Bei dir.

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„Hey! Lass das! Bitte, Ash!"
Ich winde mich in Ashlees Umklammerung und versuche ihre Finger um meinen Bauch zu lösen, die mich dort gnadenlos kitzeln, doch ich habe keine Chance. Meine Freundin hält mich so fest, aber dennoch sanft in ihren Armen, dass ich mich einfach nicht befreien kann. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als lauthals zu lachen.
„Gibst du auf?", flüstert Ashlee in mein Ohr und ich kann nur erschöpft nicken.
„Du hast gewonnen, Babe. Dann sehen wir uns deinen Lieblingsfilm eben zum hundertsten Mal an...", seufze ich und kurz darauf werde ich tatsächlich losgelassen. Allerdings nicht, bevor Ashlee mir noch einen zärtlichen Kuss an die Stelle knapp unter meinem Ohr gibt, die sie sich meistens dafür aussucht.
„Sehr schön. Dann bereite schon mal alles vor, ich hole nur noch schnell unser Essen."
Und damit ist sie auch schon aus meiner Wohnung verschwunden.
Ich seufze erneut, kann ein Lächeln aber nicht unterdrücken. Ich liebe meine Freundin so sehr, dass es fast weh tut. Alles an ihr.
Sogar jetzt vermisse ich sie, obwohl sie gerade erst zur Tür hinaus ist. Für mich kann sie gar nicht schnell genug wieder hier sein.
Auf meinem Weg zum Wohnzimmer komme ich an dem Spiegel über der Kommode vorbei und bleibe unvermittelt stehen. Die Haut unter meinem linken Ohr ist blutunterlaufen. Ein deutlicheres Zeichen von letzter Nacht könnte ich an meinem Körper nicht finden...
Denn das ist Ashlees Stelle.
Der Ort, an dem sie ihr Zeichen hinterlässt. Der Welt klar macht, dass ich zu ihr gehöre. Und ich liebe sie dafür.
„Irgendwann lasse ich mir nochmal ein Tattoo dort stechen", murmle ich zu mir selbst und fahre mit den Fingern vorsichtig über die leichte Bisswunde,"dann musst du sie nicht jedes Mal aufs neue kennzeichnen."
______________
Gedankenverloren lasse ich meine Finger sinken. Ein kleines schwarzes A kommt darunter zum Vorschein, tief in meine Haut gestochen.
Ich sitze in Ashlees Zimmer. Um mich herum laufen unzählige Menschen kreuz und quer durch den Raum und reden hektisch durcheinander, doch ich habe ihre Stimmen ausgeblendet. Ich sehe nur den Körper meiner Freundin reglos auf ihrem Bett liegen.
Die Augen geschlossen, den Atem angehalten.
Neben ihr auf der Bettkante, sitzt die Ärztin aus dem Hauptquartier und untersucht sie von oben bis unten. Immer mal wieder sieht sie auf und wirft Rob und Noah, die neben ihr stehen, einen kurzen Blick zu, während sie leise miteinander sprechen, doch ihr Fokus liegt auf der tiefen Wunde, die noch immer in Ashlees Brust klafft.
„Entschuldigung. Kann ich Ihnen helfen? Brauchen Sie etwas?"
Ein junger Mann tritt in mein Blickfeld und verhindert mir so die Sicht auf meine leblose Freundin. Verwirrt blicke ich auf und sehe in grüne Augen, die mich mitfühlend ansehen. Ohne Zweifel handelt es sich bei dem Mann um ein Mitglied von Ashlees Fraktion, genau wie die ganzen anderen Personen in diesem Raum. Schönheit, wohin man sieht.
Aber sie sind alle da, ohne Ausnahme.
Auch das Hauptquartier läuft auf Hochtouren.
Nachdem Ashlee von Noah und fünf weiteren Männern und Frauen zurück nachhause gebracht wurde, erreichte die Nachricht von ihrem Schicksal und der damit verbundenen Flucht der Revec, sofort sämtliche Mitglieder. Binnen Minuten wurden tausende Sucher losgeschickt, die überlebenden Revec aufzuspüren, sie ins Hauptquartier zu bringen und endlich, endlich, zurück zu verwandeln.
Doch bis jetzt haben sie sich noch nicht gemeldet.
„Was? Nein...danke, mir geht es gut."
Das ist zwar eine glatte Lüge und der junge Mann vor mir, scheint das zu merken, doch es könnte mir gerade nicht weniger wichtig sein. Und auch er scheint das zu begreifen.
Stumm gibt er einer nahestehenden Frau ein Zeichen und zusammen verlassen sie das Schlafzimmer. Ihrem Beispiel folgen schließlich nach und nach alle anderen, bis nur noch Noah, Rob und die Ärztin zurückbleiben.
„Ich kann die Kugel sehen, aber ich weiß nicht, wie ich sie herausholen soll", murmelt diese gerade und kneift angestrengt die Augen zusammen," sie steckt nur Millimeter neben dem Herz. Wenn ich versuche sie zu greifen, könnte ich die Herzkammer verletzen. Und das wäre momentan ihr sicherer Tod."
„Wir haben keine Zeit", drängt Rob und verschränkt mit finsterer Miene die Arme vor der Brust,"die Wunde heilt bereits, aber davor muss unbedingt die Kugel entfernt werden!"
Die Ärztin nickt und besieht sich erneut das geöffnete Fleisch. Vorsichtig berührt sie Ashlees Hals mit zwei Fingern und sieht dabei auf ihre Uhr hinab.
„Ihr Puls ist schwach und langsam, aber dennoch regelmäßig. Wir sollten es versuchen."
Noah und Rob nicken kurz, dann ziehen sie sich alle drei blaue Handschuhe über und positionieren sich links und rechts neben Ashlee, die weiterhin regungslos bleibt.
„Liz?"
Rob dreht sich zu mir um und streckt eine Hand nach mir aus.
„Ja?"
Meine Stimme ist brüchig und rau. Es muss an dem Weinkrampf liegen, den ich auf der Fahrt vom Strand bis hier her hatte.
„Du solltest ihre Hand halten."
Kurz zögere ich noch, doch dann erhebe ich mich von meinem Stuhl und laufe hinüber zu den vieren. Vorsichtig setze ich mich neben Ashlee und greife nach ihrer Hand, die mittlerweile sogar schon wieder etwas wärmer ist und halte sie fest in meiner.
„Bereit."
Alle drei nicken und dann beginnt die spontane Operation auch schon. Mit angehaltenem Atem beobachte ich, wie die Ärztin zuerst mit einem silbernen OP-Besteck die Wunde etwas weiter öffnet, was ihr kurz danach von Rob und Noah abgenommen wird. Kaum eine Sekunde später, greift sie dann auch schon mit einer kleine Zange tief in die Brust meiner Freundin, verharrt dort noch einmal kurz, zieht dann aber mit einer ruckartigen Bewegung kräftig an.
Ich höre, wie sie erleichtert aufatmet und einen Moment darauf, hält sie auch schon ein kleines Stück Metall in ihren Händen.
„So, das wars. Und ist noch einmal gut gegangen."
Sie zwinkert mir zu und gibt Ashlees Brüdern mit einer Handbewegung zu verstehen, dass auch sie von ihrer Schwester ablassen können.
„Was sie jetzt braucht, ist vor allem Ruhe und Zeit. Viel Zeit. Bis ihr Körper das Gegengift zerstört hat, wird es noch ein paar Tage dauern. Die Wunde wird sich von alleine schließen, aber sollte sie wieder anfangen zu atmen, dann ruft mich bitte an. Und natürlich auch, wenn etwas außerplanmäßiges passiert.", die ältere Frau erhebt sich und zieht ihre Handschuhe aus. Dann packt sie ihre Sachen zusammen und wendet sich schließlich mir zu,"Ashlee hat Glück gehabt. Sie ist eine starke junge Frau, genau wie du. Aber sie braucht manchmal jemanden, der sie vor Schaden bewahrt. Sei du dieser jemand."
Und mit diesen Worten verlässt sie das Zimmer.
„Dass du diejenige bist, hast du bereits bewiesen", lächelt Rob und drückt kurz meine Schulter, bevor auch er und sein großer Bruder sich zum gehen wenden.
„Danke, dass du sie nicht aufgeben hast", brummt Noah, als sie sich an der Tür noch einmal umdrehen, tiefe Dankbarkeit liegt in seiner Stimme.
„Ich liebe sie", ist alles, was ich sage, doch sie verstehen.
„Das tust du", erwidert Noah und dann verschwinden beide zur Tür hinaus.
Mein Blick fällt zurück auf das unbewegte Gesicht der wunderschönen Frau vor mir. Vorsichtig rutsche ich näher und berühre mit den Fingerspitzen sanft ihre Lippen. Lippen, die ich schon so oft geküsst habe, aber von denen ich nie genug bekommen werde.
Genauso wenig, wie von ihren zärtlichen Berührungen, von jeder Liebkosung und jedem geflüstertem Wort, das nur für mich allein bestimmt ist.
„Wenn du zu mir zurück kommst-"
Meine Stimme bricht, doch ich zwinge mich weiter zu sprechen, während ich in dieses überirdisch schöne Gesicht sehe, das nicht perfekter hätte sein können.
„Wenn du diesen Kampf gewinnst, dann...dann werde ich dich bitten, mich zu heiraten. Ich- ich will für immer bei dir sein."

With you everything changed-againWhere stories live. Discover now