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Das Bühnenbild war perfekt geworden. Auch wenn alles anfangs sehr realistisch und normal wirkte, wurde die gesamte Kulisse im Laufe des Stückes immer surrealer. Bist man sich so fühlte als wäre man in einem Traum.

Mein Kostüm wurde sehr schlicht gehalten. Im Grunde war ich zum Anfang ganz weiß gekleidet und mein Gesicht wurde mit viel Puder etwas heller geschminkt.

Nur am Ende des Stückes würde ich mich nochmal komplett umziehen müssen.
An der Stelle, wo Helena und Lysander zusammen ihren Frieden finden, tanzten sie miteinander. Dann würde ich ein mit Blumen verziertes Kleid tragen, welches im Licht der Scheinwerfer glitzerte wie Glas in der Sonne.

Darauf würde ich mich schon freuen.
Doch gerade stand ich hinter der Bühne und war zu nervös, um klar denken zu können.
Ich stand kurz vor einem Blackout und wusste jetzt schon nicht mehr, wann ich welche Schritte zu tanzen hatte.
Gleichzeitig war ich neugierig, wer alles gekommen war.

Die Neugierde siegte und ich wagte einen Blick hinter den Vorhang, obwohl dies nicht sehr professionell war.

Die meisten Menschen saßen schon, doch auch etliche standen oder liefen durch die Gegend.
Ich suchte die Reihen nach meinen Eltern ab. Ich wusste, dass sie relativ weit vorne saßen.
Doch als erstes erblickte ich Julian. Er und Anny saßen mittig und unterhielten sich angeregt über irgendein Thema.

Ich hatte sie eingeladen. Zwar war diese Einladung schon Wochen her, dennoch waren sie hier. Vielleicht war das ein Zeichen dafür, dass unsere Freundschaft noch eine winzige Chance hatte.

Schließlich sah ich auch meine Eltern. Sie sahen stolz aus, was mich unglaublich glücklich aber noch nervöser machte. Ich wollte sie nicht enttäuschen.

Aus Neugierde betrachtete ich die Menschen in der ersten Reihe. Auch wenn die Karten nicht sehr teuer gewesen waren, hielt ich an meiner Überzeugung fest, dass die Menschen, die in der ersten Reihe bei einer Veranstaltung saßen, unglaublich reich sein mussten.

Als ich ihn erblickte, war ich nicht einmal überrascht. Herr Harly saß bereits aus seinem Platz und würde mich aus nächster Nähe betrachten können.
Ich wusste nicht, weshalb ich erwartet hatte, dass er kommt. Vielleicht, weil dieses Verhalten extrem typisch für ihn war.

Immer an den Orten zu erscheinen, die für mich am Ungeeignetsten waren.

Er hatte sich einen Anzug übergezogen und sah fast so aus wie ein normaler Mensch. Der ältere Herr, welcher rechts neben ihm saß, hatte keine Ahnung, dass er neben einen Kriminellen saß. Genauso wenig wie die junge, schöne Frau links von Herrn Harly.
Sonst wäre sie wahrscheinlich schon längst geflüchtet.

„Ziemlich viele Leute, oder?", der Trainer der Jungen stand hinter mir und begrüßte mich mit einem stolzen Grinsen.

Ich warf einen letzten Blick auf die Menge, bevor ich den samtenen, schweren Stoff aus den Händen ließ und er das Publikum wieder verdeckte.

Ich fürchtete, dass Herr Marshall böse auf mich sein würde, doch seine Miene verriet etwas komplett anderes.

„Bist du aufgeregt?"

„Ja, sehr.", gab ich zu.

„Das wird schon. Du bist eine der talentiertesten jungen Tänzerinnen, die ich kenne. Ich habe vollstes Vertrauen darin, dass du diese ganze Vorstellung meistern wirst. Nicht umsonst habe ich dich für die Helena vorgeschlagen."

Ich fühlte mich tief geschmeichelt. Es bedeutete mir unglaublich viel hier heute die Hauptrolle zu tanzen und das alles hatte ich ihm zu verdanken.

„Ich hätte mir nie vorstellen können, mal so weit zu kommen. Es gibt so viele Mädchen, die so schön tanzen können..."

„Das Problem an ihnen ist nur, dass sie nicht du sind.", sagte er leise.

Mir verschlug es die Sprache. Ich wusste nichts darauf zu antworten. Er kannte mich doch gar nicht.

Bevor ich etwas antworten konnte, gab uns Frau Scheper ein Zeichen und alle nahmen ihre Position ein.
Ich konnte nicht noch einmal meine Schritte geistig durchgehen, denn augenblicklich öffnete sich der Vorhang und das Jugend-Orchester unserer Stadt begann zu spielen.

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt