Kapitel 3

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Die Fragen warum? Wieso? Beantworteten sich mir nie. Egal wieviel ich darüber nachdachte es kam mir nicht in den Sinn. War es Hass gewesen den meine Eltern verspürten? Ich meine, wenn Erwachsene doch nicht einmal mit sich selbst klar kommen und fertig werden, dann sollten sie doch keine Kind bekommen oder? Ich hatte mir nicht ausgesucht, diese Träume zu bekommen. Sie waren nunmal da und ich konnte nichts dagegen tun. Ein leichtes Gefühl von Hunger überkam mich, denn ich hatte es noch nicht einmal geschafft in mein Brot zu beißen:,, Wo fahren sie mich nochmal hin?" Fragte ich leise und ausdruckslos:,, Ich fahre dich nach Asylum Grey, wie schon gesagt."Ich blinzelte einige Male und spürte wie meine Tränen wieder aufkamen. Asylum Grey war das älteste Gebäude und die älteste Psychiatrie von ganz Groß Britannien. Wenn ich allerdings nach London gehen würde und jemanden nach Asylum Grey fragen würde, würde dieser mich wahrscheinlich auslachen. Aber das war ich ja gewöhnt. Der Wagen fuhr durch den Wald durch und dann erblickte ich das fahle Sonnenlicht. Wir waren auf einem langen Pfad mitten auf dem Meer gelandet. Es war gerade Ebbe, also überhaupt kein Problem über diesen Pass zu kommen. Ich sah wie vereinzelt Möwen Würmer aus dem Schlamm pickten und sie mit Genuss herunter schlangen. Ich hatte zwar Hunger aber ein Wurm würde mir jetzt nicht gut bekommen. Fast 20 Minuten lang fuhren wir auf dem Pfad, bis wir ein großes Tor erreichten. Welches schon so verrostet war, das ich dachte es würde gleich zusammenbrechen. Mr. Malcon hielt vor dem Tor und stieg aus. Was würde er tun? Würde er mich einfach hier lassen? Ich wusste in diesem Moment noch nicht einmal meinen Namen. Das Nachdenken über verschiedene Dinge viel mir immer schwerer. Ich sah wie Mister. Malcon das schwere Tor öffnete. Daraufhin stieg er wieder ins Auto. In seinem Gesicht konnte ich förmlich die vielen Jahre, die er in diesem Asylum verbracht hatte, erkennen. Er startete erneut den Motor und fuhr durch das Tor. Ich konnte die dicken Wurzeln unter den Reifen spüren und mir wurde kurz schlecht, von dem Geruckel. Mister Malcon parkte vor einem riesigen Haus. Ich bemühte mich erst gar nicht aus dem Fenster zu schauen. Langsam öffnete sich meine Tür und Mister Malcons dicker Bauch war zu sehen. Ich seufzte und stieg langsam aus. Mein Blick führte an dem riesigen, alten Haus hinauf. Vereinzelt waren Steine aus der Mauer gebrochen und lagen jetzt im hohen Gras. Lange ließ mich jedoch Mister Malcon nicht verharren, denn er nahm mich am Arm und zog mich zum Haus. Ich konnte das trockene Laub unter meinen Füßen spüren. Ich roch das Meer und die reine Luft. All dies würde gleich fort sein, ich musste mich bemühen meine Tränen zurückzuhalten. Mister Malcon klopfte an die große Holztür. Ich spürte wie sich mein Magen förmlich umdrehte und ich das Gefühl hatte gleich umzukippen. Meine Mutter würde jetzt sagen was eine Schande, für ein Mädchen der Winters. Ja, meine Mutter. Was sie gerade wohl tat? Wahrscheinlich feierte sie mit meinem Vater, das sie endlich ihre verrückte Tochter los waren. Plötzlich öffnete jemand die Tür. Eine Frau, um die 50. Sie trug an ihren knochigen Füßen weiße Lackschuhe. An ihrem Körper war ein schwarzes Kleid mit einer weißer Schürze. Auf ihrem grauen und hochgebundenem Haar saß eine weiße Haube. Diese Frau erinnerte mich an Miss Zachary, in ihren noch guten Zeiten. Das faltige Gesicht war zu einer strengen Miene geformt. Ich schaute sie mit meinen traurigen aber auch hilflosen Augen an und erwartete eine Art Hallo oder etwas anderes. Jedoch stellte sich die Frau zur Seite und streckte den Arm aus, der in Richtung Flur zeigte. Mister Malcon verstand und schob mich hinein. Die Frau knallte die Tür zu und sprach krächzend:,, Mrs. Winters richtig?" Ich nickte kurz, jedoch den Blick immer noch nach unten gerichtet. Plötzlich passierte etwas was mir in meinem ganzen Leben noch nie passiert war. Die Schmerzen, die ich kurz nach dem Nicken auf meiner Wange spürte, waren mit Worten nicht zu beschreiben:,, Du sollst mich angucken wenn ich mit dir rede Fräulein." Die Frau hatte mir einen Schlag auf die Wange gegeben. Sie fühlte sich an, als würde sie bluten. Da ich aber wusste, das es durch einen solchen Schlag nicht möglich war, berührte ich sie nicht sofort. Von diesem Moment an war mir klar das dies hier nicht einfach werden würde. Die Frau gab Mister Malcon ein Zeichen und er brachte mich zu einem Gang, der im obersten Stockwerk lag. In diesem Gang waren rechts und links Türen, die nur kleine Sichtfenster besaßen. Es roch nach Leiden und Tod. Ich hörte vereinzelt Stimmen, die flüsterten und nach Hilfe schreien wollten. Vor einer dieser Türen stoppte Mister Malcon und zog einen schweren Schlüssel aus seiner Tasche. Ich sah wie der Rost, von dem Schlüssel, sich an die Finger von ihm heftete. Oben an der Tür war eine eisernes Schild, mit der Nummer 422. Als ich hörte wie der Schlüssel sich im Schlüsselloch drehte, fuhr mir ein Schauer über den Rücken:,, Bitte dein neues Zuhause." Sagte Mister Malcon und öffnete die Tür. Langsam trat ich über die Schwelle und schaute mich um. Es war ein Albtraum. Die Wände waren in einem deutlich schlimmeren Zustand, als bei meinen Eltern im Haus. Das Zimmer war nur mit einem Lattenrost Bett und einem alten ledrigen Sessel ausgestattet. Geradeaus, wie in meinem alten Zimmer, war ein Fenster. Vorne dran waren jedoch Gitter angebracht, wie in einem richtigen Gefängnis. Diese sahen mir jedoch nicht mehr allzu stabil aus, denn sie waren total verrostet und durchgebogen. Ich sah wie Mister Malcon meinen Koffer abstellte:,, Es wird sie gleich jemand abholen Mrs. Winters." Mrs. Winters, so hatte mich noch nie einer genannt. Wenn dann immer nur ,,The Mad Clara" oder einfach nur Clara. Mister Malcon schloss die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel um. Das hieß dann wohl eingesperrt, aber für wie lange? Für wie lange würde ich hier bleiben? Würde mich bald einer holen? Ich ging zum Fenster und sah die vielen Möwen über das Meer fliegen. Die Flut war bereits da und die Kutter fuhren auf Fischfang aus. Ob Mister Zachary wohl dabei war? Eine Träne floss über meine Wange und auch einen zweite. Bis ich in eine tiefe Trauer versank und begann zu schluchzen. Ich spürte wie meine Kraft sank und ich fast nicht mehr atmen konnte. Mister Zachary war bestimmt dabei, wenn er mich doch mitnehmen würde. Einfach weg von diesem Ort, mit nach Hause. Plötzlich hörte ich wie sich die Tür öffnete. Ich wischte mir die Tränen weg und sah einen dürren, großen Mann mit einer runden Brille. Seine letzten braunen Haare auf seinem Kopf, waren gegelt und zurück gekämmt. Er hatte seine Hände in seinem weißen Kittel und schaute mich mit einem schiefen Blick an:,, Du bist also Clara Winters. Ziemlich klein und Jung nicht wahr? Ich bin Doktor Hunt. Ich bin sozusagen dein Therapeut. Da du ja neu bist werden wir heute mit einem kleinen Einstiegs Programm starten." Ich konnte nichts sagen, es war als seien mir die Worte auf dem Weg in mein Zimmer verloren gegangen. Aber ich bräuchte auch nichts zu sagen, denn Dr. Hunt nahm mich bei der Hand und zog mich aus meinem Zimmer. Was meinte er wohl mit Einstiegs Programm? Eine Art Schulung? Oder etwas anderes? Während wir über den Flur liefen fühlte ich mich als sei die Zeit stehen geblieben. Als würde dieser Flur nie enden und als würden die Wände immer enger werden. Schließlich stoppten wir vor einem Raum. Plötzlich wurden meine Beine taub, als würden sie mich stoppen wollen. Mister Hunt schob mich hinein und ich sah einen langen Tisch. Rechts und links befanden sich ledrige Armringe. Sie sahen aus als wären sie schon oft benutzt worden. Langsam begannen meine Hände eiskalt zu werden. Rechts in der Ecke stand eine Frau, die etwas auf einem silbernen Tablett vorbereitete. Ich versuchte zu erahnen was sie tat, jedoch ohne Erfolg:,, Miss Winters bitte auf diesen Tisch legen." Ich nickte kurz ohne zu wissen, was gleich mit mir passieren würde. Ich legte mich auf den Tisch und schaute nach oben, an die demolierte Decke. Ich hörte ein quietschendes Geräusch, welches so klang, als würde jemand Handschuhe anziehen. Etwas zitterig lag ich dort und versuchte alle Nerven bei mir zu behalten:,, So Miss Winters wir starten." Sagte Mister Hunt und rieb sich die Hände:,, Miss Anderson würden sie bitte?" Ich hatte meinen Blick immer noch nach oben gerichtet. Plötzlich sah ich weißes Licht, welches von dem Scheinwerfer kam, den Mister Hunt angeschaltet hatte. Dieses Licht erinnerte mich an die grelle Sonne. Die Sonne, wann würde ich sie wieder sehen? Plötzlich spürte ich an meinen beiden Schläfen etwas kaltes und etwas aus Metal. Ich bekam s mit der Angst zu tun. Doch bevor ich etwas sagen konnte erfüllte sich mein ganzer Körper mit Schmerz. Ein Stromstoß nach dem anderen durchfloss meinen Körper. Ich schrie wie ich noch nie in meinem ganzen Leben geschrien hatte. Als es nachließ atmete ich tief ein und aus. Ich konnte kaum sprechen, denn mein Mund fühlte sich an, als sei er betäubt. Stattdessen murmelte ich nur:,, Ja? Miss Winters was gibts?" Hörte ich Mister Hunt sagen. Plötzlich erfolgte der nächste Stromstoß und ich sah plötzlich das Gesicht des alten Mannes, mit der Atemmaske. Ich schreckte auf und war nass geschwitzt. Ich hoffte in meinem Zimmer aufzuwachen und das all dies nur ein Traum gewesen ist. Jedoch sah ich nur das grinsende Gesicht von Mister Hunt:,, Na? Wie fühlen sie sich Miss Winters?" ,,I-Ich.",, Schon gut ich weiß das ihnen das Sprechen schwer fällt. Miss Anderson wird sie auf ihr  Zimmer bringen." Wie benommen stieg ich vom Tisch herunter und Miss Anderson brachte mich am Arm zurück in mein Zimmer. Ohne ein Wort schloss Miss Anderson die Tür hinter sich und ich war allein. An der Wand über meinem Bett hing ein Spiegel. Ich blickte hinein und sah ein neues Gesicht. Mein Gesicht war blass und ich hatte rote Augen. Ich schüttelte den Kopf und weinte. Was hatten sie mit mir getan? Und wie lange würde das so weiter gehen? Meine Kraft schien wie ein Eis im Sommer dahinzuschmelzen. Ich wischte mir meine Tränen weg und legte mich auf das Bett. Die Matratze hatte schon einige braune Flecken und Löcher. Trotz dieses Zustandes legte ich mich einmal drauf. Ich konnte jede einzelne Feder, der Matratze, an meinem Rücken spüren. Ich malte mir schon eine schlimme Nacht aus. Ich hatte den Mann schon wieder gesehen. Ich konnte sein tiefes Lachen hören. Seine Lust mich leiden zu sehen, machte mich um jede Sekunde schwächer. Mein Gott war es wirklich wahr, was die alte Frau mir sagte, als ich zu Mister Ashford gehen wollte? Er würde mich bis ins Asylum Grey verfolgen. Ich saß regungslos auf dem Bett und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es jetzt weiter gehen sollte. Ich schaute zum Fenster und atmete tief ein und aus. Ich musste jetzt stark sein und dagegen ankämpfen. Ich wusste aber das dies kein leichtes Spiel werden würde.

The shadow behind meWhere stories live. Discover now