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Mein Herz schlug schnell.
Ich saß in einer Limousine mit abgedunkelten Scheiben.
Der Fahrer, der mich aus dem Heim abgeholt hatte, Harris hieß der Mann in den fünfzigern.
Als er immer tiefer in den Wald abbog, war ich kurz davor das Messer aus meinem Stiefel zu ziehen, dass ich immer bei mir trug.
Oder die Waffe, die sich in meinem abgeranzten Rucksack befand.

,,Sind Sie sicher, dass Sie hier richtig sind?", fragte ich mit normal klingender Stimme, auch wenn sich Panik in mir ausbreitete.
Unauffällig fuhr meine Hand zu der Waffe, in meinen Rucksack, der neben mir auf der schwarzen Ledersitzbank stand.
Als Harris mir nicht antwortete, wie auch auf die letzten Fragen, die ich ihm gestellt hatte, packte ich den Griff der Waffe in meinem Rucksack fester.
Das war das einzige, was mir von meinen Eltern geblieben war. Genauer gesagt von meinem Dad.
Meine Mom war schon bei meiner Geburt gestorben, so hatte er es mir immer versichert.
Mein Dad starb als ich 13 war bei einem Autounfall. Ich wusste, dass er eine Waffe besessen hatte, auch wenn er sie illegaler Weise hatte. Also hatte ich sie mir genommen, bevor die scheiße mit den Pflegefamilien anfing.
Alle zwei Monate eine neue.

Mein Herzschlag beruhigte sich etwas, als Harris vor einem Haus hielt. Es war zwar mitten im Wald, aber wenigstens sah das Haus, welches komplett aus Holz bestand und ein wahrer Klotz war, bewohnt aus.
Harris stieg aus und schloss seine Tür.
Hektisch stopfte ich mir mein Messer in meine Jackentasche, meiner Jeansjacke und umgriff es fest.
Ich wollte die Tür aufreißen, aber sie ging nicht auf.
Gerade wollte ich mich auf einen der vorderen Sitze pressen und von da aus, aus dem Auto kommen, als Harris mir die Tür öffnete.
Das schien irgendwie ein Zeichen zu sein, denn genau in dem Moment kam ein Mann heraus.

Ich staunte über die Autorität die er verstrahlte.
Ich fluchte in meinem Kopf lauter Sachen, die echt hart waren, als seine dunkel Grünen, tiefen Augen aufblitzten und er mit verschränkten Händen auf mich zu kam.
Als ich den Kühlen, braunen Griff des Messers an meinen Fingern fühlte, beruhigte ich mich gleich etwas. Mein vor Panik schlagendes Herz schlug etwas langsamer.
Der Fremde lächelte komisch.
Scheiße, dass machte mir Angst.
Fest umschloss ich den Henkel meines Rucksacks.

,,Hallo, Chloe." Seine Stimme war so dunkel, dass ich im inneren zusammenzuckte.
Ich biss nur die Zähne zusammen und streckte meinen Rücken durch.
Verdammt, ich durfte keine Schwäche zeigen. Ich war kein Schwächling.

,,Wer sind Sie?"

Er sah meine angespannte Haltung, meinen zusammengepressten Kiefer und meine Achtgebende Art.
Er ging einen Schritt zurück.
Gut.

,,Nenn mich James. Du kannst mir vertrauen, Chloe. Lass uns rein gehen."

,,Ich werde niemanden vertrauen, den ich nicht kenne. Erklären Sie mir ausführlich wer Sie sind, was Sie von mir wollen und warum Sie sich mein Verwandter nennen, erst dann werde ich dieses Haus vielleicht betreten", sagte ich mit distanzierter Stimme.

Er lachte. ,,Komm, ich erkläre es drinne. Ich schwöre, dass ich keine schlechten Absichten habe." James, so wie er sich nannte, hob beide Hände.

Ich kniff die Augen zusammen. ,,Na los, gehen Sie vor. Und Sie, könnten Sie aufhören hinter mir herum zu lungern?", richtete ich mich sowohl an James, als auch an Harris, der am Wagen stand.

,,Du scheinst ja genau zu wissen, was du willst", sagte James, bevor er sich umdrehte und vor mir zur Haustür lief.
Ich blickte abwechselnd nach vorne und nach hinten, weil ich befürchtete jeden Moment angegriffen zu werden.

,,Alpha James", sagte eine männliche Stimme als wir hereintraten. Alpha? Verdammt, wo war ich gelandet? Mir wurde schlecht.

Ein erschrockener Blick fiel auf mich.
Als ich in braune Augen, einer gleichaltrigen Jungens blickte, schüttelte es mich. Er hatte etwas animalischen an sich.
Ich umgriff mein Messer so fest, dass meine Hand wehtat.

,,Nicht jetzt, Ryan."
Der Junge hob beide Hände und trat zurück, aber nicht ohne mir einen Blick zuzuwerfen.

,,Komm in mein Büro." James wollte die Treppen hinaufgehen, aber ich blieb stehen und folgte ihm nicht.

,,Ich bleibe in der Nähe von der Tür", sagte ich, als er sich verwundert umdrehte.

,,Es ist wichtig, Chloe. Oder willst du, dass alle es mitkriegen?" James blickte mich so eindringlich an, dass ich die Zähne zusammenbiss, aber nicht wegguckte.

,,Das ist mir definitiv lieber, als von Ihnen umgebracht zu werden. Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind", erwiderte ich und hob beide Brauen.

,,Schon gut, du bist wohl ziemlich stur, genau wie deine Mom." Er zog beide Brauen zusammen und setzte sich auf die Treppe.
Als er meine Mom erwähnte, kam Neugier in mir auf. Er kannte sie? Ich ließ mir nichts anmerken, als ich mich gegen die Tür lehnte.
,,Komm weg von der Tür, sonst wirst du gleich gegen die Wand gerammt, wenn jemand reinkommt."

Ich biss mir auf die Lippe, um mir eine Bemerkung zu unterdrücken, ich stellte mich an die Wand, schräg gegenüber von James. Ich lehnte mich gegen die Holzvertäfelte Wand.

,,Ich hab keine Ahnung, wie ich anfangen soll." Seufzend blickte er mich an und hoffte auf eine milde Reaktion, bekam jedoch nur ein hochziehen der Augenbrauen.
,,Dein Dad, er ist mein Bruder", haute er einfach raus, während er mich ernst und ehrlich anblickte.

,,Mein Dad hatte keine Geschwister, verarsch mich nicht", erwiderte ich, wobei sich meine Stimme so scharf anhörte, dass sich etwas in mir krümmte. Ich vergaß sogar James zu siezen, so abgetan war ich von seiner Beteuerung.
Was war nur aus der unschuldigen, kleinen Chloe mit den bezaubernden Blauen Augen und den lockigen Schwarzen Haaren passiert?

,,Okay, du glaubst mir nicht, dass war klar. Hier kommt die wahre Geschichte: Als dein Dad, Rick, deine Mom Jessica kennenlernte, war unsere ganze Familie so strickt dagegen, dass ein heftiger Streit entfachte. Ich weiß noch genau, wie Rick wochenlang nur manchmal zum Schlafen nach Hause kam, oder um Essen zu hören." James Blick verschwamm, so als würde er sich wirklich erinnern. Ich gab mich der Illusion hin, dass die Story, die er mir verkaufen wollte, wirklich stimme und das hier mein Onkel vor mir saß.
,,Irgendwann wollten unsere Eltern das nicht mehr dulden. Sie stritten sich so heftig mit Rick, waren so verzweifelt, dass sie ihm ein Ultimatum setzten. Entweder er trennt sich von Jessica, oder er sagt sich von unserer Familie ab. Mom und Dad hätten nie daran gedacht, dass er sich tatsächlich für Jessica entscheiden würde. Als es soweit kam, dass er sich gegen uns entschied, sollte er nur noch seine Sachen packen und von hier verschwinden. Ich habe ihn jahrelang nicht mehr gesehen oder etwas von ihm gehört, bis zu dem Zeitpunkt als er sich dringend mit mir treffen wollte. Als wir uns trafen, erklärte er mir davon, dass Jessica bei deiner Geburt gestorben war."
Ich zuckte zusammen. Es kam mir immer so vor, als würde ich dafür Schuld tragen. James fiel meine Reaktion nicht auf, er redete einfach weiter.
,,Er wollte nur, dass ich Bescheid von dir wusste und wenigstens deinen Namen wusste, falls dir mal etwas passieren sollte. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er wirklich irgendwann sterben würde. Ich wollte mich beim Jugendamt melden, um mich als dein Onkel auszuweisen, aber diese Idioten gaben mir keine Auskunft, sagten mir nur, dass du schon in einer Pflegefamilie wärst und es nach diesem traumatischen Erlebnis schlecht wäre, dich von ihnen wegzureißen. Ich hinterlegte meine Daten trotzdem bei ihnen, in der Hoffnung, dass du dich melden würdest, oder doch zu mir könntest. Jetzt sitzt du vor mir, weil es anscheinend immer eine Menge Probleme gab und sie dachten, du wärst am besten hier aufgehoben."

The hybrid werewolfWhere stories live. Discover now