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„Komm" rief er schon fast und zog mich ohne weitere Aussagen aus den Restaurant, dass bereits mucksmäuschenstill wegen uns war. Das einzige was man noch hören konnte, war das Streichquartett, die vom Chef gezwungen wurden weiter zu spielen.

Als wir endlich von der peinlichen Situationen entkamen und an der frischen Luft waren, stolzierten wir still nebeneinander die Straße entlang zu seinem Auto, dass allerdings einwenig weiter weg stand.
Die Nacht war dunkler als andere und die Sterne konnte man deshalb noch deutlicher sehen. Sie waren das einzige was mich in diesem unangenehmen Moment interessierten. Sie lenkten mich ein wenig von der eigentlichen Diskussion ab. Der eiserne Wind wehte durch meine Haare und das unregelmäßige Klappern meiner Stöckelschuhe war auf dem Beton deutlich zu hören.
„Bilde dir jetzt ja nichts ein!" schnaufte er auf einmal aus der Stille und steckte gelassen seine Hände in die Hosentaschen.
Verwirrt schaute ich ihn kurz an und runzelte meine Stirn. „Was meinst du?" fragte ich ihn schüchtern nach und versuchte mit seinem flotten Gang, schritt zu halten.
„Als ich dich vorhin, bei der Kellnerin angesehen habe." Mit einem schweren Schlucken setzte er fort. „Ich schaue Frauen wie dich nie mit diesem Blick an"
Nickend und schwelgend ging ich weiter. Ich hatte keine Ahnung was ich darauf sagen sollte. Welchen Blick meinte er überhaupt? Den, als er mich mit einem schmutzigen Grinsen bei Tisch angelächelt hatte, oder den, als er mich wütender als alles andere auf dieser Welt musterte, oder doch eher den Letzten, vor dem Ausgang. Den Blick, wo er halbwegs nett aussah.
Ich wollte die Situation nicht noch komplizierter machen, also schwieg ich einfach und kuschelte mich mit meinem Kinn in den Mantel, um mich zu wärmen.

Nach ein paar stillen Minuten, die sich anfühlten wie mehrere Stunden, konnte ich auch schon Christian bei einem schwarzen Auto stehen sehen. Seine Hände waren in seinem Sakon vergraben und sein Kopf sah nach oben in den Himmel. Er starrte wie ich immer in die Sterne.
„Wo wart ihr denn?" Fragte Christian uns beide, als er unsere flotten Schritte hören konnte und betrachtete uns. Dank der Straßenlaterne konnte ich alles im Dunkeln sehen.
„Sie geht langsam, das ist alles" zischte Dylan zurück und sperrte das Auto auf.
Kontrollierend sah Christian mich an, doch ich nickte bloß irritiert. Ich wollte keinen Streit zwischen den Jungs auslösen.
Schnell hüpfte Dylan in das Auto, ohne ein letztes Wort zu sagen.
Freundlich lächelte mich Christian plötzlich an und öffnete mir charmant die Beifahreseite des Autos, doch ich lehnte dankend ab.
Stattdessen stieg ich unauffällig auf die Rückbank ein und setzte mich in die Mitte. Ich wollte Christian nicht von seinem Platz verdrängen.
„Wo wohnst du?" fragte mich Dylan barsch, nachdem Christian schlussendlich auf die Beifahrerseite einstieg. 
„Hellingstreet 4" antwortete ich leiser und schnallte mich vorsichtig an. Ich spürte, das mein Körper verspannt war und mein Atem unregelmäßig. Ich fühlte mich fremd und anhänglich. Ich kannte die beiden doch gar nicht richtig, und nun sitze ich mit ihnen in einem Auto. Vielleicht ist Christian genauso ein riesen Arsch wie Dylan, doch er verstellt sich bloß, damit er mein Vertrauen gewinnt.
Nachdenklich saß ich da und bemerkte gar nicht, dass wir bereits los gefahren waren. Kopfschüttelnd musterte ich Chtistian von der Seite. Seine dunkelblonden Haare waren perfekt gestylt und seine blaugrünen Augen fesselten einem fast wie Dylans.
Er sah normal aus und war nett. Ich redete mir bloß wieder Unsinn ein.
Ich wagte einen kurzen Blick zu Dylan, der konzentriert auf die dunkle Straße starte. Entspannt lag sein rechter Ellbogen am Rahmen vom offenen Fenster und und mit seiner linken Hand umfasste er locker das schwarze Lenkrad.
Im Gegensatz zu Christian kam Dylan lockerer und spontaner herüber.

„Könntest du aufhören mich anzustarren?" knurrte Dylan mit einer wütenden Stimme aus der Stille, dass mich zum zusammen Zucken brachte. Rasch saß ich noch steifer, als zuvor da und blickte kurz zu Christian, der bloß mit einem Schmunzeln da saß und gerade aus, in die Ferne blickte.
„Sorry" murmelte ich verlegen und wischte mir meine entkommende Haarsträhne hinter mein Ohr. Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht schoss, doch zum Glück war es finster genug, dass es die anderen nicht sehen konnten.
Kurz wagte ich einen erneuten kurzen Blick in den Rückspiegel und suchte Dylans Augen. Ich wollte wissen, ob er mich immer noch registrierte, doch es schien als ob er das Thema in Ruhe lies. Am liebsten wollte ich einfach nur aus den fahrenden Auto springen und weg laufen.

Als ich nach gefühlten hundert Jahren endlich mein Haus vom Fenster aus erblicken konnte, schaffte ich es wieder richtig auszuatmen. Ich wollte so schnell wie möglichst hier raus.
„D-Du kannst mich hier schon raus lassen. Den Rest schaffe ich auch alleine" stottette ich und deutete auf den Straßenrand.
„Die paar Sekunden wirst du auch noch schaffen" lachte Christian und sah kurz zu Dylan hinüber, der allerdings kein Lächeln im Gesicht hatte. Sein Gesicht sah eher gelangweilt und ernst aus.

Als dieses Auto endlich vor meiner Haustür stehen blieb riss ich schnell die Tür auf und atmete tief durch.
„Also... Danke" krächzte ich und sah zwischen den beiden Jungs hin und her. Wie sollte ich mich nun verabschieden?
Händedruck? Umarmung? Oder doch einfach nur ein 'Tschüss'?
„Vielleicht können wir das ja wiederholen" schlug Christian höflich vor und deutete auf sein Handy, das er aus seinem Jacket heraus holte.
Mit aufgerissenen Augen nickte ich reflexartig. Diese peinliche Stimme wiederholen? Alleine bei diesem Gedanke wurde mir übel.
Gezwungen von meiner netten Seite, holte ich ebenfalls meim Handy aus der Jackentasche und sagte ihn meine Nummer an, die er sich fleißig in sein Handy tippte.
„Cool" antwortete Christian nochmals und verabschiedete sich mit einem normalen 'Tschüss'.
Für ein paar Sekunden wollte ich noch auf Dylans Worte abwarten, doch dann viel mir wieder ein, dass er unsympathisch war.
Schnell hüpfte ich aus dem Auto und schmiss mit Magenkrämpfen die Autotür zu.
Angespannt torkelte ich zur Haustür. Das war der schlimmste Abend in meinem Leben!
Ich hatte meinen eigenen Stiefbruder geküsst!

Rote UnterwäscheWhere stories live. Discover now