Unfall?

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„Und, was machst du morgen?"
Chloe nimmt einen Schluck aus ihrem Glas und sieht mich erwartungsvoll an. Ich blicke nur irritiert zurück.
„Warum, was ist morgen?"
Meine beste Freundin verschluckt sich fast an ihrem Getränk. Ich muss ihr mehrmals auf den Rücken klopfen.
„Hast du ernsthaft deinen eigenen Geburtstag vergessen?", hustet sie und sieht mich perplex an. Ich schlage mir an die Stirn.
„Ach ja, richtig..."
Chloe beginnt zu lachen.
„Du hast ihn wirklich vergessen. Verdreht dir Ashlee so den Kopf, dass du deinen 30. Geburtstag verpennst? Ausgerechnet einen runden Geburtstag?"
Ich kann nicht verhindern, dass ein breites Grinsen auf meinen Lippen erscheint, als ich an Ashlee denke und die Zeit, die wir in den vergangenen Tagen zusammen verbracht haben.
Auch Chloe ist das nicht entgangen.
„Oh mein Gott, ja hat sie. Wie kann man mit 30 denn noch so verknallt sein, du bist doch kein Teenager mehr", lacht sie und grinst mich frech an. Ich rolle nur mit den Augen und nehme ebenfalls einen Schluck aus meinem Glas.
„1. Liebe kennt kein Alter. 2. sag nicht 30, dann fühle ich mich uralt und 3. ja ich habe meinen Geburtstag vergessen und nein es gibt keine Party. Ich glaube, ich werde den ganzen Tag morgen mit Ashlee verbringen", erkläre ich und lehne mich zufrieden zurück. Chloe sieht mich nur ungläubig an.
„Keine Feier? Aber werden deine Eltern nicht wenigstens mit dir feiern wollen? Und deine Freunde doch auch!"
Ich denke einen Moment über ihre Worte nach, aber sofort fallen mir etliche Gründe ein, warum ich nicht mit allen zusammen feiern kann.
„Ja, sieh mal, ich habe mich gerade von meinem Freund getrennt. Davon weiß keiner außer dir, nicht einmal meine Eltern. Zusätzlich bin ich jetzt mit Ashlee zusammen und davon hat auch keiner eine Ahnung. Ich möchte nicht, dass sie es auf meiner Geburtstagsparty erfahren, weil es sonst nicht anders geht. Außerdem will ich erstmal in der Schule für Klarheit sorgen, wie ich dir vorhin erzählt habe."
Chloe hört mir geduldig zu und hat eine nachdenkliche Miene aufgesetzt. Nachdem ich geendet habe, schweigt sie kurz, bevor sie mir antwortet.
„Du hast Recht. Vielleicht solltest du vorher zumindest deinen Eltern Bescheid sagen. Aber ich finde, dann solltest du deine Party nachholen. Es wäre eine gute Gelegenheit, Ashlee allen vorzustellen, natürlich nach der Sache mit der Schule."
Ihre Worte klingen einleuchtend. Das wäre wirklich die beste Lösung. Und so könnte ich morgen den ganzen Tag alleine mit Ashlee verbringen. Denn wenn ich ehrlich bin, kann ich mir nichts schöneres für meinem Geburtstag vorstellen. Nur sie und ich.
„Ich werde darüber nachdenken, aber es ist eine gute Idee", verspreche ich Chloe und sie nickt zufrieden.
„Apropos Ashlee", wirft sie dann ein und sieht auf ihre Armbanduhr hinunter. Die Zeiger zeigen kurz nach 22:00 Uhr,"wollte sie dich nicht abholen?"
„Ja. Aber ich sollte sie anrufen", erwidere ich und ziehe mein Handy aus der Tasche,"warte, ich mach das schnell."
Ich stehe auf und beginne auf und ab zu laufen, während mein Telefon wählt, aber kurz nachdem es zweimal gepiept hat, ertönt der Anrufbeantworter. Irritiert nehme ich mein Handy herunter.
„Was ist?", fragt Chloe neugierig, doch ich schüttle nur den Kopf.
„Ashlee scheint ihr Handy ausgemacht zu haben...", gebe ich schulterzuckend zurück.
„Vielleicht möchte sie in ihrem Gespräch mit Tom nicht gestört werden", wirft meine beste Freundin ein und ich nicke zustimmend.
„Wahrscheinlich. Das heißt, die beiden reden noch. Könntest du mich dann vielleicht nachhause bringen? Oder soll ich ein Taxi nehmen?"
„Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, wenn du ein Taxi nimmst. Ich kann Sofie noch nicht alleine lassen", sagt Chloe vorsichtig, doch ich verstehe sie sofort.
„Natürlich! Entschuldige, daran hatte ich nicht gedacht", entschuldige ich mich und wähle erneut eine Nummer auf meinem Handy. Die Frau am anderen Ende der Leitung teilt mir mit, dass das Taxi in fünf Minuten da sein wird.
„Danke für den schönen Abend", bedanke ich mich bei Chloe, als wir beide aufstehen und uns zum Abschied umarmen,"und für dein Verständnis."
„Kein Problem, Liz, ich werde immer hinter dir stehen, egal in wen du dich verliebst. Und Ashlee ist wirklich keine schlechte Wahl, wenn es diesmal auch hält!"
„Das wird es. Da bin ich mir ganz sicher", murmle ich und löse mich dann aus ihrer Umarmung, um aus der Tür zu treten.
„Na gut. Dann bis Montag!", ruft Chloe mir noch hinterher, als ich schon die Treppe hinuntergestiegen bin und auf das wartende Taxi zulaufe. Ich winke ihr noch schnell und steige dann auf der Beifahrerseite ein.
„Guten Abend", begrüßt mich der ältere Taxifahrer und lächelt freundlich. Ich lächle zurück.
„Wo soll's denn hingehen?"
Ich nenne ihm Ashlees Adresse und er fährt los.
Das Radio spielt leise im Hintergrund, als wir durch die Stadt fahren und schließlich auch an der Bar vorbeikommen, in der Ashlee und Tom gerade noch sitzen und miteinander reden. Ich hoffe wirklich, dass die beiden sich aussprechen können. Und dass ich das Thema Tom danach endlich abhaken kann.
„Immer diese Jugendlichen", brummt mein Taxifahrer verärgert, als uns an einer Ampel mehrere betrunkene Teenager fast vor das Auto laufen,"wissen nie, wann sie aufhören müssen zu trinken!"
„Waren wir nicht alle so, als wir jung waren?", schmunzle ich und sehe ihn fragend an. Er winkt nur ab.
„Wahrscheinlich haben Sie Recht."
Ich lächle in mich hinein und bin insgeheim trotzdem froh, dass Ashlee da ganz anders war. Vielleicht weil sie sich gar nicht betrinken kann, aber sie hat es auch nie versucht. Von Drogen ganz zu schweigen. Und das macht mich richtig stolz auf sie.
Das Taxi verlässt die Stadt und vor uns liegt nur noch eine lange dunkle Landstraße, die in die äußeren Bezirke führt, in denen Ashlee wohnt. Das heißt, so dunkel ist die Straße gar nicht mehr.
Rote und blaue Lichter zucken durch die Dunkelheit und egal wohin ich sehe, überall stehen Polizeiautos und Krankenwagen. Einige Beamten der Polizei haben die Straße weitläufig abgesperrt und winken die wartenden Autos über die Gegenspur weiter.
„Was ist denn hier passiert?", frage ich bestürzt und versuche in der Dunkelheit genaueres zu erkennen, doch wir sind noch zu weit entfernt.
„Sieht nach einem Autounfall aus", brummt mein Taxifahrer und tatsächlich, als wir näher kommen, sehe ich einen dunklen Sportwagen, der mit der Beifahrerseite direkt in mehrere Bäume gekracht ist. Die Fahrerseite steht offen, doch ansonsten ist das Auto vollkommen zerstört.
„Der Fahrer hat wohl die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren...", vermute ich und sehe hinüber zu dem Krankenwagen, der genau neben dem verunfalltem Auto steht.
„Wahrscheinlich ist er zu schnell gefahren. Und die Straße ist recht kurvig, wenn man da mit einem Sportwagen lang heizt, kann das schon mal böse enden", sagt der Mann links neben mir und krazt sich nachdenklich am Kopf, als wir die Unfallstelle langsam hinter uns lassen und wieder normal weiterfahren können.
„Hoffentlich ist dem Fahrer nichts passiert. Das Auto sah übel aus", murmle ich und ziehe mein Handy heraus um Ashlee zu schreiben, dass sie bei der Heimfahrt auf den Unfall aufpassen soll.
„Der kann glücklich sein, wenn er es überlebt. Glauben Sie mir, ich fahre schon über 50 Jahre Taxi und ich habe schon viele Unfälle gesehen. Das gerade war zwar nicht der schlimmste, aber er war auch nicht lustig. Da kommt man nicht mit einer Schürfwunde davon!"
Ich nicke nur abwesend und den Rest der Fahrt schweige ich. Als mich der Fahrer endlich vor Ashlees Anwesen absetzt und wieder davon fährt, stehe ich vor einem ganz anderen Problem.
Denn ich habe weder einen Schlüssel zu dem Tor, noch zur Haustür. Ich sitze also auf der Straße.
„Verdammte Scheiße!", fluche ich und überlege fieberhaft, was ich jetzt tun könnte. Wieder zurück zu Chloe fahren? Eine Möglichkeit. Aber zu meinem Glück fällt mir in dem Moment noch etwas anderes ein.
„Ja?", meldet sich eine verschlafene Stimme und ich danke Gott dafür, dass Emily ihre Nummer über die Jahre nicht geändert hat.
„Hi Emily, tut mir leid dass ich dich geweckt habe, hier ist Liz. Kann ich ganz kurz Rob sprechen?", sage ich erleichtert und hoffe, dass Rob und Emily immer noch ein Paar sind und vor allem, dass er zuhause ist.
Wieder habe ich Glück.
„Was? Ja, ja der liegt neben mir, warte."
Kurze Zeit später habe ich Rob mein Problem geschildert und er hat mir versprochen sofort vorbei zu kommen und mich in Ashlees Haus zu lassen.
Wenige Minuten später kommt er auch schon um die Ecke gejoggt.
„Danke dir!", bedanke ich mich erleichtert, als er mit seinem Fingerabdruck sowohl das Zufahrtstor als auch die Haustüre öffnet.
„Kein Problem. Aber vielleicht sollte meine Schwester deinen Fingerabdruck auch einspeichern, ich bin nämlich kein Schlüsseldienst", lacht er und umarmt mich zur Verabschiedung kurz.
„Ich werde sie morgen gleich darauf ansprechen", verspreche ich lächelnd und ziehe mir meine Jacke von den Schultern.
„Warum hast du sie eigentlich nicht angerufen, damit sie dich abholt oder so?", fragt Rob noch, als er schon fast in der Dunkelheit verschwunden ist.
„Ihr Handy war aus", erwidere ich schulterzuckend, er runzelt die Stirn.
„Das ist komisch."
„Vielleicht ist der Akku leer", sage ich und er nickt langsam.
„Hast du eigentlich den schweren Unfall auf dem Weg hier her gesehen?", frage ich, während ich auch aus meinen Schuhen schlüpfe.
„Unfall? Nein, ich bin zu Fuß hergekommen. Aber ich seh es mir mal an. Schlaf gut, Liz."
„Musst du nicht, ich dachte nur, du hast ihn auch gesehen", antworte ich und winke einmal zum Abschied,"gute Nacht."
Aber da ist Rob schon in der Nacht verschwunden und auch ich schließe die Tür und steige die Treppen zu Ashlees Schlafzimmer hinauf.
Eine halbe Stunde später liege ich endlich in ihrem Bett und schließe die Augen. Es war ein langer Tag heute. Dafür wird Morgen hoffentlich umso schöner.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf schlafe ich erschöpft ein.

With you everything changed-againWhere stories live. Discover now