Manuels Abend

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Gelangweilt saß ich auf dem Sofa. Ich hasste es, wenn ich gezwungen wurde mit meinen Geschwistern und meiner Mutter zusammen zu sitzen und irgendeinen langweiligen Film zu schauen. Ich war viel lieber allein in meinem Zimmer, schaute allein etwas, zockte oder machte irgendetwas anderes, was mir Spaß machte. Doch dieses zusammen sitzen war anstrengend. Zumal immer jemand rein redete und ein Kommentar zum Film abließ, der unnötig war. 

Ich schnaufte und pustete mir dabei eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Hoffentlich war bald Ende und ich konnte in mein Zimmer gehen.

Als ich desinteressiert den Stimmen lauschte, merkte ich die Vibration meines Handys in meiner Hose. Wer schrieb mir bitte um diese Zeit? Ans Handy durfte ich nicht gehen, da würde ich direkt ärger bekommen. Also stand ich auf, um ins Badezimmer zu gehen. Die Ausrede Toilette funktionierte immer. „Wohin willst du?", fragte meine Mutter mich. Ich formte mit meinen Händen mein Vorhaben, was sie nicken ließ.

Auf dem Weg ins Bad holte ich schon mein Handy heraus und sah, dass mir eine unbekannte Nummer auf WhatsApp geschrieben hatte. Ich runzelte die Stirn. Das konnte doch nur dieser Mann aus der Bar sein. Der, der mich nach einem Autogramm gefragt hatte. Sofort musste ich grinsen.

Ich las seine Worte und bekam Herzklopfen. Wie lange er schon meiner Musik zuhörte und wirklich kein einziges Mal verpasste. Er war vermutlich mein einziger wirklicher Fan.

"Hallo Patrick", schrieb ich zurück. Ich setzte mich auf den Badewannenrand und starrte auf den Chat. Als die zwei Häkchen erschienen, kam er direkt online. Mein Grinsen wurde breiter. Ich beobachtete, wie sich das "online" zu "schreibt" änderte und immer wieder wechselte. Vermutlich suchte er nach Worten.

"Danke für das Autogramm. Aber wieso die Handynummer?", fragte er mich schließlich. Wieso die Handynummer? Ich selbst wusste es nicht wirklich. Ich senkte meine Hand und schaute in den Raum. Dann kam mir eine Idee. "Vielleicht könnte man sich ja mal nach dem Konzert treffen", tippte ich ein und schickte ab. Sofort kam mir die Nervosität in die Glieder geschossen. Und gleichzeitig riesige Zweifel. Mir wurde immer, schon mein ganzes Leben, unter die Nase gerieben, das ich nichts wert war. Angefangen bei meinem Vater und als er dann ging, zu uns aller Zufriedenheit, hatte meine Mutter damit angefangen mich zu verachten. Aber irgendwo hatten sie ja recht. Wer würde jemanden mögen, der nicht sprechen konnte. Es war eine blöde Idee ihn zu fragen. Er konnte bestimmt keine Gebärdensprache. Das konnten die wenigsten.

Ich schaute traurig auf meine Knie. Es war wirklich dumm zu denken, einen Freund finden zu können. 

Der Pianist / KürbistumorWhere stories live. Discover now