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„Ich wüsste nicht, was Sie das angehen sollte, Herr Harly. Das war eigentlich ein Gespräch zwischen Freundinnen."

„Oh. Entschuldigung, wenn du dich belauscht fühlst, Rose. Das war keinesfalls meine Absicht.", er zwinkerte mir zu.
„Wird nicht wieder vorkommen", sagte er dann und schlenderte in Seelenruhe zu seinem Tisch.

„Der ist heute aber gut gelaunt. Hat er jemanden kennengelernt, oder was?", scherzte Lizzy.

Ich wollte etwas Sarkastisches erwidern, doch meine Zunge war schwer wie Blei. Außerdem fühlten meine Lippen sich an, als hätte jemand eine ordentliche Packung Kleister drauf verteilt. Ich konnte sie nicht bewegen. Also lächelte ich schmallippig und hoffte, dass Lizzy mein Verhalten nicht seltsam fand.

Tatsächlich war ich ziemlich überrascht, als Herr Harly mich nach der Stunde sprechen wollte, obwohl es eigentlich keine Seltenheit mehr war. Selbst Lizzy wunderte es nicht mehr, da ich ihr jedes Mal sagte, dass es etwas mit den Nachhilfestunden, die ich bei Herrn Harly hatte, zu tun habe.

Irgendwann war dieses Thema eben auch abgekaut.

Wir beide waren also allein. Sobald ich, auf seine Bitte die Tür geschlossen hatte, kam er mit großen Schritten auf mich zu. Er schloss mich in seine Arme und augenblicklich versteifte sich mein Körper.

„Gott, wie ich dich vermisst habe.", er schnupperte an meinen Haaren.

Ich stieß ihn weg. Da er wohl nicht mit solch einer Abwehrreaktion meiner Seite gerechnet hatte, konnte ich einige Meter Abstand gewinnen.

„Was soll das? Was tun Sie da?", ich starrte ihn entgeistert an.

Als wäre er mein Spiegelbild, kopierte er meine Miene, was mich ahnen ließ, dass er wirklich nicht wusste, was er falsch gemacht hatte.

„Was ist denn mit dir los, Rose? Warum bist du so abweisend?"

„Sie fragen mich, warum ich so bin? Ist das Ihr Ernst?", flüsterte ich aufgebracht, „ haben Sie eigentlich eine Ahnung, was Sie mir angetan haben? Denken Sie wirklich, dass ich das gestern wollte? Sie haben mein Leben zerstört! Ich fühle mich wie eine Spielpuppe. Sie haben die Welt einer anderen Person zum Fall gebracht, nur weil Sie ihre Triebe nicht unter Kontrolle haben!", meine Stimme überschlug sich.
„Ich hasse Sie! Ich habe noch nie jemandem so sehr gehasst.", stieß ich noch hervor, bis ich eine warme Träne auf meiner Wange merkte und sie wütend wegwischte.

Die Antwort meines Lehrers ließ nicht lange auf sich warten.

„Ich weiß, warum du das tust. Du hast Angst, dass sie uns erwischen und ich ins Gefängnis muss. Ach Rose. Wie fürsorglich von dir, aber ich habe recherchiert. Selbst wenn sie uns erwischen, was wir zu vermeiden wissen...aber angenommen es wäre so... Ich müsste mit drei, maximal sieben Jahren Haft rechnen.
Um Himmelswillen. Wenn ich aus dem Gefängnis raus bin, bist du schon erwachsen und wir könnten uns ein schönes Leben machen.
Wir beide wissen doch genau, dass ich das gestern nicht aus einer Laune heraus getan habe. Ich opfere doch nicht meinen Beruf, für eine unbedeutende Affäre.
Kann ich dir ein Geheimnis anvertrauen?"

Ich sagte nichts. Ich wollte nicht, dass er dächte, ich würde mich für sein Leben interessieren, gleichzeitig war ich aber neugierig.

„Als meine Frau und mein Kind starben, war ich am Boden zerstört. Ich war fertig mit der Welt.
Als ich nach ein paar Monaten wieder zu euch kam, stand mein Entschluss schon lange fest. Ich würde mir das Leben nehmen.
Ich hatte noch keinen bestimmten Tag ausgesucht, dennoch wusste ich, dass ich so sterben wollen würde wie meine Frau. Durch einen Autounfall. Nichts anderes hatte ich verdient.
Also kam ich, fest entschlossen, dass ich bald nicht mehr leben würde in diese Schule. Und da warst du.
Du hattest dich in den Monaten meiner Abwesenheit so stark verändert, dass ich dich kaum erkannte.
Du warst schon immer eine Schönheit gewesen, aber in dem Moment, als ich den Klassenraum betrat -du saßt mit dem Rücken zu mir-, dachte ich, dass meine Frau dort sitzen würde.
Als du dich kichernd umgedreht hast -eine deiner Freundinnen hat sich über einen Jungen aus dem Jahrgang über euch lustig gemacht-, war die Ähnlichkeit noch viel markanter.
Da wusste ich, dass das Schicksal sein musste. Es konnte kein Zufall sein, dass du in diesem Moment dort saßt und so unfassbar schön warst."

The Guy who was my TeacherWhere stories live. Discover now