das Interview

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Sobald ich auf die Bühne trete, bereue ich, was ich hier tue. Ich will wieder weg, wieder zurück nach Hause, in mein dunkles Zimmer, das ich in dem letzten halben Jahr so gut wie gar nicht verlassen habe.

Ich fühle mich unwohl, sobald ich die Menschenmenge applaudieren und johlen höre. Das tun sie am Anfang immer. Wie Schafe tuen sie das, was man von ihnen verlangt.

Ich bin froh, meinen schwarzen Kapuzenpullover angezogen zu haben. Da kann ich mich gut drinnen verstecken.

Der Moderator hebt seine linke Hand, um den Applaus zu unterbrechen.

,,Heute haben wir einen ganz besonderen Gast zu Besuch. Vor drei Jahren wurde er mit seiner Band weltberühmt, bis er vor einem halben Jahr von der Bildfläche verschwand. Bitt einen ganz besonderen Applaus für Alain Crevier!"

Ich versuche es auszuhalten, das tue ich wirklich, doch schon nach zehn Sekunden muss ich das Publikum verstummen lassen.

,,Würde es Ihnen etwas ausmachen, nicht zu applaudieren, zu pfeifen oder johlen, solange ich auf der Bühne bin? Dankeschön." Schlagartig wirdes mucksmäuschenstill im Saal und selbst der Moderator hat nicht mehr sein dummes Dauergrinsen im Gesicht sondern guckt irritiert.

,,Es hat mich eine Menge Überwindung gekostet, hierher zu kommen." fange ich an zu reden. ,,Und ich habe auch viel überlegt, ob ich das wirklich tun soll, ich habe sogar eine Pro-und Kontraliste erstellt." Ich krame den zerknüllten Zettel aus meiner Hosentasche und halte ihn hoch. ,,Und wissen sie, welcher Punkt es ist, der mich dazu gebracht hat, hierhin zu gehen? Zu dem ich kein Gegenargument gefunden habe? Es ist die Schuld. Ich bin es Ben und Charlie schuldig, dass ihr alle die Wahrheit erfahrt. Ihr alle solltet die Wahrheit über mich, Ben und vor allem Charlie erfahren.

Damit ich die Geschichte in Ruhe erzählen kann, wil ich, dass ihr alle genauso still bleibt, wir ihr es jetzt gerade seit. Außerdem will ich durch keine einzige Werbepause unterbrochen werden, ich werde mich kurzfassen, dann könnt ihr meinetwegen eine Stunde lang die Werbung laufen lassen, damit ihr euer Geld reinkriegt."

Ich atme einmal tief ein und wieder aus, ignoriere meinen zitternden Atem sowei meine zitternden Hände, schütte das Glas Wasser in mich hinein und setze mich an den Rand der Bühne. Ich fühle mich ein wenig wie vor unseren Auftritten früher. Mit dem Unterschied, dass ich jetzt kein Schlagzeug mehr anfasse und Ben und Charlie mir nicht zur Seite stehen. Gott, wie ich sie vermisse.

,,Ich hoffe ihr alle seid bereit für die unglaublich dreckige Wahrheit meiner Band."

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