Kapitel 1

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1963 Crythin Grifford, Groß Britannien
,,Ihr Zustand hat sich verschlechtert.",,Sie ist ein merkwürdiges Kind." ,,Keine Kinder wollen mit unserer Tochter spielen." Diese Worte sagten sie Tag für Tag, wenn sie in der Küche zum gemeinsamen Tee saßen. Meine Lehrer behandelten mich als seie ich nicht von dieser Welt. Sie schauten von oben auf mich herab während sie sagten:,, Clara kann durch ihren geistigen Zustand nicht in der Schule mithalten." Ich hätte niemals gedacht das diese Aussagen die meine Eltern immer beim Tee trafen, sie dazu bringen würde mich dorthin zubringen, wo ich mein halbes Leben verbrachte. Die Familie Winters , also wir, galten nicht gerade als sehr arm. Meine Eltern besaßen ein großes Haus mit wunderschönem Garten. Grythin Grifford war das größte Kaff was sich ein Mensch vorstellen konnte. Wir wohnten etwas abseits des Dorfes, weil meine Mutter behauptete dort würden nur verrückte leben. Manchmal fragte ich mich warum sie mich nicht dorthin schickte, da sie immer behauptete keine normale Tochter zu haben. Ich leidete an schlimmen nacht Ängsten, die für mich wie ein Teufelskreis schienen. Jede Nacht wenn die Lampen in Grythin Grifford ausgingen und ich meine Augen schloss, träumte ich von diesem Mann. Ich konnte ihn nie genau sehen wer er war. Er stand einfach dort und beobachtete mich. Trotz das er vor mir stand und auch nicht gerade nah, fühlte es sich an als würde er direkt hinter mir stehen. Als ich meinen Eltern das erste Mal von dem Mann erzählte sagten sie es sei nur ein Albtraum und ich solle das Spinnen aufhören. Ich wusste nicht wie ich meinen Eltern das begreiflich machen sollte. Ich saß vormittags immer in meinem Zimmer und malte meine Träume auf, die ich jede Nacht hatte. Obwohl es immer der selbe Traum war, schien mir das Aufzeichnen eine gute Möglichkeit zu sein, um das Ganze zu verarbeiten. Ich war eine totale Einzelgängerin, wie sollte es auch anders sein, wenn meine Eltern mir nicht einmal zuhören wollten und selbst die Lehrer nicht hinter mir standen. Ich hatte gerade den letzten Strich des Bildes gezogen, da kam meine Mutter auch schon ins Zimmer:,, Clara würdest du bitte zu Mr.Ashford gehen und das hier einkaufen?" Meine Mutter reichte mir einen Zettel, der aussah als hätte er schon so einige Zigaretten gesehen. Da meine Eltern rauchten überraschte mich das nicht, die Ränder des Papiers waren Nikotin braun und total trocken. Ich nahm den Zettel in die Hand und schaute darauf:,,Ich möchte das du alles einkaufst das müsstest du hinkriegen oder?" Ich nickte kurz und schaute meine Mutter an. Sie war so dünn wie der Lauch, der auf dem Zettel stand:,, Ähm Mum dürfte ich heute Abend ins Theater?",,Mit wem?",,Alleine." Meine Mutter musste sich das Grinsen verkneifen:,,Ist gut aber komm ja pünktlich zum Abendessen." Erwiderte sie und schloss die Tür hinter sich. Ich öffnete die kleine Schublade an meinem Tisch und kramte 4 Heftzwecken heraus:,,Au." Sagte ich kurz und schaute auf meinen rechten Zeigefinger. Ich ignorierte den kleinen Blutstropfen und hängte das Bild an die Wand, zu den anderen Bildern. Ich nickte kurz zufrieden, nahm mir den Zettel und ging dann aus der Tür. Durch das Treppenhaus vernahm ich Stimmen. Leise setzte ich einen Fuß auf die holz Stufe und ging langsam herunter. Unten im Wohnzimmer saßen meine Eltern und sprachen mit einem Mann, den ich meines Wissens noch nie gesehen hatte. Er trug einen schwarzen Mantel und darunter konnte ich einen weißen Kittel erkennen. Ich machte mir nicht viel draus. Wahrscheinlich wollte meine Mutter neue Medikamente haben, die ihr gegen den Raucherhusten helfen sollten. Ich nahm meine dunkelrote Jacke, vom Kleiderbügel und ging aus dem Haus. Es war mitte Oktober und wir hatten den wohl kältesten Herbst aller Zeiten. Ich lief durch den bunten Blätterhaufen und versuchte mich so gut es ging auf den schrägen Mr. Ashford einzustellen. Mr. Ashford gehörte der Gemüse Laden, unten im Dorf, in der rechten Straße Nähe des Hafens. Ein alter Mann, der schon lange kein Sonnenlicht mehr gesehen hatte. Ich lief die Strasse herunter, vorbei am Friedhof und alten Kriegshäusern. Eine ältere Frau kam mir entgegen und japste vor sich hin. Ich beschloss nicht allzu viel Notiz von ihr zunehmen und einfach weiterzugehen. Als ich gerade an der Frau vorbeilief, griff sie nach meinem Arm und schaute mich mit ihren starren Augen an:,,Sei vorsichtig Clara, er wird dich bis nach Asylum Grey verfolgen. Du musst aufpassen mit wem du dich abgibst und nach wem du rufst. Sie können dich alle hören Clara." Die Frau ließ mich los und blickte mich lächelnd an:,,Oh hallo Clara hast du etwas gesagt?" Ich schüttelte verwirrt den Kopf:,,Na gut dann schöne Grüße an deine Mutter." Ich wusste nicht wie ich jetzt damit umgehen sollte. Ich wusste schon das es Verrückte im Dorf gab, aber ich wusste nicht wie schlimm es geworden war. Unten im Dorf angekommen lief ich sofort Richtung Hafen. Doch ich konnte der Person nicht entkommen, der ich jedesmal versuchte auszuweichen:,,Clara!" Ich erhöhte mein Geschwindigkeit und lief einfach weiter. Eine kalte Hand griff nach meiner und stoppte mich. Ich drehte mich um und schaute in ein bekanntes Gesicht, welches perfekt zu einem Engländer passte:,, Mister. Bould was wollen sie?",,Ist alles in Ordnung bei euch? Wie sind dein Träume gewesen?",,Schlimm wie jede Nacht Mister. Bould. Ich muss jetzt weiter.",,Clara hol dir Hilfe deine Eltern werden dir nie glauben.",, Ich habe sie nie gebeten sich in meine Angelegenheiten zu mischen." Mit diesen Worten löste ich mich von Mister. Bould und lief weiter richtung Hafen. Mister.Bould war der Artzt in unserem Dorf, ein großer, schlanker braunhaariger Mann. Er war der Einzigste, der sich nach meinem Befinden erkundigte und mir glaubte. Trotz dieser Dinge nervte er mich rund um die Uhr. Ich hatte ihn wahrhaftig nicht darum gebeten sich in mein Leben einzumischen, aber nachdem was er alles für mich getan hatte konnte ich nicht anders, als ihn jeden Mittwoch in seinem Büro aufzusuchen und ihm 30 Minuten lang zuzuhören. Ich erreichte den Gemüseladen von Mister. Ashford und öffnete die Tür. Ein Klingeln ertönte und wie jedes mal, war Mister. Ashford nirgendwo zu sehen. Wahrscheinlich schlief er gerade wieder einen seiner berühmten Räusche aus:,, Mister. Ashford?!" Keine Antwort. Ich hatte es mit der Zeit aufgegeben, mehrmals nach ihm zu rufen. Ich beschloss schon mal die Sachen, die ich brauchte in eine braune Tüte zu packen. Der Wind hauchte durch die undichte Tür vom Laden und pustete die Laubblätter, die auf den Schach gemusterten Fliesen lagen, weg. Plötzlich spürte ich ein ungutes Gefühl hinter meinem Rücken. Ich drehte mich langsam um und blickte in den dunklen Gang hinter dem Tresen. Langsam ging ich näher an den Tresen heran und hörte ein Flüstern:,,Du Abschaum, du Miststück, du bist MEIN!" Voller Angst legte ich das Geld auf den Tresen und rannte aus dem Laden. Draußen drehte ich mich zur Tür um und atmete schnell ein und aus. Was oder wer war das? Eines war sicher es war nicht Mister. Ashford. Ich rannte zurück zum Haus und schloss die schwere Tür fest hinter mir zu. Ich roch das Kaninchen, welches schon im Ofen sein musste. Langsam hing ich meine Jacke auf und ging mit der vollen Tüte in die Küche. Meine Mutter hatte sich eine ihrer Schürzen umgebunden und schnitt die Zwiebeln:,,Ich habe alles eingekauft Mum." Sagte ich vorsichtig, denn meine Mutter hasste es Zwiebeln zu schneiden. Sie vertrug das Tränen in den Augen nicht. Wenn es hieß Miss. Winters ist in der Küche und schneidet Zwiebeln, dann hieß es ruhig im Wohnzimmer sitzen und ja nicht die Küche betreten. meine Mutter drehte sich um und ihre Augen sahen aus, als hätte sie Wochenlang geheult. Nur ein Nicken und ein schlecht gelaunter Ausdruck war in ihrem Gesicht zu erkennen, welchen ich schon öfters gesehen hatte. Ich schaute mich kurz um und ging dann die Stufen hinauf. Kaum hatte ich die dritte Stufe betreten, ließ mich eine ernste und dunkle Stimme innehalten:,,Clara?" Ich drehte mich um und erkannte meinen Vater der gerade noch einen Zug von seiner Pfeife nahm, bevor er den Qualm aus seinem Mund gleiten ließ. Ich schluckte kurz und stellte mich gerade hin:,,Vater?",, Wo warst du heute?" ,,Ich war einkaufen Vater.",,Hast du mit Mister. Bould gesprochen?",,Nein Vater." Natürlich hatte ich mit ihm gesprochen aber das meinem Vater zu sagen war keine Option. Meine Eltern wollten nicht das ich mich mit Mister. Bould abgebe, obwohl ich dies nicht immer freiwillig tat:,,Wenn ich dich mit diesem Halunken sehe dann gnade dir Gott Clara Winters." Ich nickte und sah wie mein Vater eine abwinkende Handbewegung tätigte. Ich lief hoch in mein Zimmer und schloss schnell die Tür hinter mir. Mein erster Blick fiel auf das kleine Runde Fester, welches in meinem Zimmer in richtung Meer zeigte. Ich lief darauf zu und wischte mit meinem Arm den Tau weg. Ich sah den ruhigen Seegang und die Möwen, die auf Beutezug waren. Der Kutter würde erst in einer Stunde hier einlaufen. Dann würde Mister Zachary wiederkommen und seine Frau würde ihn fragen warum er so nach Fisch riechen würde. Miss Zachary hatte schon seit einem Jahr Demenz und vergaß jedesmal was ihr Mann arbeitete oder wer er war. Manchmal würde ich jedoch lieber unter diesen Mensch leben, als jeden Tag mit meinen Eltern konfrontiert zu werden. Plötzlich sah ich unten in unserer Einfahrt eine Person stehen. Sie sah aus wie ein Mann. Ich schluckte schwer und begann zu zittern, als ich erkannte das es der Mann aus meinen Träumen war. Plötzlich schaute der Mann nach oben, ich konnte ihn nicht genau erkennen, da er weit weg stand. Ich sah wie der Mann auf unser Haus zu kam und bis zur Tür lief. Ich erwartete das Klopfen und kurze Zeit später hämmerte jemand gegen die Tür. Ich drehte mich langsam um und öffnete meine Zimmertür. Vorsichtig lief ich die Stufen der Treppe hinunter und schaute zu, wie meine Mutter die Tür öffnete. Anscheinend war niemand da, denn sie schloss die Tür wieder und ging in die Küche. Etwas ängstlich ging ich wieder hoch in mein Zimmer und legte mich ins Bett. Schon wieder dieser Mann. Es kostete mich jedesmal so viel Energie das über mich ergehen zu lassen. Ich hauchte warme Luft in meine Hände und lief zur Heizung. Ich konnte so viel wie ich wollte an dem Knauf drehen, doch sie wollte einfach nicht angehen. Ich begann zu zittern und zu frieren. Anschließend nahm ich mir meine Decke und legte mich ins Bett. Ich hoffte, das ich im Theater ein bisschen abschalten konnte. Das Stück was ich besuchen wollte hieß,, Ein Tanz mit dem Teufel." Nicht gerade passend zu meiner Situation, aber es war das einzigste Stück, welches zweimal in der Woche lief.
Am Abend
Meine blasse Haut schaute durch das hellblaue Kleid, welches ich angezogen hatte. Ich schnappte mir meine weiße Jacke und schaute aus dem Fenster. Der Vollmond schien auf das spiegelglatte Wasser. Meine blauen Augen schimmerten im Schatten des Mondes und ich konnte mir gerade keinen schöneren Moment vorstellen. Langsam löste ich mich vom Fenster und lief hinunter in den Flur:,, Du gehst also?" Fragte eine krächzende Stimme:,,Ja und ich werde wie du gesagt hast pünktlich zurück sein Mum." Darauf folgte nur ein Nicken und ein musternder Blick fuhr über meinen zierlichen Körper. Ich schaute meiner Mutter hinterher, wie sie ins Wohnzimmer lief und die Tür schloss. Ich jedoch öffnete die Tür und trat hinaus in die Dunkelheit. Ein kalter Windhauch legte dich auf mein Gesicht und ich konnte spüren wie sie sich langsam rot färbten. Ich lief mit meinen schwarzen Lackschuhen über die Straßen von Grythin Grifford und kuschelte mich in meine Jacke. Das Theater lag auf der Westlichen Seite des Dorfes, in der Nähe des alten Bahnhofs. Manchmal kam ein Zug vorbei und hielt. Aber Tickets gab es schon seit Jahren nicht mehr zu kaufen. Niemand hat je dieses Dorf verlassen, also lohnte es sich nicht für die Angestellten noch Tickets zu verkaufen. Wir waren mit mir eingeschlossen 10 Kinder in unserem Dorf. Alleine das für so wenig Kinder eine Schule hier existierte war ein Wunder. Meine Noten waren nicht schlecht, im Gegenteil sie waren mehr als ausreichend. Trotz das meine Lehrer mich schlecht behandelten, waren sie wenigstens in der Benotung ehrlich. Ich hätte mir nie viele Gedanken darüber gemacht was ich werden wollte. Wahrscheinlich würde ich zu denen gehören, die mit einem Coffee to go in einem abgelegenen Raststätte Restaurant sitzen und sich die Job Angebote aus der Zeitung durchlesen. Und überhaupt wusste ich nicht ob ich jemals aus Crythin Grifford herauskommen würde. Ich würde höchstwahrscheinlich so wie Miss Zachary enden und mich nur noch mit dem letzten Wissen, das ich besitze, beschäftigen. Wie elendig das Leben doch sein kann, wenn du keinen hast der hinter dir steht und du darauf wartest zu fallen. Meine Beine fühlten sich mittlerweile an, als würden sie vor Kälte zerbrechen. Zum Glück hatte ich schon die alte Post und die Schule überwunden. Nur noch das kleine Stück bis zum Haus von Mister und Miss Zachary und dann konnte ich auch schon den alten Bahnhof entdecken. Warum Mister Zachary ausgerechnet sich das Haus auf der Westseite ausgesucht hatte, obwohl der Hafen auf der Östlichen Seite lag wusste ich auch nicht. Wahrscheinlich wollte er sich nicht mit dem alten Mister Ashford rumschlagen. Mister Ashford beschwerte sich immer, das es wahnsinnig nach Fisch sticken würde und deswegen fast keiner mehr bei ihm einkauft. Das wir aber nur ein kleines Dorf mit nur 80 Einwohnern waren, hatte er wohl total vergessen.

The shadow behind meWhere stories live. Discover now