Verrat?

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Als ich am nächsten Morgen die Augen öffne, brauche ich erstmal einen kurzen Moment, um zu realisieren was letzte Nacht geschehen ist.
1. Ich habe mit Ashlee geschlafen.
2. Ich bin wieder mit ihr zusammen.
Und 3. ich liege gerade in ihrem Bett.
Blitzschnell drehe ich den Kopf und werde von einem wunderschönen Anblick empfangen.
Einem, den ich eine Ewigkeit lang nicht mehr erblicken durfte.
Rechts neben mir schläft Ashlee, so friedlich, so sanft und so wunderschön, dass es mir für kurze Zeit einfach den Atem nimmt.
Ihre blauen Augen sind geschlossen, ihre Mundwinkel leicht gehoben und ihre Brust hebt und senkt sich bei jedem ihrer Atemzüge.
Und wieder einmal muss ich feststellen, dass ich nicht mehr in das Gesicht eines Teenagers sehe. Ich sehe das wunderschöne Gesicht einer erwachsenen Frau. Einer Frau, der so viel von mir gehört und der ich jede Sekunde mehr verfalle.
Aber irgendwo in mir verleiht mir dieser Anblick auch einen gewaltigen Stich. Er macht mir klar, wie viel ich verpasst habe.
Als ich Ashlee verließ war sie beinahe noch ein Kind. Und als ich sie wieder traf, war dieses Kind tief in ihr verborgen und vor mir stand eine Frau.
Ich hätte bei ihr sein müssen...
Ich hätte sie beim heranwachsen beobachten können, hätte die Veränderungen sowohl äußerlich als auch innerlich miterleben dürfen um schließlich die Frau zu lieben, die aus dem Teenager heranwuchs.
Aber ich habe es verpasst. Und ich werde nie wieder die Chance dazu bekommen.
Alles, was ich jetzt tun kann, ist nie wieder einen Moment mit Ashlee zu versäumen. Mit ihr alt zu werden. Und vielleicht sogar noch darüber hinaus.
Das plötzliche Klingeln meines Handys reißt mich schließlich aus meinen Gedanken.
Gehetzt drehe ich mich um und nehme ohne zu zögern ab, nur darauf bedacht, Ashlee neben mir nicht zu wecken.
Das hätte ich besser nicht gemacht.
„Liz?"
Mein Herz setzt einen Schlag aus und klopft dann doppelt so schnell weiter.
„Tom?", frage ich bemüht leise und werfe meiner Freundin einen schnellen Blick zu, doch die scheint einfach weiterzuschlafen.
„Ja. Warum antwortest du mir denn nicht auf meine Nachrichten? Ich dachte schon, dir wäre etwas zugestoßen!"
Seine Stimme ist vorwurfsvoll und augenblicklich fallen mir wieder all die verpassten Anrufe und unbeantworteten Nachrichten auf meinem Handy ein und ich seufze gequält auf. Die hatte ich total vergessen...
„Tut mir leid. Ich-...ich habe einfach Zeit gebraucht", lüge ich notgedrungen und schäle mich vorsichtig aus Ashlees Bett, um leise im Badezimmer zu verschwinden und die Tür hinter mir zu schließen. Ich kann ihm ja wohl schlecht die Wahrheit sagen.
„Hm. Hör zu, ich weiß von dir und Ashlee. Du musst mich also nicht anlügen."
Mir gefriert das Blut in dem Adern. Abwechselnd wird mir heiß und kalt, der Schweiß bricht mir aus und gleichzeitig beginne ich zu zittern.
Das ist jetzt nicht wahr!
„Hallo? Liz? Bist du noch dran?"
Mein Kopf ist unfähig zu denken, ich bringe keinen vernünftigen Gedanken zustande, ich sinke nur zusammengekauert auf die Fliesen hinab.
Was weißt du, Tom?", krächze ich und schlinge meinen freien Arm um meinen zitternden Oberkörper, mit der anderen Hand presse ich mein Handy fest an mein Ohr.
„Naja, ich habe dich gestern mit ihr gesehen. Ihr seid gerade über den Parkplatz gelaufen, als ich losgefahren bin. Ich habe nur eins und eins zusammengezählt. Die Gerüchte von damals. Dann deine Phasen und eure Begegnung in der Bar. Schließlich unsere Trennung nur kurz nachdem Ashlee wieder bei dir war... Ich bin nicht blöd, Liz. Ich weiß, dass du mich wegen ihr verlassen hast."
Ich will etwas antworten, will mich irgendwie verteidigen, aber die Wörter bleiben mir in der Kehle stecken. Denn ich weiß, wenn Tom damit zu unserem Schulleiter geht, bin ich nicht nur meinen Job los, es würde einen riesigen Skandal lostreten. Und ich fürchte, dass unsere noch so frische Beziehung das nicht überleben würde.
Ich kann es nicht riskieren.
Ich kann Ashlee nicht verlieren.
Nie wieder.
„Bist du gerade bei ihr?"
Seine Stimme klingt ruhig, doch solange ich sein Gesicht dazu nicht sehen kann, traue ich dieser Ruhe nicht.
„Was willst du jetzt von mir, Tom?", frage ich mit bemüht fester Stimme, versuche mir meine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen.
„Eigentlich nur Antworten. Und zwar von ihr. Kann ich sie kurz sprechen?"
Ich bin vollkommen überrumpelt. Ist das sein Ernst? Wie konnte aus diesem wunderschönen Morgen nur eine solche Katastrophe werden?
„Tom, ich glaube nicht, dass-..."
„Ach komm schon Liz!", unterbricht er mich genervt,"wir sehen uns doch sowieso in ein paar Tagen in der Schule. Willst du mir da etwa die ganze Zeit aus dem Weg gehen? Wir waren ein Jahr zusammen! Und zu erfahren, dass du all die Zeit nur an sie gedacht hast, ist ziemlich hart, weißt du das?"
Ergeben schließe ich die Augen und atme tief durch, als mich plötzlich eine Hand auf meinem Arm zusammenzucken lässt.
„Gib ihn mir."
Ashlee's Stimme ist sanft, ihr Blick beruhigend und der Kuss auf meine Wange zart, als sie sich neben mich auf den Badezimmerboden setzt und erwartungsvoll ihre Hand öffnet.
Ohne zu zögern, lege ich mein Handy hinein und nehme dann aber ihre andere Hand in meine, drücke besorgt ihre Finger und sehe mit pochendem Herzen dabei zu, wie sie den Lautsprecher einschaltet, damit auch ich zuhören kann.
„Mr. Jones? Ashlee hier."
Kurz ist es still, doch dann ertönt wieder Toms, diesmal neutrale, Stimme.
„Du kannst mich Tom nennen. Aber schön, dass ich dich endlich sprechen kann. Ich würde mich gerne mit dir treffen, geht das? Vielleicht heute Abend schon?"
Ashlee zwinkert mir einmal beruhigend zu, bevor sie meinem Ex-Freund freundlich antwortet.
„Natürlich, gerne. Ich glaube, es gibt da einige Dinge, über die wir reden sollten."
„Das denke ich auch. Gut, dann sagen wir um 19:00 Uhr in der Bar, wo wir uns zuletzt getroffen haben?"
„Klingt gut. Ich werde da sein."
„Ausgezeichnet. Ach und Ashlee? Sag Liz doch, dass ich nicht der Typ bin, der sie verpetzen würde."
Danach knackt es in der Leitung und das Gespräch ist beendet.

Heute mal ein kleines extra Kapitel weil ich in Schreiblaune war und Ferien habe ;)

With you everything changed-againDonde viven las historias. Descúbrelo ahora