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Ich fühlte Nichts, außer Leere. Ich hatte seit Tagen nichts gegessen, oder Kontakt mit anderen Menschen. Es besuchten mich zwar regelmäßig Bekannte und Verwandte, allerdings schickte ich sie nach ein paar Minuten mit meiner Stille wieder weg. Ich hatte nach nichts Verlangen. Nicht einmal zu weinen. Für mich hatte ich genug getrauert.
Regungslos saß ich am Bett unter meiner Decke eingekuschelt und starrte in die Weite. Ich hörte ab und zu Schritte vor meiner Tür von außen, allerdings war es bloß jedes Mal Dylan der nur in sein Zimmer ging. Er sah jeden Tag einmal nach mir, doch ich fühlte nichts mehr wenn ich ihn sah. Das Gefühl wie früher, als er mich mit seinen grünen Augen musterte und somit ein Kribbeln in meinen Bauch verursachte, war nicht mehr aufzufinden. Als wären all meine Gefühle abgestorben. Ich bemühte mich aber nicht einmal mehr etwas zu fühlen. Erinnerungen mit Freude zu verbinden, war für mich wie fremd.

„Jasmin?" ertönte plötzlich die Stimme von Nora. Ich hatte nicht einmal bemerkt, das sie in mein Zimmer kam.
„Wie gehts dir?" fragte sie mich mit betrübter Stimme und näherte sich meinem Bett. Ich antworte nicht.
„E-Es muss hart für dich sein" sprach sie weiter, als würde sie meine gelangweilte Mimik nicht registrieren. „Nathan ist vom Krankenhaus raus. Ich dachte mir, vielleicht würde dich das interessieren" teilte sie mir mit und sah beschämt auf den Boden herab. Es war ihr unangenehm in meiner Anwesenheit alleine zu sein, allerdings hatte sie es nun geschafft meine Aufmerksamkeit zu bekommen.
„Wo ist er jetzt?" ertönten die ersten Worte aus meinem Munde seit Tagen.
Erschrocken sah sie mich erleichtert an. „Zu Hause" antwortete sie mir überglücklich und kam einen kleinen weiteren Schritt auf mich zu.
„Ich will ihn sehen" sprach ich monoton und warf die Decke von mir ab.
„So-Soll ich dich zu ihm fahren?" fragte sie mich erstaunt und verfolgte jeder meiner Bewegungen.
Nickend zog ich mir ein frisches Shirt und meine Jeans über, bevor ich anschließend zur Tür stürmte. „Schnell" befahl ich ihr und riss die Tür auf, das ich direkt Dylans Brust in Blick hatte. Überrascht sah er an mir herab und tauschte fröhliche Blicke mit Nora, die knapp hinter mir stand, aus.
„Wo wollt ihr hin?" fragte er neugierig nach.
„Nathan" antwortete ich barsch, bevor es Nora tun konnte und ging weiter den Flur, Richtung Treppen entlang. Und schon schien Dylan nicht mehr so glücklich. Besorgt stolzierte er uns beiden hinterher.
„Warum?" hackte er weiter nach und blieb mit uns vor der Haustür stehen, währenddessen ich mir eine Jacke überzog.
Schulterzuckend sah ich ihn kalt an. Um ehrlich zu sein wusste ich es selbst nicht. Doch Noras Nachricht erregte seit den Tod meiner Mutter, die ersten Verlangen in meinen Körper. Doch nicht weil ich Nathan vermisste. Nein. Sondern weil ich Lust dazu hatte. Und ich hatte Angst diese seltene Lust wieder zu verlieren, wenn ich mir Zeit lies.
Mit einem letzten Blick zu Dylan, der mich mit Sorgesfalten ansah, stürmte ich aus dem Haus. Ich spürte die kalte Luft an meiner Haut, doch es störte mich nicht. Im Gegenteil. Die Kälte zog mich eher an. Mit raschen Schritten auf das Auto von Nora zu, atmete ich tief aus, das sich eine Nebelwolke vor meinem offenen Mund bildete.
„Warte" stöhnte Nora hinter mir und kramte die Autoschlüssel aus ihrer Jackentasche heraus.
Sobald ich das Geräusch des entlocken vom Auto hörte, stieg ich ohne lange zu Warten auf der Beifahrerseite ein und schmiss die Tür brutal hinter mir zu. Die Fensterscheiben waren leicht angeschlagen und die Wärme war bereits von vorhin erloschen. Mit dem Blick geradeaus konnte ich die lange Straße perfekt entlang sehen. Die Bäume, die links und rechts angepflanzt wurden, hatten ihre Blätter verloren und die Menschen trugen bereits alle Winterjacken. So kalt schien es mir gar nicht.
Als Nora endlich eingestiegen war steckte sie den Autoschlüssel in das Loch und startete den Motor, doch bevor wir los fuhren, öffnete sich auf einmal auf der Rückseite die Autotür, das uns beide nach hinten sehen lies. Dylans grinsendes Gesicht sah mich direkt an.
„Na Ladys?" spottete er und schloss die Tür hinter sich. „Warum fahren wir noch nicht?"
Mit einem gehobenen Mundwinkel parkte Nora langsam aus und fuhr die Straße entlang, Richtung Nathan. Ich fand Dylans Aktion weder amüsant, noch schlecht. Mir war es schlicht und einfach egal was er tat. Er musste damit zurecht kommen Nathan und mich zusammen in einem Raum zu sehen. Nicht ich.

Als wir endlich ankamen, sprang ich bereits aus dem noch langsam rollenden Auto hinaus, das Nora zu einer Notbremse zwang. „Jasmin!" kreischte sie erschrocken auf und sah nochmals kurz zu Dylan nach hinten, der einfach bloß Achselzuckend mir hinterher sah.
Ich musste mich beeilen. Ich spürte wie das Verlangen Nathan zu sehen langsam in mir erlosch. Die Leere in mir fras pro Sekunde immer mehr in mir auf.
Marschierend lief ich zu Nathans Haus und klingelte Sturm, das auch schon nach wenigen Minuten seine Mutter die Tür öffnete.
„Jasmin" sprach sie überrascht meinen Namen aus. „Es ist so tragisch, was mit deiner Mutter passiert ist" hang sie noch schnell schluchzend hinten daran und hielt sich die Hand vor ihren Mund.
Mit verdrehten Augen schubste ich sie auf die Seite, das sie mit voller Wucht gegen die Wand klatschte. Ich fiel nicht auf ihre falschen Mitleidstränen in den Augen rein.
„Nathan!" brüllte ich lauthals durch das Haus und rannte die Treppen nach oben, wo sich ebenfalls sein Zimmer befand. Panik durchlief meinen Körper. Doch nicht wegen Aufregung ihn wieder gesund zu seheh, sondern weil ich mir sicher war, das meine Lust nicht mehr lange anhalten würde.
So schnell ich konnte riss ich ohne zu Klopfen seine Zimmertür auf und stürmte geradwegs hinein. Allerdings war da keiner. Ich befand mich in einem leeren Raum, wo sich keine menschenseele befand.

„Ist er nicht hier?" fragte Nora, die ebenfalls schon mit Dylan angekommen war und im Türrahmen nebeneinander standen.
Kopfschüttelnd betrachtete ich beide nachdenklich, bis ich das leise Geräusch von Wasser im Hintergrund wahr nehmen konnte.
Blitzschnell quetschte ich mich an beiden vorbei, das Dylan von mir gegen den Holzrahmen gepresst wurde. Ich konnte die verwirrten Blicke von beiden in meinem Rücken spüren, als ich zum Badezimmer lief, als ginge es um mein Leben. Gewissermaßen war es ja auch so. Immerhin gehörten Gefühle, Bedürfnisse und Verrlangen zur Menschlichkeit dazu.
„Nathan!" schrie ich nochmals laut auf und öffnete die Badezimmertür, wo mir anschließend direkt gleich Dampf von der Dusche entgegen schwirrte.
„Jasmin?" hörte ich endlich Nathans Stimme hinter dem Duschvorhang erklingen.
Langsam ging ich in das Badezimmer und sah wie sich Nathans Hand nach einem Handtuch ertaste. Mit Erfolg.
„Willst du ihn nicht später sehen?" fragte mich Dylan hinter mir und schnappte meine Hand, doch ich riss mich schnell wieder los.
Böse sah ich ihn an. „Lass mich!" knurrte ich und drehte mich anschließend wieder um.
Und da sah ich ihn. Nathan. Mit freiem Oberkörper und hinter einem blauen Handtuch sein wichtigstes Stück versteckt.

Doch nichts war. Die Lust war nun befriedigt. Das hieß ich spürte wieder nichts. Weder Erleichterung, das er den Autounfall so gut überstand, noch sonst was. Mein Blick war wieder leer, doch Nathan schien dies nicht zu erkennen, denn anstatt das er mich fraglich wie alle anderen ansah, stürmte er auf mich zu und packte mich an der Taille, um anschließend seine Lippen an meine zu pressen.

Rote UnterwäscheWhere stories live. Discover now