der Schulhof

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Unser erster Auftritt war bei weitem nicht so spektakulär, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir alle hatten ziemliches Lampenfieber, schließlich würde uns ja eine gesamte Schule inklusive Lehrer, Eltern und Freunde der Schüler zusehen! Selbst Fleur wurde irgendwann nervös, weil wir alle sie so verrückt machten.

Im Endeffekt waren es allerdings bei weitem ich so viele Leute, wie ich es mir am Abend zuvor in meinem Bett ausgemalt hatte und die wenigsten der Anwesenden interessierten sich für unsere Musik.

Die meisten wollten sich ungestört unterhalten, weshalb wir eine Lautstärkebegrenzung hatten. Und so verbrachten wir unsere Zeit damit, alle möglichen Songs aus den Achtzigern zu spielen, deren Texte Ben jedoch nur im Flüsterton singen konnte.

Immer wieder fragte ich mich, warum die Schule überhaupt eine Band organisiert hatte. Es wäre viel günstiger gewesen, einfach so durch die Lautsprecher Musik abzuspielen, die man dann auch noch so leise wie möglich hätte stellen können. Wir bemühten uns zwar, so leise wie möglich zu spielen, damit die Besucher in ihren Gesprächen nicht gestört wurden.

Ich wurde immer genervter – wir waren keine CD die Musik im Hintergrund abspielt sondern eine Band! Doch sobald ich auf mein Schlagzeug etwas zu stark draufschlug oder das Handtuch, das ich zur Schalldämpfung drauflegen musste, zufällig verrutschte, sah die alte Pasquier mich nur tadelnd an. Da ich keine Lust hatte, weniger Geld als versprochen zu bekommen, spielte ich weiterhin leise.

Als unsere Zeit fast vorbei war, langweilten alle Besucher sich mittlerweile. In der Zeit hatte sich jeder mit jedem unterhalten, jeden Snack am Buffet probiert und da es nicht viel mehr Interessantes gab, begannen die meisten, ihre Sachen zu packen.

,,Leute, das ist unsere Chance!" Schrie Ben plötzlich und begann in voller Lautstärke den Anfang unseres ersten eigenen Songs auf der Gitarre zu spielen.

Ich verstand, was Charlie meinte. Jetzt konnten wir es riskieren, weil die meisten Leute sowieso gingen. Was hatten wir zu verlieren? Die meisten hatten die Musik sowieso ignoriert und das Fest war schon fast vorbei. Die alte Pasquier konnte uns nicht weniger Geld geben, nur weil wir in den letzten fünf Minuten durchgedreht waren.

Ich stieg mit in den Song ein und auch Ben fing an die erste Strophe zu singen, jetzt auch in einer vernünftigen Lautstärke.

,,We are just friends, I know

But have you ever thought of something more?

You know me six years

And how we met is kind of strange

Wanted to date another one

but then we sat together and I dont know why

And since day one I'm asking myself:

How do you manage

to stay"just friends"

with the love of your life?

It's a miracle how you're enduring this torture..."

Die ganze Zeit über hatte ich versucht, die Menge so gut wie möglich auszublenden, sodass ich erst als der Song vorbei war, merkte, dass ich mir die ganze Zeit vor Nervosität in die Seite meiner Wange gebissen hatte. Ich glaubte schon ein wenig Blut zu schmecken.

Dann schaute ich auf das Publikum und - wow. Klar, das waren nicht viele Leute, aber ich fühlte mich gerade so, als hätte ich gerade etwas unglaublich weltbewegendes getan. Die Leute applaudierten wild und alle schienen schwer begeistert zu sein – selbst die alte Pasquier klatschte, hörte jedoch ofort auf, als ich sie sah. Ein paar Mädchen aus Fleurs Stufe filmten uns sogar.

Wenn jeder Auftritt so ist, möchte ich nichts anderes mehr tun, dachte ich mir.

Ich schaute Ben und Charlie an, die mich ebenfalls strahlend ansahen.

Ich und Charlie liefen nach vorne zu Ben an den Rand der Bühne, verbeugten uns, dann liefen wir hinter den Vorhang. Das Publikum klatschte noch für eine kurze Zeit, dann wurde es wieder leiser – die Leute verließen das Fest wieder.

,,Oh mein Gott, Leute, das war der Hammer!" Noch nie in meinem Leben hatte ich Charlie so gut gelaunt gesehen.

,,Wir brauchen noch mehr Songs, ein ganzes Album-" plötzlich stand Fleur hinter uns und unterbrach Ben mit einem kurzen Applaus.

,,Jungs, ihr wart echt der Hammer! Respekt. Hier ist euer Geld." Sie reichte uns einen Zwanziger.

,,Ich dachte wir kriegen nur 15?"

Fleur zuckte mit den Schultern. ,,Trinkgeld. Und übrigens: selbst die alte Pasquier war von euch begeistert. Sie meinte, dass ihr nächstes Jahr beim Schulfest wieder herzlich willkommen seid."

Wir alle strahlten.

,,Entschuldigung, ihr seit doch die Band von gerade, oder?" Plötzlich stand ein schlankes Mädchen mit langen, blonden Locken vor uns.

,,Ja, warum?" Ich merkte sofort, wie Charlie das Mädchen ansah, als er ihr antwortete. Diesen Blick kannte ich schon. Sofort musste ich ein Grinsen unterdrücken.

,,Warum? Weil ihr der Hammer wart!" Ungläubig sah sie Charlie an. ,,Und außerdem brauche ich noch eine Live-Band für meinen 17. Geburtstag am Freitag. Habt ihr Lust?"

,,Natürlich haben wir Lust!" rief Charlie auf. ,,Ich meine, klar." wiederholte er sich noch einmal leiser und möglichst lässig. Fleur, Ben und ich sahen ihn belustigt an, doch das fremde Mädchen ignorierte dies komplett.

,,Gut, dann wäre das geklärt. Hier ist meine Nummer," sie zückte einen schwarzen Kugelschreiber aus ihrer Tasche und schrieb ihre Handynummer auf Charlies Hand. Den Deckel des Stiftes hielt sie mit den Zähnen fest. ,,Dann kann ich euch ja noch die restlichen Infos schicken. Und, ach ja, bitte spielt nur Songs von euch selber, sofern die alle so gut sind wie der eine. Ihr habt doch noch mehr Songs, oder?" Sie zog eine Augenbraue hoch und schaute uns fragend an. Sofort nickten wir alle, eingeschlossen Fleur.

,,Gut." Sie drehte sich um und ging wieder schwungvoll Richtung Ausgang des Backstagebereichs, die blonden Haare schwangen im Takt ihrer Schritte mit.

,,Hey, warte!" rief Charlie ihr noch zu. Sofort drehte sie sich um und schaute direkt in Charlies Augen.

,,Du hast mir noch gar nicht gesagt, wie du heißt."

,,Du mir auch nicht." Sie lächelte.

,,Charlie."

,,Gut, Charlie. Meinen Namen erfährst du dann, wenn du mir heute schreibst." Und weg war sie.

,,Dieses Mädchen ist jetzt schon unmöglich." murmelte Charlie und ging seine Gitarre einpacken.

Ben und ich sahen uns an und lachten.

SternschnuppenWhere stories live. Discover now