Komm...

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Ashlee
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Der helle Mond scheint sanft auf mich herunter, als ich meine Schritte durch den dunklen Wald lenke. Jeder von ihnen trägt mich weiter weg von Liz. Immer weiter.
Die kühle Nachtluft hilft mir meinen erhitzten Körper zu beruhigen und das Feuer in meinen Venen zu löschen.
Mein Atem geht ruhig und langsam, meine Sinne sind auf meine Umgebung fokussiert und so geschärft wie noch nie. Jedes Knacken eines Astes, jeder Ruf einer Eule und das leise Rauschen der Blätter im Wind, höre ich klar und deutlich. All das nur um mich von dem Chaos in meinem Inneren abzulenken.
Ich habe es fast getan.
Ein tonloses Lachen entkommt meiner Kehle und hallt im menschenleeren Wald wieder.
"Du kannst mir nicht erzählen, du hättest nichts gespürt."
Ich weiß, dass Liz mich nicht hören kann, aber ich brauche ihre Antwort auch gar nicht mehr, ich kenne sie bereits.
"Du wolltest mich küssen. Du warst nur zu feige es wirklich zu tun!"
Ein lautes Knurren kommt mir über die Lippen und meine Hände ballen sich zu Fäusten, bereit jeden anzugreifen, der sich in meine Nähe wagen sollte.
"Die Geschichte wiederholt sich. Wir stehen wieder am Anfang. Und wieder traust du dich nicht, dir einzugestehen was du wirklich willst!"
Ich atme tief ein und schließe die Augen, sehe den Moment vor mir, der inzwischen 6 Jahre zurückliegt. Der Moment in dem Liz mir sagte, dass sie mich liebt.
Ich sehe wieder das Funkeln in ihren Augen, das Zittern ihrer Lippen. Doch jetzt kann ich auch die Angst in ihrem Blick erkennen, die mir vorher nie aufgefallen war.
Liz hatte Angst mir zu sagen, wie sie für mich empfindet. Und selbst wenn ich ihre Gefühle damals schon erwidert hätte, hätte sie nie den Mut gehabt mich zu küssen. Genauso wenig, wie sie ihn heute hatte.
"Wovor hast du Angst?"
Diesmal sind meine Worte nur ein Flüstern. Und bevor sie vollends verklungen sind, bin ich auch schon verschwunden, lasse diese Frage alleine im Dunklen zurück und flüchte nachhause. Dorthin wo es warm, hell und geborgen ist.
Im Wohnzimmer angekommen ziehe ich meine Schuhe aus und lasse mich auf meine Couch fallen. Mein Handy werfe ich achtlos auf den Tisch, doch ich stutzte, als ich eine neue Nachricht darauf erkennen kann. Bevor ich nachsehe, wer mir geschrieben hat stehe ich auf und hole mir eine Flasche mit klarer Flüssigkeit aus meiner Minibar und stelle das passende Glas daneben.
Langsam und mit Bedacht rinnen die ersten Tropfen meine Kehle hinunter und ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus, beginnt mich aufzuwärmen.
Seufzend greife ich nach meinem Handy und ziehe augenblicklich die Augenbrauen zusammen, als ich den Absender erkenne.

Liz: Wir müssen nochmal reden. Ich lasse dich nicht so einfach gehen! Nicht schon wieder.

Ein spöttisches Lächeln bildet sich auf meinen Lippen und ein weiteres Glas Alkohol findet den Weg in meinen Körper. Und noch eins. Und ein weiteres.
Ich weiß, dass Alkohol keine große Auswirkung auf meinen Körper hat, aber heute Abend wünschte ich mir, er würde es tun. Wenigstens ein Mal.

Ich: Dann komm her.

Ich schicke meinen Standpunkt hinterher und warte ungeduldig auf ihre Antwort. Sie kommt sofort.

Liz: Jetzt noch? Es ist schon ziemlich spät.

Ich beiße die Zähne aufeinander und muss mich beherrschen mein Handy nicht zu zerbrechen.

Ich: Und morgen ist es zu spät.

Ein paar Sekunden schreibt Liz nichts, doch dann erscheinen 2 Wörter.

Liz: Gleich da.

Frustriert schmeiße ich das Handy zurück auf den Glastisch und leere mein Glas in einem Zug. Inzwischen ist die Flasche fast leer und meine Wahrnehmung tatsächlich schlechter als sonst. Trotzdem stehe ich noch immer sicher auf beiden Beinen und meine Bewegungen sind immer noch präzise.
Die Zeit bis zu Liz' Ankunft vertreibe ich mir mit pausenlosem Herumlaufen und den unterschiedlichsten Konversationen in meinem Kopf. Allerdings enden diese alle immer gleich.
Das Klingeln meiner Glocke reißt mich aus meinen Gedanken und meine Finger drücken wie von selbst den Knopf, der das Tor für Liz' Auto beiseite rollen lässt und auch die Haustür öffnet sich auf meinen Befehl hin automatisch. Ich selbst setze mich auf den Barhocker meines Tresens mit Blickrichtung auf den Flur. Meine Finger spielen mit dem leeren Glas und ich sehe erst auf, als leise Schritte nicht weit von mir entfernt zum stehen kommen.
"Wow."
Liz steht mit offenem Mund in meinem Wohnzimmer und sieht sich erstaunt um. Ihre Augen bewundern die stilvolle Einrichtung, schweifen über die teuren Böden und bleiben schließlich an dem sanft durch die Glastüre leuchtenden Pool hängen.
"Ich bin sprachlos. Ich wusste gar nicht, dass du in einem so tollen Haus lebst."
Ihre grünen Augen mustern mich gründlich und ein angedeutetes Lächeln liegt auf ihren vollen Lippen.
Ich sehe sie nur kalt an.
"Hättest du mich dann attraktiver gefunden?"
Auf Liz' Gesicht erscheint ein verwirrter Ausdruck, ihr Blick fällt auf die leere Flasche neben mir.
"Du hast-"
"Nein! Sag einfach nichts!", fahre ich sie grob an aber gleichzeitig jagt es mir einen Stich durch mein Herz, als ich sehe wie Liz zusammen zuckt und die Hände unsicher in ihren Taschen vergräbt.
"Tut mir leid."
Meine Stimme ist schwach und ich beiße mir auf die Lippe um nicht noch mehr dumme Dinge zu sagen. So hatte ich mir die Unterhaltung nicht vorgestellt.
Liz zögert kurz, dann kommt sie mit schnellen Schritten zu mir hinüber und schiebt die Flasche aus meiner Reichweite. Ich sehe ihr tatenlos dabei zu. In mir tobt wieder das Chaos.
"Du hast getrunken."
Liz flüstert diese Worte beinahe, doch diesmal nicke ich nur stumm und sehe sie an, schaue tief in die besorgten grünen Augen, die jetzt so nah vor mir sind.
Stumm streckt Liz die Hand aus und streicht mir eine lose Haarsträhne zurück hinter mein Ohr.
"Warum?"
Ich schüttle nur den Kopf, rutsche von meinem Barhocker hinunter und stehe jetzt dicht vor ihr. Meine Augen brennen sich in ihre.
"Warum? Aus demselben Grund, aus dem ich dich seit 4 Jahren nicht vergessen kann, warum ich immer noch spüre wie es dir geht und ich dich jederzeit mit meinem Leben beschützen würde."
Ich flüstere diese Worte, aus Angst sie könnten den Moment zerstören, wenn ich sie laut ausspreche.
"Weil es mir wehtut, wenn du nicht bei mir bist und weil es mich zerreißt wenn du mit jemand anderem zusammen bist. Und weil ich gehofft habe, dass ich es schaffen kann zu vergessen, dass ich dich liebe, egal wie viel ich dafür trinken muss. Dass ich alles davon vergessen kann! Alles!"
Ich sehe Liz tief in die fassungslos geweiteten grünen Augen.
Augen, die mich einmal mit soviel Liebe angesehen haben.
Und ohne dass ich es verhindern kann, sammeln sich Tränen in meinen Augen und strömen über meine Wangen.
Wortlos wende ich mich ab und will Liz einfach stehen lassen, doch ihre Hand greift nach meinem Handgelenk, hält mich fest.
"Komm her."
Ihre Stimme zittert und als ich mich endlich umdrehe, stehen auch ihr Tränen in den Augen.
"Komm her zu mir, Baby."
Ich kann nur noch meine Augen schließen, dann treffen die sanftesten Lippen dieser Welt auf meine und ziehen mich in einen leidenschaftlichen Kuss.
Wellen des Glücks und der Erlösung durchfluten meinen Körper, lassen mich nach Liz' Hüfte greifen und sie eng an mich ziehen, während ich sie unter Tränen küsse, mich an sie klammere, als könnte ich ohne die Berührung ihrer Lippen nicht mehr überleben.
Und auch Liz vergräbt ihre Hände in meinen Haaren, ihr gesamter Körper presst sich an meinen, als wären wir nie getrennt gewesen, als müssten wir uns nie wieder loslassen.
Ihre Lippen drängen sich erst leidenschaftlich gegen meine, dann nimmt ihr Druck plötzlich ab. Stattdessen küsst Liz mich jetzt zärtlich, langsam, als müsste sie jede Sekunde für immer festhalten. Und ich wünschte sie könnte es.
Nach einer gefühlten Ewigkeit löse ich mich schweren Herzens von ihr und rechne tief in meinem Inneren damit, dass Liz mich entsetzt ansehen, sich entschuldigen  und aus meinem Haus flüchten wird, doch sie überrascht mich.
"Lass mich nicht los. Bitte!"
Ihre Augen sind geschlossen, doch ihre Lippen sind noch immer leicht geöffnet, ihre Arme um meinen Hals geschlungen.
"Niemals."
Und dann lege ich meine Lippen wieder sanft auf ihre, küsse sie so liebevoll, wie ich es zuletzt vor 4 Jahren getan habe. Liz erwidert meinen Kuss sofort.
Das Feuer schießt zurück in meinen Körper, durchströmt mich und lässt mich brennend zurück.
Ein glückliches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.
Und ich kann spüren, dass auch Liz zu lächeln beginnt.

With you everything changed-againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt