Kapitel 31 - Suchfunktion

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Kapitel 31 - Suchfunktion

Ich atme einmal geräuschvoll aus. Wie lange ich nicht mehr hier gewesen bin. Es sind nur wenige Wochen, doch es kommt wir weitaus länger vor. Meine Eltern sind, wie beinahe immer, noch in der Praxis, also bin ich alleine. Mein Blick schweift durch das Wohnzimmer, an den etlichen medizinischen Büchern und den vielen Fotos vorbei, bis er an der Uhr, die über der Tür thront, hängen bleibt. Ich habe jetzt noch knapp zwei Stunden Zeit, bis Severus seine armen Schüler entlässt, mit wehenden Roben die Türen durchquert und in seinen Kamin steigt. Also muss ich mich jetzt etwas beeilen.
Schnellen Schrittes durchquere ich das Wohnzimmer und trete auf den Flur. Eine Mischung aus Möbelpolitur und Orchideenduft schlägt mir entgegen und sofort fühle ich mich heimisch.
Ich erinnere mich an die Tage, die ich in den Ferien mit meinem Vater in seiner Werkstatt verbracht habe, nur um ihm, mit baumelnden Beinen auf seiner Arbeitsplatte sitzend, dabei zuzusehen, wie er unsere Möbel restauriert hat. Dieses Hobby hat er sich, als Ausgleich zu seinem doch sehr filigranen Beruf, angeeignet.
Mit klopfendem Herzen und einem Grinsen auf dem Gesicht besteige ich die Treppen, die in den ersten Stock und somit zu meinem Zimmer führen. Beinahe sanft lege ich meine Hand um die Türklinke, ehe ich sie hinunterdrücke. Als ich die Tür aufstoße erfüllt mich eine Wärme, die ich so lange nicht mehr gespürt habe.
In meinem Zimmer hat sich nichts verändert, seit ich weggegangen bin. Die Wände sind in hellem Blau und Weiß gestrichen. Mein großes, weißes Bett steht nach wie vor an der linken Wand und ragt in den Raum hinein. Gegenüber von ihm steht mein Schreibtisch, der zwar voll mit Büchern und Unterlagen, aber dennoch feinsäuberlich geordnet ist. Mein Bücherregal prangt rechts neben der Tür an der Wand und quillt immer noch über. Alles ist so, wie ich es in Erinnerung habe.
Ich lege meinen Kopf zur Seite und betrachte mein ehemaliges Zimmer. Es fühlt sich sehr gut an, wieder hier zu sein. Doch leider treibt mich meine Entschlossenheit an, sodass ich mich nicht länger dem wundervollen Gefühl hingeben kann. Mit drei großen Schritten habe ich mein Zimmer durchquert, sodass ich nun vor meinem Schreibtisch stehe. Ein älterer Laptop steht geschlossen darauf und mir fällt auf, dass in diesem Zimmer kein Körnchen Staub zu finden ist. Meine Mutter scheint hier noch immer jeden Tag zu säubern. Wieder huscht mir ein kleines Lächeln über die Lippen.
Vorsichtig, fast wie, als wolle ich das idyllische Bild nicht zerstören, ziehe ich den Stuhl nach hinten, setze mich darauf, klappe den Laptop auf und drücke auf den großen, blauen Kopf, um ihn zu starten. Ein leises Schmunzeln entfährt mir, als ich daran denke, wie sich Severus mit so einem Ding wohl anstellen würde.
Sofort beginnt der Kühler lautstark zu arbeiten und einzelne Lichter tanzen über den schwarzen Bildschirm, ehe er vollends erwacht. Als er hochgefahren ist, begrüßt mich ein Foto von Harry, Ron und mir. Arm in Arm stehen wir dort in der Küche des Grimmauldplatzes und lachen in die Kamera. Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Es war vor unserem fünften Schuljahr, direkt nach dem Angriff der Dementoren auf Harry. Kurz bevor dieses Bild geschossen wurde, haben Fred und George, um Harry aufzumuntern, einen ihrer Feuerwerkskörper losgelassen, der, ganz aus Versehen, Sirius' Umhang in Brand gesetzt hat. Seine Augen wurden riesig, als er es bemerkte, und er versuchte irgendwie mit seinem Fuß auf den Zipfel seines Umhangs zu treten, um das Feuer zu löschen. Er stellte sich dabei so ungeschickt an, dass er den halben Tisch abräumte.
Ich lache ein fast geräuschloses Lachen, als ich daran denke. Doch dieses bleibt mir beinahe im Hals stecken, als ich auf dem Bildschirm rechts unten in die Ecke sehe. Ich habe fast nur noch anderthalb Stunden Zeit. Schnell fahre ich mit meiner Maus über den Internetbutton und öffne ihn mit einem Doppelklick.

Die Zeit vergeht und ich durchforste immer noch das Internet nach hilfreichen Artikeln. Nachdem ich in die Suchmaschine „Seelenverwandtschaft" eingegeben habe, habe ich diverse Tests von Frauenzeitschriften gefunden „Sind Sie und ihr Partner seelenverwandt?" und mehrere Definitionen verschiedener Enzyklopädien. Gelangweilt habe ich meinen Kopf auf meinem Arm aufgestützt und klicke mich von Seite zu Seite, in der Hoffnung auf den hinteren Seiten etwas Brauchbares zu finden.
Mit jedem Blick auf die Uhr werde ich nervöser. Inzwischen habe ich nur noch eine Stunde Zeit, bis Severus seinen Unterricht beendet. Ich stöhne laut auf. Das ist ja zum verrückt werden.
Auf Seite siebzehn werde ich auf einen Artikel aufmerksam, der sehr vielversprechend und wissenschaftlich klingt. Meine Neugier ist sofort geweckt, weshalb ich mich aufrecht hinsetze und gespannt auf den Link drücke.
Ich beginne zu lesen.

„[...] Es gibt verschiedene, wissenschaftliche Theorien, wie eine sogenannte „Seelenverwandtschaft" zu erklären ist. Die wohl bekannteste ist Folgende:
Der Grund, weshalb zwei Menschen sich so sehr zueinander hingezogen und zugehörig fühlen, ist, dass ihre Atome bei der Entstehung des Universums sehr nah bei einander waren. Atome haben die Eigenschaft, dass sie zurück zu ihren Partneratomen wollen. So kann es passieren, dass im Laufe der Zeit, die zwei Atome, welche bei der Entstehung des Universums zueinander gehörten, wieder zusammenfinden [...]"

Meine Augen verengen sich. Atome? Entstehung des Universums? Ich denke nicht, dass ich etwas damit anfangen kann. Geschlagen schließe ich meine Augen und seufze. Wäre ja auch zu schön gewesen. Ich schließe die Seite und widme mich wieder der Suchmaschine.
Aus einem Impuls heraus füge ich dem Suchbegriff „Seelenverwandtschaft" noch „Zaubertrank" hinzu, auch, wenn es abwegig klingt. Wieso sollte ich im Muggelinternet etwas über Zaubertränke finden? Trotz meiner Zweifel drücke ich auf Enter.
Prompt werden mir mehrere Seiten aufgelistet. Ich überfliege sie alle, bis ich an einem Link hängen bleibe, der mich neugierig macht.
Alte Zaubertränke des Buddhismus"
Ein Versuch ist es wert, also entscheide ich mich dazu, auf den Link zu klicken. Als sie sich öffnet, scrolle ich hinunter bis ich bei „S" angekommen bin und beginne zu lesen.

Seelenverwandtschaft
Der Pectus Proximum – Trank

Der Pectus Proximum – Trank ist einer der ältesten und sichersten Tränke, die es gibt, um eine Seelenverwandtschaft zu bestätigen. Schon vor tausenden Jahren brauten die Guru Rinpoche diesen Trank, um Seelenverwandte zusammen zu bringen. Der Trank muss in ein Seelenglas, ein Gefäß, welches die Form einer Ellipse hat und aus Drachenglas besteht, gefüllt werden. Jeweils ein Tropfen Blut der wahrscheinlich Seelenverwandten muss hinzugefügt werden. Wenn eine Seelenverwandtschaft besteht, beginnt das Gemisch im Innern des Seelenglases hellblau zu leuchten und hört erst damit auf, wenn einer der Seelenverwandten stirbt. Wird dieser jedoch neugeboren, beginnt die Flüssigkeit erneut zu leuchten.

Meine Augen weiten sich, als ich die Erläuterung lese und mein Herzschlag beschleunigt sich. Kleine Schweißperlchen treten mir auf die Stirn. Ist es das? Habe ich wirklich eine Möglichkeit gefunden, wie ich die Seelenverwandtschaft herausfinden kann?
Hastig fliegt mein Blick über die Zutatenliste. Nichts, was Severus nicht in seinem Vorratsraum hat oder was ich nicht in der Winkelgasse besorgen könnte.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich nur noch zehn Minuten Zeit habe. Ich gerate ein wenig in Panik. Wenn Severus bei Harry ankommt und ich nicht dort bin, bringt er mich wortwörtlich um.
Eilig drücke ich auf „Drucken", als auch schon mein Drucker zum Leben erwacht und knarzend die noch weißen Blätter Papier einzieht. Ungeduldig hüpfe ich auf meinem Stuhl auf und ab, den Blick ständig auf die Uhr gerichtet. Neun Minuten.
Was ist, wenn Severus die Schüler früher entlässt? Doch schnell schüttle ich den Kopf. So etwas tut er nicht.
Während ich immer wieder zwischen Drucker und Uhr hin und her sehe, kreisen meine Gedanken um den Pectus Proximum. Wie soll ich ihn brauen, ohne dass Severus es mitbekommt? Woher soll ich, falls es das überhaupt gibt, ein Seelenglas bekommen? Und, was wohl die wichtigste Frage ist, wie bekomme ich Severus dazu, einen Tropfen seines Blutes in ein Gefäß zu tropfen, wenn er nicht mal wissen soll, was ich damit vorhabe? Er wird sich weigern, dass weiß ich jetzt schon.
Ich werde unsanft aus meinen Überlegungen gerissen, als der Drucker ein quälendes Geräusch macht. Mein Kopf ruckt zu ihm herum und ich erkenne, dass das Papier sich staut. Panisch springe ich von meinem Stuhl auf, um das Problem so schnell wie möglich zu beheben. Mein Blick huscht auf den Bildschirm. Sechs Minuten.
Mit zittrigen Händen reiße ich das sich stauende Papier aus dem Drucker und starte den Vorgang neu. Mein Herz schlägt mir inzwischen bis zum Hals und ich trommle ungeduldig und deutlich angespannt mit meinen Fingern auf den Schreibtisch, während ich die Uhr im Blick halte, die erbarmungslos weiter tickt. Fünf Minuten.
Endlich höre ich das Klacken, was bedeutet, dass der Druckvorgang beendet ist. Schnell sammle ich die Blätter ein, verkleinere sie, damit sie in meine Hosentasche passen, drücke auf den Knopf des Laptops, um ihn herunterzufahren, schlage ihn beinahe zu und renne aus meinem Zimmer.
In der Eile schaffe ich es nicht mal meine Tür zu schließen.
Im Wohnzimmer angekommen sehe ich, dass ich nur noch zwei Minuten habe. Ich nehme eine Hand voll Flohpulver, werfe es in den Kamin und springe in die grünen Flammen.

Als ich aus dem Sog des Kamins gespuckt werde, taumle ich kurz, doch fange mich schnell wieder und sehe mich um, um mich zu vergewissern, dass Severus noch nicht da ist. Ich klopfe meine Kleidung ab, um sie von Ruß und Dreck zu befreien, ehe ich leicht panisch durch das Wohnzimmer rufe.
„Wenn Severus fragt, ich bin bereits seit zwei Stunden hier!"
Ein lautes „Okay!" bekomme ich aus der Küche zur Antwort, als hinter mir auch schon der Kamin aufflammt und Severus heraustritt.
Ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen und ich seufze leise.

Komm, unsere Herzen zeigen uns den WegWhere stories live. Discover now