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„Was soll ich tun?" Rief ich panisch durch die Gegend im Diner, am nächsten Tag bei meiner Schicht und starrte Nathan mit großen Augen an. Selbstverständlich hatte ich ihm nicht erzählt, das Dylan eigentlich mein Hauptproblem ist, deshalb wird er höchstwahrscheinlich meine Panik nicht allzu sehr nachvollziehen können. Immerhin würde ich so und so nicht mehr lange bei meiner Mutter leben.
Doch trotzdem tat es gut, jemandem von meinem Umzug zu berichten.
„Jasmin.." seufzte er und saß gelassen auf einem Barhocker. „Die meiste Zeit wirst du sowieso nicht zu Hause sein. Die Arbeit, die Schule und dann noch deine Freizeitaktivitäten..." zog er die einzelnen Worte ganz lange hinaus. „Und außerdem hast du dich doch so sehr gefreut wieder eine richtige Familie zu haben"
Mit dem letzten Punkt musste ich ihm recht geben. Doch das hatte ich mir doch auch schon selbst zugegeben.
„Schon, aber jetzt ist auf einmal alles so... so real!" Wurde ich schon wieder etwas lauter und sah mich nervös um, ob jemand kommt, doch heute war eher ein ruhigerer Tag.
„Gönn es deiner Mutter doch einmal" lachte er und sah mich dabei schief an. Seine Ellbogen waren an der Theke abgestützt und sein Rücken lehnte leicht gegen die Platte, der Bar. „Und gönn es dir einmal!" Hang er noch schnell hinten dran und hob beide Augenbrauen an, doch ich hatte keine Ahnung was er damit meinte. Fragend sah ich tief in seine Augen.
„Seit dem Tot deines Vaters, hast du jeden einzelnen Mann abgeschoben, den deine Mutter mit heim gebracht hatte, außer Harry. Es ist schon klar, das man lange braucht sowas zu verarbeiten, allerdings ist es schon eigenartig das ausgerechnet Harry bei deiner Mutter blieb, trotz manch Wutausbrüchen von dir" grinste er und schüttelte dabei leicht den Kopf, als er sich an die ganzen Ereignisse kurz zurück erinnerte.
Nathan hatte recht. Harry und ich verstanden uns nicht gleich auf Anhieb. Ich hatte ihn davor versucht zu verscheuchen, wie ich es bei all den anderen Männern auch getan hatte, doch Harry lies es nicht zu. Er lies meine ganze Negative Aura nicht an ihn heran. Und ich weiß bis heute nicht, wieso.
Bei jedem Mann hat es mindestens bei der Stelle gereicht, als ich bei deren Arbeit angerufen hatte und ihnen vorgeworfen habe, das sie sich an meiner Mutter und mir vergriffen hatten.
Aber bei Harry konnte ich eben niemanden anrufen, außer bei seinem Sekretär.
Harry war bereits sein eigener Boss.
Doch mittlerweile habe ich ihn in mein Herz geschlossen, allerdings auch nicht so viel, das ich scharf darauf wäre für ihn ins kalte Wasser zu springen und mit Dylan in einem Haus zu wohnen. Vor allem nach der Aktion am See, war er komplett unten durch bei mir. Ich hatte diesen Jungen abgeharkt.
Es warten da draußen auf der Welt noch weitere Dutzend Menschen, die mich so lieben, wie ich bin. Und nicht meinen Namen vergessen.
„Du hast ja recht" schnaufte ich ungern und atmete tief durch. Was blieb mir denn auch schon über? Nichts. Ich hatte weder genug Geld für eine eigene Wohnung, für mich alleine, oder geschweige denn Nerven für Stress mit ihm, jeden einzelnen Tag.
Jede Sekunde war sogar schon zu viel, wenn ich an ihn auch nur dachte.

Nach der Arbeit, als ich zu Hause angekommen war und ich müde in das Wohnzimmer schlenderte, saß dieses Mal nur meine Mutter mit einem Kaffee und einer Zeitschrift in der Hand, auf der Couch und beachtete mich nicht. Sie war wie besessen von diesem Magazin.
Mit halb geschlossenen Augen schmiss ich mich ebenfalls auf die Bank und massierte mir mit einem Stöhnen meinen Nacken. „Was gibts neues in der Welt da draußen?" Fragte ich sie und sah sie mit der Hand an meinem Hals an und musterte die Zeitung, wo am Cover eine riesengroße Küche eingebildet war und darunter -50% stand. Sofort riss ich meine Augen auf und vergas meinen ganzen Schmerz am Nacken.  
„Mom? Was liest du da?" Fragte ich sie dieses Mal geschockter und lauter und riss ihr ohne auch nur zu antworten das Magazin aus der Hand und las mir die Seite durch, auf die sie die ganze Zeit starrte.
„Da sind tolle Angebote drinnen, Schätzchen. Schau doch mal weiter nach vorne. Da sind tolle Möbel für dein neues Zimmer" antwortete sie mir schließlich und nahm einem kräftigen Schluck von ihrer Tasse.
„W-Wann werden wir denn genau umziehen?" Erkundigte ich mich steif und legte die Zeitschrift auf die Seite. Ich konnte es nicht fassen, das sie bereits für neue Möbel nachsah. Dauerte denn nicht ein Umzug bis zu einem Jahr, mit dem ganzen kaufen und dem lauter Verträgen mit dem Makler?
„Harry und ich überlegen schon die ganze Zeit zwischen nächster Woche, oder übernächsten" ihr Blick war ernst. Das bedeutete sie meinte ihre Aussage auch ernst. Blass saß ich da und wusste nicht was ich darauf sagen sollte. Ich war noch nicht bereit. Weder mental, noch körperlich. Ich sah es jetzt schon, wie ich Dylans Gesicht jeden Tag ertragen muss.
„Was findest du besser?" Fragte sie mich nach Rat und klopfte mir dabei aufmunternd auf den Oberschenkel.
„Übernächste" schoss es aus meinem Mund, als hätte ich überhaupt nicht darüber nach gedacht, doch das habe ich sehr wohl. Umso später, desto besser. Grinsend sah ich sie an und versuchte mir keine weiteren Zweifel anmerken zu lassen.
„Findest du? Ich hätte nächste Woche mehr im Sinn gehabt. Ich denke mir, desto schneller haben wir den ganzen Umzugsstress hinter uns, oder etwa nicht?"
Nickend blickte ich auf den Boden. Jedes ihrer Worte waren wie qualvolle Messerstiche in meiner Brust.
„Wir wollten uns sowieso morgen bei ihm treffen, um das alles zu besprechen. Du kannst ja mitkommen, wenn du willst"
So sehr ich auch Respekt davor hatte, wie sich meine Mutter bemühte unsere verkorkste Beziehung zu verbessern, indem sie mich in jede Kleinigkeit involvieren wollte, musste ich gestehen das es manchmal ziemlich nervig war. Sie musste endlich einsehen, das niemals zwischen uns ein Mutter-Tochter-Ding sein wird.
Dafür war sie um ein paar Jahre zu spät dran.
„Vielleicht kannst du uns ja noch überzeugen, warum du den Termin auf übernächste Woche verschieben magst" lächelte sie. Erst jetzt realisierte ich, das ich total abwesend war, denn die Zeitschrift, die ich neben mich, auf die Bank gelegt hatte, war bereits wieder in den Händen von ihr gelangt.
„Hört sich gut an" log ich mal wieder und starrte panisch auf das Cover der Zeitschrift.
Mir war bei der ganzen Situation unwohl.

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