotáille Dóiteáin!", rief die Müllerstochter immer wieder - "Feuergeister!"

Die beiden Männer sahen sie laufen, aber keiner von ihnen konnte sie erreichen und ansprechen oder aufhalten. Was sollten sie tun? Nach einigen Augenblicken kam auch Mutter Gry zurück. Sie japste nach Luft und gestikulierte wild. Als sie heran gekommen war, schnaufte sie: "Wir müssen die Spuren beseitigen, in der Grotte!"

Das erweckte Lasair aus seiner  Starre. Er schüttelte den Kopf und  eilte zu seinem Übungsplatz hin. Kurz danach hörte man ein leises Singen und ein Rutschen wie von feuchter Erde. Die beiden Löscheimer, die er entfernt hatte, brachte er zum Wasserfall, wo er sie hinter dem stürzenden Nass verschwinden ließ.

Als er zurückkehrte, hatte er ein verschmitztes Grinsen im Gesicht. Gry und Grádan rannten zur Grotte. Dort standen sie verblüfft still. Von der Grotte war nur eine kleine Nische geblieben, in der ein paar zarte Pflänzchen wuchsen. Nichts erinnerte an Hitze oder Feuer, sondern man konnte deutlich erkennen, dass die Erdschicht des Hanges abgerutscht war - anscheinend durch Wasser abgespült.

"Wie hast du ...", setzte Grádan an, aber sein Sohn schüttelte nur den Kopf. "Feuer kann nicht nur brennen", lautete seine Antwort. Nun machten sich die drei Verschwörer auf den Heimweg. Doch sie hatten noch nicht die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als ihnen eine Horde wild entschlossener Dorfbewohner entgegen brandete.

"Wo ist es?", brüllte der Sohn des Ältesten. "Führt uns hin!", forderte die Meute.
Grádan hielt an. "Wo ist was?", erkundigte er sich, unschuldig drein blickend.
"Der Feueraltar, natürlich!" Das kam vom Müller höchstpersönlich. Er hatte sich auf die Suche nach Fionna gemacht gehabt, als sie nicht nach Hause gekommen war. Und genau im Ort hatte er sie gefunden. Nun eilte er hinter dem Schmied und dem Ältestensohn drein, fest entschlossen, die Feuergeister zu besiegen.

"Ihr irrt!" Gry trat lächelnd vor. "Fionna hat eine abgebrannte Hütte gefunden und wir haben sie begleitet, um zu sehen, was da los sei. Wir haben keine Leichen gefunden, aber auch keine Reste von Geschirr oder anderem Hausrat. Deshalb glauben wir, dass dort nur ein paar Wanderer gerastet haben, deren Feuer vielleicht das Haus vernichtete, als sie weiterzogen."

Lasair übernahm: "Dann ist Fionna in den Wald gelaufen. Meine Mutter ist ihr gefolgt, aber ehe sie sie erreichen konnte, kam sie bereits schreiend zurück und lief ins Dorf. Wir haben alles abgesucht, konnten aber nichts Beunruhigendes entdecken. Weder ein Altar noch irgendwelche Feuerspuren sind hier zu finden, sieht man einmal von den Hüttenresten ab."

Fionna sprang hervor und rief: "Ich habe es gesehen! Ich habe ..."
Diesmal unterbrach sie Grádan. "Wenn du dich nicht getäuscht hast, dann führe uns bitte zu dem Ort!"

"Führe uns! Führe uns!" Die Rufe wurden lauter und drängender. Fionna nickte schweigend und lief voraus. Die verunsicherten Dörfler folgten ihr, so schnell das im Dickicht möglich war. Nach einigen Momenten begannen die Ersten, mit den Messern und Äxten, die sie zu ihrer Verteidigung mitgebracht hatten, eine Schneise in Busch und Gestrüpp zu schlagen.

Als der letzte Dorfbewohner an der Brandstelle anlangte, hatte sich ein deutlich erkennbarer Pfad gebildet, getrampelt von den Stiefeln und schweren Hozschuhen der Kiroyim. Man versammelte sich und einige begannen, alles eingehend zu untersuchen. Das dauerte eine Weile, aber als alle alles gesehen hatten, brummelte der Schmied: "Scheint so zu sein, wie Grádan gesagt hat. Verbrannt ist hier sicher niemand."

"Der Altar ist dort hinten!" Fionna schrie es und lief auch sofort los. Wie eine Herde wilder Tairbh folgten ihr die Untersucher. Doch als sie um den Felszacken bogen, erstarrten alle. Da war nichts, das auch nur im Entferntesten dem Bericht der Müllerstocher ähnlich gewesen wäre. Vornan stand Fionna und starrte mit offenem Munde auf die erdbedeckte Felswand.

"Das ist, was wir fanden, als wir in die Richtung gingen, aus der Fionna gelaufen gekommen war." Gry nickte bedächtig. "Alles andere kann nur der Aufregung über die Brandstelle am Haus entsprungen sein."

Ein leises Murmeln breitete sich aus. Dann machten die ersten Dörfler kehrt und trotteten den nun schon leicht schlammigen Pfad entlang, nach Hause. Nur Fionna blieb und begann, mit den Händen die Erde aufzuwühlen. Bald tropfte Blut von ihren Fingern, doch sie ließ nicht locker, grub, riss und suchte.

"Da ist nichts, wirklich." versuchte Lasair, sie zu beruhingen. Aber er blieb erfolglos.
"Ich habe es ... gesehen! Es ... war ... hier", stieß das Mädchen hervor, während sie wie besessen die Erde furchte.

Endlich trat Grádan heran und hob sie mit seinen starken Armen auf die Füße. Sie wandte sich um und schluchzte an seiner Brust.
"Aber, ... aber ich, ich habe ..."

"Schhhhht! Ruhig, ganz ruhig!", murmelte der Tischler und warf seiner Familie einen hilfesuchenden Blick zu.


ElementesängerTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang